26. Kapitel. unschöne Begegnung

136 18 0
                                    

Drago hatte beschlossen, am Nachmittag in die Drachenstadt zu fliegen und Selina und Will im nahegelegenen Tal abzusetzen, damit die Beiden mal etwas anderes sehen konnten. Nachdem Dalamurna  verschwunden ist, waren die Beiden in einen kleinen Streit ausgebrochen, weil das was Selina getan hatte, ganz schlicht und ergreifend verrückt war. Sie hatte sich unter einen Drachen gestellt und diesem die Schwertspitze an den Bauch gedrückt. Dort wo sie am verletzlichsten waren.

Selina lief auf das Plateau hinaus und sah zu Drago. Er wollte sie und Will für den Nachmittag im Tal herumlaufen lassen und sie abends in seiner anderen Höhle wieder einsammeln.
Er nickte ihr zu und gerade wollte sie sich wieder in Bewegung setzen, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Sie drehte den Kopf und sah Will an.
"Sel ... das vorhin ... es tut mir leid, aber versteh doch, dass ich Angst um dich habe", sagte er wehmütig.
Sie spürte seine Reue und nickte. Sie wandte sich wieder Drago zu und setzte sich auf seinem Rücken. Will folgte ihr seuftzend.
Kaum saß er, schon flog Drago auch los. Fest klammerte sie sich an ihn und nach einer Weile kam die andere Höhle in Sicht. Er landete vorsichtig in deren Inneren und wartete bis sie abgestiegen waren.
Er wandte ihnen noch ein letztes Mal den Kopf zu und sagte:
"Ich hole euch bei Sonnenuntergang hier ab. Wenn ihr nicht hier seid, suche ich euch und trage euch in meinem Schwanz wieder nach oben. Verstanden?"
Sie nickten und nachdem er weggeflogen war, zog sie sich das Kleid aus und verwandelte sich. Will tat es ihr gleich. Ihre Sachen hatten sie zu dem Sattel gelegt und liefen hinaus.
Selina sah sich um. Ihre Wölfe mussten doch hier irgendwo in der Nähe sein. Sie jaulte einmal kurz, doch komischerweise kam keine Antwort zurück. Besorgt lief sie los. Nach einer Weile blieb sie stehen und schnupperte. Das Rudel hat an dieser Stelle gelagert, doch wo waren sie nun? Sie sah sich nach Spuren um, bis der Wind endlich drehte und einen bekannten Duft zu ihr trug. Sie sah in die Richtung aus der der Geruch kam und tastete sich langsam vorran. Ein Teil des Geruchs gefiel ihr gar nicht.
Der Geruch führte sie auf eine kleine Lichtung in deren Mitte ein einzelner Baum stand. Ihr Blick glitt langsam den Stamm hinunter und innerlich wappnete sie sich auf das, was sie gleich sehen würde. Am Boden unter dem Baum lag Luna. Blutverschmiert aber noch lebend.
Entsetzt rannte sie los und auf ihre alte Freundin zu. Das durfte nicht wahr sein. Es war noch zu früh. Sie durfte noch nicht gehen.
Neben ihr angekommen, legte sie sich auf den Bauch und winselte, während Tränen über ihre Wangen liefen. Lunas kompletter Bauchraum war aufgerissen und teilweise angefressen. Vorsichtig leckte sie ihr die Wange. Erst reagierte sie gar nicht, doch dann sah sie sie an und ihr Blick sagte etwas eindeutiges. Gefahr! Selina sah sie fragend an, doch plötzlich hörte sie ein bedrohliches Knurren hinter sich. Sie stand auf und drehte sich um. Will stand mit dem Rücken zu ihr. Sein Nackenfell war gesträubt und zähnefletschend sah er in die Bäume. Sachte drückte er sie mit dem Hinterteil an den Baum, während er immernoch zu den Bäumen starrte und drohend knurrte. Sie schaute genauer dort hin und bemerkte ein Paar leuchtend grüne Augen, die auf etwa ihrer Höhe schwebten.
Das hatte ihnen gerade noch gefehlt, oder? Ein weiterer Gestaltwandler. Der graubraune Wolf trat näher und knurrte laut. Er sah schon älter aus und irgendetwas sagte ihr, dass er sehr lange nicht unter Menschen gelebt hatte. Er hatte stumpfes, glanzloses Fell, was darauf deuten könnte. Lauernd kam er auf sie zu und fletschte die Zähne. Sein Geruch wehte in ihre Richtung und ihr würde schlecht. Es roch irgendwie faulig. Normalerweise hätte sie sich auf einen Kampf mit ihm eingelassen aber Will wollte scheinbar, dass sie sich aus dem Staub machte. Sie wollte Luna jedoch nicht diesem Monster aussetzen aber als sie dieser einen Blick zuwarf, drängte nun auch Luna sie zum verschwinden. Deshalb umrundete sie den Baum und entfernte sich langsam von den dreien. Mühevoll musste sie ihre Schluchtzer unterdrücken und ihr Herz wurde mit jedem Schritt schwerer den sie sich von ihrer Ziehmutter entfernte.
"Was willst du von uns?", fragte Will den fremden Wolf gebieterisch.
Sie dachte, der Fremde würde sofort anggreifen, doch das tat er nicht. Er tat etwas anderes, was sie sehr überraschte. Er sprach:
"Ich will, dass ihr hier verschwindet. Das ist mein Revier. Ihr habt hier nichts verloren."
Seine Stimme war rau und klang als ob er nicht oft zu Worten greifen würde, um sich zu verständigen. Geifer tropfte aus seinem Maul, was Selina wirklich anwiderte.
"Was hast du mit unserem Rudel gemacht?", knurrte Will, ohne auf die Worte seines Gegenüber einzugehen.
Der fremde Wolf grinste dreckig.
"Soso ... euer Rudel, das hat die Flucht ergriffen. Ich habe den Geruch des reizenden Alphaweibchens dort drüben wahrgenommen, als ich sie angegriffen habe." Er deutete auf Luna. William knurrte lautstark.
"Wenn du sie auch nur anrührst, wirst du morgen ohne Pfoten stehen müssen."
Der Alte grinste daraufhin ekelerregend und machte einen Schritt seitwärts ... direkt auf Selina zu. Als er langsam näher kam, bemerkte Selina den Schaum an seinem Maul. Erschrocken wich sie zurück.
"Will greif ihn nicht an. Er hat die Tollwut.", sagte sie warnend. Kurze Zeit herrschte Stille.
"Lauf!", erwiederte er.
Selina verlor keine Zeit und sie lief los, direkt in den Wald hinein. Das war zwar nicht die beste Idee, da das das Revier des Fremden war und er es besser kannte als sie, aber was sollte sie machen? Sie konnte ja schlecht stehenbleiben und gegen ihn kämpfen. Ein einziger Biss und das würde ihr Ende bedeuten und das ihres Kleinen. Nein, das durfte nicht sein. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Sie konnte gegen ihn kämpfen ohne ihn zu berühren. Nur brauchte sie dafür Wasser und der Bach, der in der Nähe der Höhle war, lag hinter ihnen. Also müsste sie zurücklaufen, was auch bedeutete, dem Fremden Wolf entgegen zu laufen.
"Will wir müssen ans Wasser."
"Was? Bist du verrückt? Der Bach liegt hinter uns.", herrschte er sie an.
"Ich weiß. Die Höhle des Drachen auch aber bis er kommt, dauert es noch."
"Selina das ist Wahnsinn."
"Wir laufen einen Bogen. Wir müssen zu diesem Bach, um nicht noch einmal von ihm überrascht zu werden."
Will knurrte als Antwort und lief schneller. Auch sie beschleunigte ihr Tempo, da sie wusste, dass der Wolf direkt hinter ihnen war. Sie liefen wie geplant den Bogen. Und kurz darauf trafen sie auf den Bach. Es war ein breiter Gebirgsbach und Selina sprang mitten hinein, drehte sich zu dem Wolf um und sah ihn direkt an. Wütend knurrte sie ihn an.
Das ließ ihn zögern. Schnell konzentrierte sie sich auf ihren Machtpunkt und ließ ihn wachsen. Sie stellte sich eine Wasserkugel vor in der der Wolf eingeschlossen war und ließ die Energie ins Wasser gleiten. Sie hörte ein Rauschen und sah dann auf.
Der Wolf hing ängstlich in der Kugel fest und versuchte verzweifelt sich zu befreien.
Nach einer Weile wurden seine Versuche zunehmend schwächer, da er einfach nicht an Luft kam. Immer wenn er sich bewegte, formte sie die Wasserkugel um so, dass er auf keinen Fall nach Luft schnappen konnte. Selina keuchte. Die Kugel in der Luft zu halten wurde immer anstrengender. Immer weiter sackte sie ein Stückchen hinab. Langsam verlor der Wolf das Bewusstsein. Sie wollte nicht, dass dieses Monster überlebte, nachdem er Luna zum Tode verurteilt hatte. Tränen liefen ihre Wangen hinunter aber sie hatte keine Kraft um jetzt zu schluchtzen. Sie musste das beenden. Angestrengt hielt sie die Kugel oben.

Larwenia Band 5 - Prince Of Fire And DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt