12.Kapitel. Die schwarze Rose.

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Scheinbar schlug die gesamte Mannschaft des Schiffes sich gegenseitig die Köpfe ein. Avina räusperte sich lautstark, doch keiner reagierte auf sie. Auch Will versuchte es ihre Aufmerksamkeit zu erregen, jedoch ohne Erfolg. Selina zog ihren Dolch und bevor Will sie aufhalten konnte, warf sie ihn. Er traf einen dicken Masten, nur wenige Zentimeter vom Kopf eines Crewmitgliedes entfernt. Entgeistert starrte der Mann erst auf den Dolch und dann auf Selina. Auch die anderen Männer starrten sie nun an.
"Nun ... seid ihr fertig?", fragte sie so neutral wie möglich.
Der Mann, dessen Kopf nahe bei ihrem Dolch war, lachte auf einmal laut auf und bekam sich nicht so schnell wieder ein. Auch die anderen stimmten mit ein.
"Also Mädchen ... du weisst, wie man Streitigkeiten unterbricht", brachte er hervor. Sie erwiederte nichts, sondern wartete einfach ab.
Nach einer Weile erstarb das Gelächter und der Mann zog ihren Dolch aus dem Masten und gab ihn ihr wieder.
"Nun, was kann ich für euch tun?"
"Wir wollen nach Sumar-Gardo übersetzen. Der Harfenmeister hat das Geld schon.", erklärte sie sachlich und kurz angebunden.
"Naja wir warten jetzt nur noch, bis das Wasser hoch genug ist und dann legen wir ab. Und nun, darf ich euch auf der 'schwarzen Rose' Willkommen heißen?" Selina versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Das Schiff hatte denselben Namen wie Rose. Verdammt, das war wahrscheinlich noch ihr Schiff.
"Und nun stelle ich mich erst einmal vor. Ich bin Kapitän Erik und stehe euch jederzeit zur Verfügung. Dürfte ich auch eure Namen erfahren?"
Sie hatte dem Kapitän den Dolch fast in den Kopf gejagt? Mist!
"Ich bin Luna und das sind Black und Mira", stellte Selina erst sich, dann Will und Avina vor.
"Freut mich deine Bekanntschaft zu machen, Luna", sagte er und nahm ihre Hand und deutete einen Kuss auf ihrem Handrücken an. Nur mit Mühe konnte sie sich davon abhalten, ihre Hand wegzuziehen. Hinter ihr hörte sie ein leises Knurren, das höchstwahrscheinlich von Will kam.
Sie unterdrückte ein kleines Lächeln und trat von Erik zurück. Dieser wandte sich zu seiner Besatzung um, die sich nun aufgerappelt hatte, und sagte:
"Wir werden in zehn Minuten ablegen, damit wir heute Abend in Sumar-Gardo ankommen. Macht alles fertig!"
Dann drehte er sich um und verschwand unter Deck, während seine Mannschaft herumwuselte und alles fertig machte.
Eine halbe Stunde später befanden sie sich bereits auf dem offenen Meer in Richtung Norden, immer an der Küste Xadriens entlang. Selina stand an der Reling und beäugte die Landschaft, während Will und Avina sich in einer Kajüte zurückgezogen hatten. Plötzlich legten sich rechts und links von ihr Hände auf das Holz. Langsam drehte sie sich um und sah Eriks wettergegerbtes Gesicht vor ihr. Er war zu nah und sie musste sich zurücklehnen, um ihn scharf sehen zu können.
"Was willst du?", fragte sie etwas verwirrt.
"Dich!", war seine schlichte Antwort, bevor er ihre Hand schnappte und sie in Richtung Kapitänskajüte zog. Sie wehrte sich gegen seinen eisernen Griff, doch kam nicht davon frei. Mit ihrer freien Hand tastete sie nach ihrem Dolch und fand endlich den Griff. Blitzschnell zog sie ihn und drückte die Spitze gegen seinen Arm.
"Lass mich los oder du musst zusehen, wie du mit nur einer Hand zurecht kommst!", knurrte sie laut.
Er hielt inne und starrte auf das Rinnsal, das sich an seinem Arm gebildet hatte. Sein Blut tropfte auf ihre Hand hinunter und sie verstärkte den Druck auf die Klinge. Ein Schmerzausdruck huschte über sein Gesicht und er stieß sie von sich, eh er sie an beiden Händen packte und sie gegen den Mast drückte. Er zog ihre Arme nach oben und hielt sie dort mit einer Hand fest. Schnell zog er ihren Dolch aus der Hand und warf ihn ins Meer. Erik drückte sie mit seinem ganzen Körper gegen den Masten und vergrub sein Gesicht an ihrem Hals. Angewidert hob sie das Knie an und rammte es in seinem Schritt.
Er ließ sie los und kauerte sich zu Boden. Sie sah sich kurz um und bemerkte wie Eriks Mannschaft sie nur anstarrte. Jetzt wurde ihr bewusst, dass er das scheinbar schon öfters getan hatte und seine Mannschaft noch kein Mädchen gesehen hatte, das fähig war sich zu befreien.
Sie beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte mit ruhiger Stimme:
"Sei froh, dass mein Ehemann das nicht mitbekommen hat, sonst hätte er deine Leiche den Haien zum Fraß vorgeworfen. So hast du Glück gehabt, da ich heute nicht in der Stimmung bin, zu töten, beziehungsweise dafür zu sorgen, dass jemand stirbt. Betrachte es als Lektion." Sie rammte ihm ihre Faust ins Gesicht und verschwand unter Deck, um Avina und Will zu suchen.

Will beriet sich gerade mit seiner Schwester über ihre weiteres Vorgehen als Selina herein kam.
Sie schien wachsam und achtete auf alles und jeden.
"Will, hast du noch einen Dolch für mich?", fragte sie als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte.
Er sah sie verwirrt an.
"Was ist mit deinem?"
"Der ist im Meer versunken."
Plötzlich nahm er einen Geruch wahr. Es war ihr Duft, gemischt mit etwas fremden. Langsam trat er näher.
"Was ist das für ein fremder Geruch an dir?"
"Erik. Er hat versucht mich in seine Kabine zu zerren, aber er hat nicht damit gerechnet, dass ich mich wehre. Als ich ihm mit meinem Dolch gedroht hatte, hat er mich gegen den Masten gedrückt und meinen Dolch ins Meer geworfen. Dann blieb mir nur noch eine Möglichkeit übrig, mich zu wehren."
Will konnte sich nur zu gut vorstellen was sie getan hatte, da sie besprochen hatten, sich nicht mehr zu verwandeln, solange sie noch auf Darons Gebiet waren. Und da musste man eben in Menschengestalt kämpfen. Trotz, dass Selina Erik in seine Schranken zurückgewiesen hatte, überkam ihn eine unbändigende Wut. Langsam trat er in Richtung Tür.
"Will, lass es sein. Außerdem, wenn du jetzt da raus gehst, erkennt dich jeder. Lass es sein, ich habe es geregelt", versuchte sie ihn zu beruhigen, legte ihm eine Hand auf die Brust und sah ihm in die Augen. Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen.
"Geht es dir und dem Kleinen gut?"
"So gut wie immer", versicherte sie und lächelte. Langsam flaute seine Wut ab.
"Ich würde vorschlagen dass wir, sobald wir Sumar-Gardo verlassen haben uns verwandeln und über die Blutebene zum Schloss laufen, dann lassen wir Luke einen Brief zukommen in dem steht, dass er seine Armee bereitmachen soll. Wir müssen auch noch jemanden zu den Drachen schicken, damit sie sich ebenfalls bereitmachen, falls sie uns unterstützen wollen. Alles weitere besprechen wir mit unserem General", schlug Avina vor und Selina zuckte bei der Erwähnung ihres Bruders zusammen.
"Ich erledige die Drachen. An mich könnte sich der Drache noch erinnern, was bei euch nicht der Fall sein könnte."
Avina nickte, während Will verneinend den Kopf schüttelte.
"Will, ich bin schwanger und nicht schwerstkrank. Ich kann schon zu den Drachen reisen. Das ist weniger gefährlich für mich, als wenn ich zu Luke gehen würde, um ihm Bescheid zu sagen, dass Daron sich mit Kalistrien gegen uns verbünden will. Außerdem kann ich unmöglich im Schloss bleiben, während du mit dem General und Avina unterwegs bist. Du wirst sie brauchen, um die Armee zusammenzustellen. Ich kümmere mich um die Drachen." Er wollte wieder protestieren, aber sie fiel ihm ins Wort, bevor er überhaupt etwas sagen konnte.
"Will lass mich das machen. Ich verspreche dir gesund und wohlbehalten wiederzukommen und natürlich mit Drachen."
"Lass uns das zuhause klären."

Larwenia Band 5 - Prince Of Fire And DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt