18. Kapitel. Geschwister

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Nathaniel war einfach nur verwirrt. Das alles ergab keinen Sinn. Er wollte Kyles verrückten Geschichten nicht glauben, doch wenn da wirklich noch mehr war an das er sich nicht erinnern konnte, dann sagte er vielleicht die Wahrheit. Nein das war absurd, dann wäre er ja selbst ein Verräter. Niemals würde er so etwas tun. Doch wozu hatte ihn jemand die Erinnerungen an Ludmars Tod genommen und auch die an seinen Phönix? Und sollten es tatsächlich Daron und Rose gewesen sein?
Seufzend lief er die Treppen nach oben, bis ihn jemand auf die Schulter tippte.
Nathaniel fuhr herum, als hätte jemand auf ihn geschossen.
"Was!?", brüllte er sein Gegenüber regelrecht an und Hunter musterte ihn skeptisch.
"Hast du ihn schon wieder gestoppt?"
"Ja." Nathaniel zuckte mit den Schultern.
"Wieso?"
"Wieso was?"
"Wieso hilfst du ihm? Er ist ein Verräter."
"Er hat einen Fehler gemacht, ja. Aber ein Verräter? Kyle hatte eben die rosarote Brille auf. Dieses Mädchen hat ihn sicher manipuliert, doch nun ist sie tot. Sollten wir nicht versuchen ihn wieder auf unsere Seite zu ziehen?"
Hunter schnaubte verächtlich. "Kommt er frei, tötet er aus Rache Rose. Willst du das?"
"Nein natürlich nicht. Aber ich will auch nicht das Jack ihn umbringt. Lasst ihn doch einfach im Kerker.", schlug Nathaniel vor, doch alles was Hunter darauf zu sagen hatte, war: "Du bist zu weichherzig."
Nathaniel nahm das so nicht hin. Er war ohnehin zu aufgewühlt und nun musste dieser Idiot ihn auch noch provozieren. Wütend packte er Hunter am Kragen und drückte ihn gegen die weißen Wände des Schlosses.
"Du findest mich also zu weich?"
Er schlug seinen Kopf noch einmal dagegen.
"Vielleicht sollte ich dich daran erinnern, wer ich bin... Was hältst du davon?"
Hunter schüttelte den Kopf.
"Das ist wirklich nicht nötig."
"Gut."
Nathaniels Stimme klang eisig und er schlug ihn noch ein drittes Mal gegen die Wand, eh er ihn los ließ. Hunter sackte zu Boden und nur ein roter Fleck blieb an der strahlend weißen Wand zurück. Daron hatte ebenfalls im Gang gestanden und das Ganze mit einen Grinsen beobachtet. So brauchte er ihn. Wütend und rücksichtslos. Hatte Nathaniel sich selbst nicht unter Kontrolle, fiel es Daron um einiges leichter diese zu übernehmen.
Dem Jungen Dämonenblut einzuflösen war die beste Idee, die er jemals gehabt hatte. Das war besser als Milch oder Saft. Das machte ein Kind groß und stark und vorallem skrupellos. Nur an letzteren schien es schon wieder zu hapern. Er hatte Mitleid mit Kyle. Das war schon immer eines seiner größten Probleme, dieses verdammte Mitleid.
Daron lief zu seinen Sohn.
"Du hast ihm also wieder geholfen."
"Wenn du mir auch noch erzählen willst, ich wäre zu weich, dann nur zu ich halte dich nicht ab!"
Mit einem nahezu totbringenden Blick wurde er von Nathaniel abgefunkelt.
"Nicht doch.", antwortete Daron ruhig "Du kamst nur nicht zum Abendessen und da habe ich beschlossen, dich zu suchen."
"Persönlich?"
Nathaniel hob skeptisch die Augenbrauen. Es fiel ihm schwer, das zu glauben, doch Daron nickte und er meinte:
"Also gut, ich komme ja schon."
Daron nickte wieder und ging schon mal vor. Er wollte diesmal ganz sicher sein, dass sein Sohn das Abendessen auch zu sich nahm, denn es beschlich ihn das Gefühl das ihm ein paar Rationen Dämonenblut abhanden gekommen waren, solange er weg war. Also wartete er im Speisessaal, bis Nathaniel herein kam.
Grummelnd setzte er sich an den Tisch und aß. Danach ging es ihm erstaunlicherweise besser. Vielleicht half es einfach, etwas im Magen zu haben. Danach ging er zu Rose und legte sich mit ihr ins Bett. Sanft strich er durch ihr Haar und schloss die Augen.

Avina stand auf und ging zum Frühstück. Gähnend setzte sie sich an den Tisch und bemerkte das Will bereits da war.
"Ist Selina schon weg?"
"Ja. Sie war schon verschwunden, als ich aufgewacht bin."
Sorge schwang in seiner Stimme mit und Avina war klar, dass es ihm eigentlich gar nicht recht war, Selina so ganz alleine reisen zu lassen.
"Ihre Wölfe sind sicher bei ihr.", wollte sie ihn beruhigen und er nickte auch, schien aber nicht wirklich aufgemuntert.
Avina stand auf.
"Ist doch auch ganz schön, mal wieder so zu zweit, wie früher."
William seufzte traurig.
"Nur, dass Mum und Dad nun tot sind."
Avina sah bedrückt auf ihren Teller. "Tut mir leid."
Sie kam sich fast schäbig vor, fast nicht mehr an sie gedacht zu haben. Sie hatte nie mit ihm darüber gesprochen. Dafür war keine Zeit geblieben, aber sie wusste, dass es Will noch härter getroffen haben musste als sie. Er war immer perfekt und wurde dementsprechend geliebt, das klang eifersüchtig, aber es war die Wahrheit. Sie war nie genug Prinzessin. Natürlich war sie trotzdem traurig über ihren Tod, sogar sehr traurig.
"Lass uns mal wieder zu ihnen gehen.", schlug Will plötzlich vor, doch Avina schüttelte den Kopf.
"Ich brauche nicht noch mehr trübe Gedanken."
"Du meinst Nathaniel."
Sie nickte und Will seufzte.
"Wir brauchen beide etwas Ablenkung."
"Aber die bekommen wir sicher nicht auf den Friedhof."
"Nein vermutlich nicht", gab William zu.
"Also was dann?"

Avina überlegte.
"Wir könnten trainieren. Ein bisschen Schwertkampf. Ein bisschen Bogenschießen."
"Eigentlich keine schlechte Idee.", meinte Will.
Sie liefen hinunter in den Hof und zogen ihre Schwerter.
Der Kampf dauerte eine halbe Ewigkeit, bis Will schließlich einen kleinen Fehler machte und Avina die Chance nutzte um ihn zu entwaffnen.
"Nicht schlecht, kleine Schwester. Du bist stärker geworden."
"Dafür kannst du dich bei deiner Frau bedanken. Sie hat mich in der Akademie trainiert. Sie war eine der besten Schwertkämpferinnen an der Schule, bevor sie entführt wurde."
Plötzlich wurde Williams Gesicht wieder ernst. Mist! Sie hätte Selina nicht erwähnen dürfen.
"Hey. Sie hat die Wölfe mitgenommen. Sie wird bald wieder hier sein."
"Aber diese Wölfe können nichts gegen einen Drachen, geschweige denn mehrere Drachen ausrichten, Avina." Seine Sorge war berechtigt. Wenn er jetzt noch auf die dumme Idee kommen würde, ihr zu folgen, würde sie hier alleine mit einem Krieg im Nacken dastehen.
"Ich hätte sie nie gehen lassen dürfen."
"Sie wäre so oder so gegangen, egal was du gesagt hättest. Du weisst wie stur sie sein kann.", seufzte sie.
"Und sie bringt sich und das Kind in Gefahr. Verdammt, bin ich so ein schlechter Ehemann, dass sogar meine schwangere Frau vor mir davonrennt?"
Diese Aussage schockierte Avina. War das sein Ernst? Er gibt sich die Schuld daran, dass Selina nur das Wohl des Landes im Kopf hat und ihnen einen Vorteil gegenüber Xadrien und Kalistrien verschaffen will. Oh Himmel. Das war ja schlimmer, als einige von diesen Schnulzenbüchern die Avina früher gelesen hatte.
"Will verdammt! Reiß dich zusammen! Sie rennt nicht vor dir davon. Sie will uns einen Vorteil gegenüber Daron verschaffen und das ist verdammt noch mal nicht deine Schuld. Also hör jetzt auf herumzujammern und konzentriere dich auf die nächsten Schritte!"
Sie war wütend, dass er sich jetzt in Depressionen fallen ließ.
Er sah sie schockiert an. Dann schüttelte ihr Bruder den Kopf.
"Du warst noch nie feinfühlig gewesen, was das Aufbauen von Menschen betraf." Ihm gegenüber vielleicht nicht, weil er ihr Bruder war und sie ihn schon ihr ganzes Leben lang kannte. Jetzt musste sie sich ein leichtes Grinsen verkneifen.
Sie legte ihre Arme um ihn.
"Es wird schon alles gut enden.", flüsterte sie und hoffte, dass sie damit Recht behalten würde.

Larwenia Band 5 - Prince Of Fire And DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt