4. Kapitel. Überraschung

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Am Abend als sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, gingen die beiden Mädchen tiefer in den Wald und somit weiter weg von den Jungs, damit Avina Selina scannen konnte.
Sie machte es ein wenig anders als Nathaniel. Sie zog einen kleinen Stein aus ihrer Tasche und ließ ihn, wie am Fluss, in ihrer Hand zu Staub zerfallen, dann streute sie ihn über sie.
Kaum war das getan, hielt sie ihre Hände über sie und scannte jeden einzelnen Millimeter von Selinas Körper. Es war ihr fast unangenehm, dass Avina so eine Einsicht hatte.
Nach einer Weile ließ sie die Arme sinken und schaute ihr in die Augen.
"Ich kann nichts außergewöhnliches feststellen."
"Aber irgendeinen Grund muss es doch haben, dass mir übel ist und ich manchmal erbreche."
"Ähm...hast du in letzter Zeit...eh... geblutet?", stotterte sie. Selina sah sie schief an.
"Na du weisst schon... Frauenprobleme."
Jetzt ging Selina ein Licht auf. Sie dachte kurz nach. Dann erbleichte sie.
"Nein. Nein! Nein! Nein! Verdammt!"
Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen. Das durfte nicht wahr sein. Nicht jetzt. Besonders nicht jetzt. Sie stand auf und fluchte vor sich hin.
"Heisst das etwa, ich werde Tante?", fragte Avina leise. Selina brach in Tränen aus, als Avina diese Worte aussprach, da sie fühlte, wie die Zielscheibe auf ihrem Rücken sich vergrößerte. Davon durften weder Kyle und Nathaniel, noch Will etwas erfahren. Letzteres war etwas, das ihr mehr Schwierigkeiten bereitete, als alles andere, auch wenn es nur war, um ihn zu schützen.
"Ja verdammt. Genau das heisst das.", brach es aus ihr heraus.
Auch Avina war fassungslos.
"J-jetzt?", fragte sie mit zitternder Stimme.
"Ja jetzt. Bitte sag es den Jungs nicht. Ich weiß nicht wie Will reagieren würde und Nathaniel würde mich sofort nach seiner Moralpredigt zurückschicken." Sie biss auf ihre Lippe. Das durfte nicht sein.
Avina seuftzte.
"Na gut. Ich sage nichts, solange du dich mit dem Kämpfen zurückhältst und es nicht auf Auseinandersetzungen ankommen lässt."
"Ist das nicht irgendwie Erpressung?", fragte Selina mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen.
"Ja aber diese Erpressung ist absolut notwendig. Erstens, wegen dir und deinem Kleinen. Zweitens, wegen dem Zusammenhalt in der Gruppe. Und drittens, wird Nathaniel dich mit mir zusammen heimschicken und ich habe keine Lust, hinter den Mauern des Schlosses wie auf heißen Kohlen zu hocken und darauf zu warten, dass Nathaniel heimkommt. Aber sobald du oder das Kleine in Gefahr geratet, muss ich dieses Los wohl ziehen."
Selina knurrte kurz, stimmte aber dann zu.
"Na schön und jetzt lass uns zurück gehen, bevor Nathaniel wieder nach uns suchen lässt."
"Sei nicht böse auf ihn. Er meint es nur gut."
"Ich weiß ja aber manchmal ist er zu überfürsorglich, wenn es um dich geht.", sprach sie die Wahrheit aus.
Avina sagte nichts dazu und lief weiter stumm neben ihr her. Als sie im Lager ankamen, saßen die drei Männer am Feuer und brieten einen Hasen. Kyle bemerkte sie zuerst.
"Wo wart ihr denn?", fragte er neugierig.
"Wir mussten etwas besprechen.", sagte Selina.
"Und was?", harkte er nach.
"Etwas, das nichts mit dieser Mission zu tun hat.", antwortete sie gereizt.
"Wieso werde ich jetzt auch neugierig?", mischte sich Nathaniel ein.
Selina knurrte ihn an, woraufhin er verstummte, da er wusste, dass das Ganze am Ende nur zum Streit führen würde und sie setzte sich neben Will, der fast sofort einen Arm um sie legte.
"Verrätst du es mir?", fragte er sie über ihre Gedanken. Sie hatte ihm die gedankliche Verbindung kurz nach ihrer Hochzeit beigebracht, damit sie bei Ratssitzungen oder sonstigem miteinander reden konnten, ohne, dass es irgendjemand bemerkte.
"Nein.", antwortete sie schlicht.
"Wieso nicht?"
"Ich mag nicht."
"Das ist doch keine Antwort."
"Doch ist es und wenn du weiterfragst, schlafe ich heute Nacht nicht neben dir.", drohte sie. Und ihre Drohung zeigte Wirkung, denn er ließ sie mit seinen Fragen in Ruhe. Er bot ihr schließlich etwas von seinem Fleisch an, was sie aber ablehnte.
"Danke, aber ich habe keinen Hunger."
"Wir sind den ganzen Tag gelaufen und du willst mir weißmachen, dass du keinen Hunger hast? Iss wenigstens das Stück hier." Er hielt ihr etwas von seinem Fleisch hin.
"Na gut." Sie nahm das Stück, das er ihr hinhielt und aß es, dann legte sie sich hin, mit dem Rücken zum Feuer.
Nathaniel starrte sie fragend an und auch Will hatte scheinbar ein riesiges Fragezeichen über dem Kopf schweben. Kyle sah zwischen seinen vier Weggefährten hin und her und versuchte sich darauf einen Reim zu machen. Avina unterbrach den Blickkontakt zwischen den Männern indem sie lauthals gähnte. Sie blinzelte, als sie die Blicke der Drei bemerkte. Nathaniel zog sie an sich und ließ sich langsam mit ihr auf seine Decke zurücksinken.

Um ihn herum schliefen alle nach und nach ein, während Kyle noch immer versuchte herauszufinden, was hier falsch lief und da er sowieso die erste Nachtwache übernahm, hatte er dafür genug Zeit. Aber egal, wie lange er nachdachte, es fiel ihm einfach kein logischer Grund, für das Verhalten der Mädchen ein.
Schließlich weckte er Nathaniel auf, damit er die zweite Wache übernahm.
Ganz vorsichtig, hob er Avina von sich runter, um sie nicht aufzuwecken und stand auf.
"Was meinst du? Was verschweigen uns die Mädchen?", fragte Kyle.
"Ich habe keine Ahnung.", antwortete Nathaniel.
Plötzlich glitzerte etwas in seinem Augenwinkel. Er sah kurz hinüber und sah, dass etwas an Selinas Kleidung haftete. Ganz vorsichtig und leise schlich er zu ihr hinüber und betrachtete ihr Oberteil. Es war übersäht mit ...
"Edelsteinstaub. Avina muss sie gescannt haben.", fiel es ihm auf.
"Scanne du sie nochmal, vielleicht findest du etwas heraus.", schlug Kyle vor, doch er schüttelte den Kopf.
"Das könnte ich nicht, ohne dass sie es mitbekommt und aufwacht. Und dann würde sie mir mit Sicherheit, wegen was weiß ich, an die Kehle hüpfen.", sagte Nathaniel und fügte noch hinzu.
"Wir werden es früher oder später herausfinden."
"Dann wohl eher später. Sie wird stur bleiben, bis zum Ende.", prophezeite Kyle.
Genau das befüchtete Nathaniel auch.

Selina wachte früh am nächsten Morgen auf. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und ihre Weggefährten schliefen noch. Alle außer Nathaniel. Der saß nur da und beobachtete sie. Sie setzte sich auf und sah ihn an.
"Was gibts?", fragte sie.
"Nichts."
"Wann brechen wir auf?"
"Wenn die Sonne aufgeht wecken wir sie auf, würde ich sagen."
"Gut. Wann sind wir dann bei diesem Wüstenschloss?"
"Wir müssen noch ungefähr drei Tage laufen, bis wir an den Rand der Wüste kommen und wenn wir Glück haben, sind dort Händler die uns Wüstenschiffe verkaufen, dann dürften wir bis zum Schloss nur zwei Tage brauchen."
"Also sind wir noch ungefähr fünf Tage unterwegs.", stellte sie klar.
"Ja und wo willst du jetzt hin?"
"Ich will Frühstück holen gehen."
"Okay, bis dann.", verabschiedete sich Nathaniel.
Verwirrt drehte sich Selina um. Das war scheinbar eines der normaleren Gespräche mit Nate, die sie in letzter Zeit geführt hatten. Sie lief auf eine kleine Baumgruppe zu. Im Schutz der Dunkelheit zog sie sich aus und verwandelte sich, dann lief sie los. Sie fand Spuren von Rehen, Wildschweinen und Hasen. Sie entschied sich für einen Hasen, da Rehe und Wildschweine zu groß für ein Frühstück waren. Sie folgte den frischeren Spuren und fand schließlich eine Wiese. Dort tummelten sich schon einige Hasen. Leise schlich sie sich an. Der Hase der ihr am nächsten war, war ein großes gut genährtes Männchen. Es war eine viel versprechende Beute. Der Wind wehte ihr ins Gesicht, also roch sie der Rammler nicht. Schnell griff sie an und biss ihm den Hals durch.
Er zappelte noch etwas stärker, als sie gedacht hatte und traf sie mit den Hinterbeinen am Hals.
Sie wartete bis die Zuckungen vorüber waren und lief dann mit ihrer Beute zurück zu der Baumgruppe, bei der sie ihre Kleidung hatte liegen lassen. Dort angekommen legte sie den Hasen auf einen Stein ab, verwandelte sich schnell und zog sich an, dann nahm sie den Hasen an den Hinterbeinen und ging zurück zum Lager. Mittlerweile war auch Will aufgewacht und sah sie als Erster. Er lächelte ihr entgegen, stand aber auf, als er ihren Hals sah.
"Was ist passiert?"
Sie verdrehte die Augen.
"Was wohl? Der Hase hat sich gewehrt."
Sie gab den Hasen Nathaniel, der ihn sofort bearbeitete.
Will besah sich die Wunden näher und tastete mit der Hand vorsichtig darüber.
"In ein paar Stunden werden sie nicht mehr zu sehen sein.", beruhigte sie ihn und lief zu Avina. Vorsichtig weckte sie sie und als Avinas Blick zu ihrem Hals hinunterglitt, sah sie sie streng an.
"Ich war jagen und der Hase hat sich gewehrt. Kein Grund durchzudrehen.", flüsterte sie ihr beruhigend zu. Avina nickte nur und stand auf.
Nach einer Weile war Nathaniel mit dem Hasen fertig und sie brieten ihn über dem Feuer. Als alles aufgegessen war, packten sie ihr Zeug zusammen und liefen wieder los.

Larwenia Band 5 - Prince Of Fire And DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt