22.Kapitel. Drachin

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Selina stieg aus dem Wasser und trocknete sich ab. Der Kuss in der Bibliothek war etwas aus dem Ruder gelaufen und nun war der Drache zurück gekommen mit einem Hirschkadaver. Sie verwandelte sich in ihre Wolfsgestalt und lief in die Vorhöhle. Dort wartete Will schon auf sie. Auch er hatte seine Wolfsgestalt angenommen. Er kam auf sie zu und wollte sich an sie schmiegen, doch das wollte Selina im Moment einfach nicht, also knurrte sie und rückte ein Stück von ihm ab.
"Was habe ich jetzt wieder falsch gemacht?", fiepte er in Gedanken.
"Wenn der Drache herausfindet, was wir in seiner Bibliothek gemacht haben, sage ich, dass du dafür verantwortlich bist.", knurrte Selina.
"Stimmt sogar ein bisschen.", schmunzelte er.
Der Drache sah sie neugierig an.
"Habe ich etwas verpasst?"
Ertappt sahen beide Wölfe nach oben.
"Nein hast du nicht.", antwortete Selina.
"Weißt du, was ich dich nie gefragt habe?", versuchte sie den Drachen abzulenken, damit er nicht weiter darüber nachdenken konnte.
Verwirrt sah er sie an.
"Ich habe dich nie gefragt, wie du heißt." Sie sah zu Boden.
"Mein Name ist zu kompliziert als, dass du ihn aussprechen könntest, kleine Wölfin."
"Hast du einen Spitznamen? Weil dich immer 'Drache' zu rufen, ist auf Dauer auch irgendwie komisch."
Er legte den Kopf schief und schien eine Weile nachzudenken.
"Nenn mich einfach Drago. Das ist die einfachste Form meinen Namen auszusprechen."
Sie nickte und machte sich über den Hirsch her, den er mitgebracht hatte.
Nachdem sie sich sattgefressen hatte, ging sie zurück in die Grotte und wusch sich das Blut ab. Sie verwandelte sich wieder in Menschengestalt und zog sich das Kleid an, das sie vor einer Weile schon hierher gelegt hatte. Neben dem Kleid lag ein feiner goldener Hüftgürtel an dem ein Holster mit einem Dolch darin angebracht war. Diesen band sie sich um und lief zurück zu Will und Drago. Will hatte sich bereits zu einem Nickerchen zusammengerollt und Drago beobachtete sie, wie sie auf die Bibliothek zu ging, dann lief er in die Fellhöhle. Sie lächelte und setzte ihren Weg fort. Dieses Buch was sie gelesen hatte bevor sie von Will unterbrochen wurde, war sehr interessant gewesen und nun wollte sie es zu Ende lesen. Plötzlich hörte sie von draußen Flügelschläge, die immer näher kamen. Sie rannte auf Will zu und weckte ihn.
"Was ist los?"
"Ein Drache kommt her. Wir müssen uns verstecken."
Blitzschnell stand er auf seinen Pfoten und stupste sie in eine große Niesche im Fels. Der Drache landete auf dem Plateau.
"Dragornorin Falermaru Norig! Wir müssen reden!", donnerte eine gewaltige weibliche Stimme und trat in die Höhle. Verwirrt sah sie zu Will, der nur amüsiert dreinschaute.
"Dragornorin. Da bist du ja endlich."
"Dalamurna. Was verschafft mir die Ehre deines Besuches?"
"Du warst sehr lange nicht mehr beim Clan. Warum nicht? Der Rat vermisst dich schon."
"Der Rat oder du?", fragte er nach.
"Der Rat natürlich.", fauchte sie.
"Sie fragen sich, wann der Clanführer sich mal wieder blicken lässt. Du müsstest viel öfter in der Drachenstadt sein und mit uns verwalten. Und wieso riecht es in deiner Höhle nach Mensch und nassem Hund?" Selina erstarrte. Clanführer? Hatte er sie angelogen?
"Ich habe vorhin einen Gestaltwandler gefressen der versucht hat, sich in seiner Wolfsgestalt zu wehren.", antwortete er seelenruhig. Es wurde eine Weile still und nichts war zu hören.
"Was sind das für Herzschläge?", fragte das Drachenweibchen.
Verflucht seien Drachen mit ihrem guten Gehör. Sie zwängte sich tiefer in die Ecke und spürte wie ihre Haut leicht aufriss.
"Ich wüsste nicht was dich das angeht."
"Du hast hier etwas versteckt. Die Herzschläge hören sich klein, schwach und ängstlich an. Wie der bei Menschen. Du hast hier noch ein paar. Willst du sie nicht mit mir teilen?", fragte sie liebenswürdig.
War jetzt Panik erlaubt? Selina rutschte noch tiefer in die Niesche, ohne Rücksicht auf Kratzer oder Wunden zu nehmen, die entstehen könnten, als sie hörte wie die Drachin näher kam.
"Ich bitte dich jetzt meine Höhle zu verlassen. Du bist ohne ersichtlichen Grund hier aufgetaucht, deshalb bitte ich dich jetzt zu gehen."
"Na schön, dann eben nicht." Sie hörte wie sich das Drachenweibchen umdrehte und zum Eingang lief. Kurz darauf waren Flügelschläge zu hören, die immer leiser wurden. Wütend stürmte Selina aus ihrem Versteck.
"Du hast mir doch gesagt, dass du beim Clanführer nichts ausrichten kannst. Warum sagt sie jetzt, dass du der Clanführer bist?"
Drago seufzte.
"Dalamurna will dass ich Clanführer werde. Noch hat mein Vater das Sagen und ich kann bei ihm wirklich nichts ausrichten, da er zu stur ist, um wirklich mit mir reden zu wollen. Und wenn ich Clanführer bin, wird sie wollen, dass ich sie zur Gefährtin nehme. Und Dalamurna zur Gefährtin zu haben, ist schlimmer, als wenn ich jetzt die Clanherrschaft übernehmen würde, indem ich meinen Vater töten würde. Sie ist machthungrig und einfach selbstsüchtig."
"Können wir mit deinem Vater reden?", harkte Selina nach.
"Willst du in seinem Magen enden? Er würde dich sofort fressen, wenn er dich sehen würde."
"Dann sorgen wir dafür, dass er uns nicht sieht.", grinste sie und betrachtete dabei Dragos Flügel.
Der Drache sah auf seine Flügel herab und dann wieder zu ihr.
"Nein. Selina. Nein. Das ist Wahnsinn. Kommt nicht infrage. Ich werde euch nicht in meinen Flügeln verstecken."
"Wer sagt dass du uns verstecken sollst? Will kann doch alleine fliegen. Du könntest mich auf deinem Rücken mitnehmen und mich dann in den Flügelfalten verstecken."
"Selina, er kann euch riechen. Ich spreche zuerst einmal allein mit ihm und dann sehen wir weiter." Er sprach ruhig, was sie dazu brachte fast an die Decke zu hüpfen. Aber Selina beherrschte sich und ging in Richtung Bibliothek davon.

Seuftzend drehte sich der Drache zu Will.
"Sie wird wiederkommen. Dalamurna meine ich. Sie hat euch gerochen und erhofft sich jetzt einen Leckerbissen bei mir zu finden." Will sah ihn an.
"Warum hatte ich befürchtet, dass du das sagst?" Langsam lief er seiner Frau hinterher, die sich wieder auf das Kissen gesetzt und sich ein Buch auf den Schoß gelegt hatte. Dieses Mal versuchte er gar nicht erst leise zu sein. Selina war so konzentriert, dass sie ihn wahrscheinlich gar nicht hörte. Doch als er sich ihr näherte, knurrte sie.
"Ich will nicht darüber reden."
"Wieso schlägst du etwas so Wahnsinniges vor?"
"Weil ich es jetzt schon satt habe, dass mich alle schonen wollen."
"Und das bringt dich dazu, dich in Lebensgefahr stürzen zu wollen?"
Seuftzend klappte sie das Buch zu und kletterte vom Kissen.
"Na gut. Wir machen es wie Drago sagte. Er soll erst einmal mit seinem Vater reden. Und wenn das ergebnislos bleibt, überlegen wir uns etwas Neues. Ich gehe in die Grotte."
Sie lief an ihm vorbei und er setzte sich ebenfalls in Bewegung.
"Ich möchte gerne allein sein Will.", sagte sie sanft und lief in Richtung Grotte davon.

Larwenia Band 5 - Prince Of Fire And DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt