Es war noch früher Nachmittag, als sie die Stadt verließen und Selina sich einen geeigneten Ort zum Verwandeln suchte. Sie fand schließlich ein ziemlich hoch stehendes Getreidefeld, das abseits der Hauptstraße und an einem Waldrand lag. Sie ging hinein, verwandelte sich, hob die Kleidung auf und gab sie Avina. Die steckte sie in ihren Rucksack und kletterte auf ihren Rücken. Selina rannte durch das Feld und in den Wald hinein, dann lief sie in südwestliche Richtung. Als sie auf einem kleineren Waldweg ankam, wurde sie langsamer und schnupperte erst in der Luft und dann am Boden. Nach einer Weile nahm sie seinen schwachen Geruch wahr. Sie blieb ganz stehen und sah in die Richtung in die sie gegangen waren.
"Ich hab ihn.", sagte sie zu Avina.
"Die Fährte ist schwach. Wahrscheinlich sind sie vor zwei Tagen hier vorbeigekommen. Es ist noch jemand bei ihnen."
"Was? Wer?"
"Ich glaube, es ist Kyle. Ich bin mir allerdings nicht sicher."
"Kyle? Er hat sich doch in den letzten Wochen nicht blicken lassen. Warum ist er bei ihnen?"
"Ich schätze, aus demselben Grund, weshalb er damals die Seiten gewechselt hatte. Er will Amber rächen."
"Gut möglich. Sogar sehr wahrscheinlich."
Selina ging nicht weiter darauf ein und folgte nun der Spur. Allerdings immer etwas abseits des Weges, damit niemand sie sah. In Xadrien bestand immer die Gefahr einer Gefangennahme, egal welchen Grund die Menschen dafür hatten.Will sammelte gerade das Holz für ein Lagerfeuer, als ihm eine Idee kam. Er lief rasch mit dem Geäst unterm Arm zurück zum Lager und legte das Holz auf einen Haufen. Nyx setzte sich darauf und brachte es damit zum brennen.
"Nathaniel?", fragte er leise.
"Hm?"
Sein Blick war auf das Feuer gerichtet und gleichzeitig ganz weit weg.
"Mir ist gerade eben eine Idee gekommen,wie wir kontrollieren können, ob die Mädchen noch im Schloss sind oder nicht."
Nathaniel wurde hellhörig und sah ihn an. Die Sicherheit der beiden interessierte ihn genauso sehr wie William.
"Wie?"
"Als wir damals vor Daron geflüchtet sind... du weißt schon, als ich noch ein Rabe war, sagtest du, du könntest uns mithilfe von Nyx orten."
Scheinbar ging in ihm ein Licht auf, denn er sah Nyx an, als wäre sie die Lösung eines seiner Probleme.
"Natürlich, das ist die Idee.", murmelte er und befahl Nyx die beiden zu suchen.Plötzlich spürte Selina ein Brennen an der Stelle, an der an ihrem menschlichen Körper normalerweise das Brandmal war und blieb stehen. Vorsichtig sah sah sie sich das Bein an. Die Haut unter ihrem Fell leuchtete Feuerrot und pulsierte leicht.
"Verdammt! Wir sind aufgeflogen. Nathaniel lässt nach uns suchen."
"Oh scheiße. Wir müssen uns irgendwas einfallen lassen.", sagte Avina leicht panisch. Das Brennen wurde stärker.
"Es gibt kein Entkommen. Nyx ist gleich hier."
Und wie aufs Stichwort landete der Phönix direkt vor ihnen.
'Ich dachte, mein Freund hat sich klar genug ausgedrückt. Er will euch beide nicht dabei haben.', sagte Nyx in Selinas Gedanken.
'Wir wissen doch alle, dass wir niemals allein im Schloss geblieben wären, während die Jungs draußen gegen Daron kämpfen.', antwortete Selina.
'Während du schon einmal hier bist, kannst du uns auch gleich zu ihnen führen, denn umdrehen werden wir ganz sicher nicht mehr.', fügte sie noch hinzu.
Nyx seufzte in ihren Gedanken.
'Na schön, ich bringe euch zu ihnen. Aber ihr seid selbst daran schuld, wenn sie wütend auf euch sind.'
'Gut, dankeschön.'
Als wäre Nyx immernoch ein wenig sauer auf sie, ließ sie die Brandmale noch einmal brennen und stieß sich schließlich ab. Jetzt mussten sie dem Phönixweibchen einfach nur noch folgen.Am Abend tigerte Nathaniel am Feuer auf und ab. Nyx hätte längst zurück sein müssen und, dass sie es noch nicht war, machte ihm Sorgen. Entweder hatte sie beschlossen erst einmal bei den Mädchen zu bleiben, sie führte die beiden hierher, was er nun wirklich nicht hoffte oder sie war gefangen genommen worden, wenn das der Fall sein würde, hätte er ein großes Problem.
Plötzlich schossen Bilder durch seinen Kopf. Er atmete kurz erleichtert auf da er wusste, dass dies Nyx' Art von Verständigung war, doch als er sah, wer auf diesen Bildern zu sehen war, wurde er wütend.
"Das darf doch einfach nicht wahr sein!", fluchte er lautstark los.
"Diese verdammte Gestaltwandlerin!"
William wurde hellhörig.
"Was ist passiert?"
"Deine Frau ist passiert. Sie sind auf dem Weg hierher."
Er seufzte laut auf.
"Das darf doch nicht wahr sein. Kann sie nicht einfach mal tun, was man ihr sagt?"
"Das sollte ihr eigentlich nicht so schwer fallen. Hunde hören doch aufs Wort. Irgendetwas machst du also falsch, William.", mischte Kyle sich grinsend ein. Scheinbar überraschte es ihn nicht im Geringsten, dass die Mädchen nachkamen.
William starrte ihn kurz wütend an, bevor er belustigt schnaubte.
Nathaniel hingegen konnte nicht lachen. Selina brachte Avina und sich selbst mal wieder unnötig in Gefahr. Sie machte ihn wahnsinnig.
"Wann werden sie ankommen?", fragte Will plötzlich.
"Ich glaube morgen früh, wenn sie die Nacht durchlaufen.", antwortete Nathaniel tonlos."Selina lass uns eine kurze Pause machen. Ich höre deinen Magen bis hierher.", meinte Avina.
"Nur so nebenbei bemerkt Avina, aber dein Magen ist ja auch nicht gerade der leiseste.", konterte sie und blieb dann stehen. Sie waren an einem Fluss angekommen, dem Nyx nun zu folgen schien. Selina beugte sich vor und trank gierig. Als ihr Durst erloschen war, ging sie zu Avina zurück, die ihr ihre Kleidung hinhielt. Behutsam, um Avina nicht zu verletzen, nahm sie sie aus ihrer Hand und verschwand hinter einem dicken Baum.
Plötzlich hörte Avina Würgegeräusche.
"Selina? Alles in Ordnung?"
Es dauerte eine Weile, bis sie eine Antwort bekam.
"Ja klar, alles bestens."
Das beruhigte sie ja nicht wirklich.
"Was ist los?"
"Hab wahrscheinlich etwas falsches gegessen, also kein Grund zur Beunruhigung. Kann auch sein, dass es der Hunger war."
Langsam trat sie hinter dem Baum hervor. Sie sah blass aus.
"Komm, jetzt essen wir erst einmal etwas."
"Gib mir bitte erst einmal etwas von deinem Wasser, damit ich diesen widerwärtigen Geschmack los werde."
Avina reichte ihr ihre Wasserflasche.
Selina spülte sich ihren Mund aus und gab sie ihr zurück. Avina packte sie wieder ein und gab ihr etwas Trockenfleisch.
Nachdem sie etwas gegessen hatten, warteten sie noch ein wenig. Und machten sich dann wieder auf den Weg.
Nach einer Weile meldete sich Nyx zu Wort.
'Wir müssen dann den Fluss durchqueren.'
"Wie bitte?" Bilder ihrer letzten Begegnung mit einem Fluss schossen ihr durch den Kopf.
"Was?", fragte eine verwirrte Avina.
'Ja, ihr müsst durch den Fluss schwimmen. Etwas anderes bleibt euch nicht übrig.'
"Na vielen Dank auch.", murmelte Selina.
"Nyx hat gerade gesagt, dass wir noch einen Fluss durchschwimmen müssen."
"Du kannst mit Nyx reden?"
"Ja, so eine Art Gedankenunterhaltung."
"Ist das toll. Warum kann ich das nicht?"
"Wenn wir mal Zeit haben und das ganze vorbei ist, bringe ich es dir bei. So schwer ist das nicht.", versprach Selina.
Sie liefen weiter und weiter, bis sie schließlich an einem breiten Fluss ankamen.
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Larwenia Band 5 - Prince Of Fire And Death
FantasyNathaniel, William und Kyle folgen Daron nach Xadrien. Die Mädchen sollten eigentlich im Schloß bleiben, doch sie denken gar nicht daran. Jedoch kaum haben sie die Jungs erreicht bekommt Selina ein Problem mit dem keiner Gerechnet hat und nachdem...