24.Kapitel. Alt.

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Nathaniel stand neben dem Bett seines Vaters, den Dolch hoch erhoben. Doch plötzlich fiel er ihm aus der Hand und er wurde gegen die Wand gedrückt. Daron stand ihm gegenüber. Er sagte einige Worte, die nicht zu verstehen waren. Es war als hätte jemand den Ton ausgestellt.
Nathaniels Gesichtsausdruck veränderte sich zu Wut, gemischt mit Fassungslosigkeit. Dann verschwand er plötzlich.
Und landete im Wüstensand. 

Daron lief durch die Gänge seines Schlosses und trat die Tür zu Hunters Zimmer auf. Er hatte schon geahnt, dass er die kleine Schlampe dort vorfinden würde. Erschrocken sah Rose ihn an, während sie nackt auf Hunters Schoß saß. Sie quickte und zog die Decke über sie beide.
"Ich habe einen Auftrag für dich, den du sofort ausführen musst.", sagte er zu ihr und sie nickte mit hochrotem Gesicht. Die Situation amüsierte ihn und war ihm nicht im geringsten peinlich.
"Du musst Dämonen aussenden, die meinen verfluchten Sohn suchen gehen. Er hat sich wegteleportiert und ist nun irgendwo gelandet." Erneut nickte Rose und vergrub ihr Gesicht an Hunters Brust. Scheinbar wollte sie die Situation, als Einbildung abschätzen, doch das wollte Daron nicht zulassen.
"Also, mach dich an die Arbeit, sonst kannst du Jack mal einen Besuch abstatten. Soll ich ihm schon einmal Bescheid geben?"
Grinsend lief er hinaus und hinunter zu den Kerkern. Er wollte Jack sagen, dass er seine Folterinstrumente vorbereiten solle. Bald würde er seine Kunst ungebändigt an Nathaniel ausüben können. Schließlich stieß er die Tür zu dessen Schlafkammer auf, fand ihn dort aber nicht, weshalb er die Folterkammern absuchte. Vielleicht arbeitete er an einer neuen Kreation und hatte noch keinen Gedanken an Schlaf verschwendet. Er trat durch die Tür zu seinem Hauptspielzimmer und erstarrte. Ein übeler Geruch stieg ihm in die Nase. Am Boden lag Jacks Leiche, welche verdreht war. Sein ganzer Körper hatte nun eine unförmige Gestalt angenommen. Außerdem hatte er noch eine Stichwunde an der Brust. Verdammt! Schnell drehte er sich um und lief jeden der Kerker ab. Wo war Kyle? "Gottverdammt!", schrie er durch den Kerker. Sofort rannten einige Wachen herbei, um ihm zu Hilfe zu eilen.
"Euer Hoheit, geht es Euch gut?"
"Natürlich geht es mir gut, ihr sinnlosen Schwachköpfe. Ihr bekommt es nicht einmal hin, einen jungen Mann im Kerker zu halten. Falls ihr es noch nicht bemerkt habt, Kyle ist weg, Jack tot und Nathaniel abgehauen!" Geschockt sahen sich die beiden jungen Männer an. Daron stieß sie aus dem Weg und stapfte wütend wieder nach oben.

Selina öffnete irritiert die Augen. Was zum Teufel war in Xadrien vorgefallen? Kyle war erwischt worden, sonst hätte Daron nicht so getobt und Nathaniel war auch abgehauen. Und Jack war tot? Immerhin waren diese Nachichten gut. Nathaniel lag irgendwo in der Wüste und bewegte sich nicht. Na toll, sie saß hier oben fest und konnte nicht einmal helfen. Ihre Freunde waren überall verstreut. Sie seuftzte und setzte sich auf. Sie war in der Grotte eingeschlafen. William war zum Glück nicht hier reingekommen und hatte sie so gesehen. Er hätte sich wieder aufgeregt, weil sie auf dem kühlen Steinboden lag. Sie spührte ein kurzes Flattern und leichten Schmerz in ihrem Unterleib. Das spürte sie immer, wenn ihr Kleines die Gestalt wechselte. Scheinbar machte es ihr oder ihm Spaß, denn in letzter Zeit war es immer öfters vorgekommen.
"Scheinbar liebst du deine Wolfsgestalt, oder?", fragte sie leise.
Es war faszinierend. Obwohl noch nicht einmal seine menschliche Gestalt voll ausgebildet war, konnte es schon gestaltwandeln. Sie fragte sich, warum sich ihr Kind so früh verwandeln konnte. Sie hatte sich erst in ihrer späten Kindheit verwandelt. Vielleicht lag es daran, dass sie nun dieses Gen der Familie auslebte, obwohl es mehrere Generationen nicht aufgetreten war. Oder lag es daran, dass auch Will nun ein Gestaltwandler war? Ihre Überlegungen wurden von der tiefen Stimme Dragos unterbrochen.
"Ich werde in zwei Tagen mit meinem Vater sprechen." Selina schrak zusammen und starrte ihn an.
"Wieso erst in zwei Tagen?", fragte sie als sie sich beruhigt hatte.
"Weil er momentan bei seiner Brutgefährtin ist, die etwa zwei Tagesreisen von hier entfernt ihr Nest hat.", erklärte er ohne jegliche Emotionen zu zeigen.
"Du meinst also deine Mutter?"
Er schüttelte den Kopf.
"Mein Vater hat sich eine neue Gefährtin gesucht, als er zusehen musste, wie meine Mutter von den Menschen eiskalt ermordet wurde. Das war noch bevor ich deine Mutter kennengelernt habe. Deshalb war es im ersten Moment sehr gefährlich für sie, sich mir zu nähern, doch als ich sah, dass sie harmlos ist, konnte sie hier mühelos rein und rausspazieren, wie sie wollte." Selina nickte leicht. Die Tatsache, dass seine Mutter von Menschen getötet worden war, ließ sie verstummen.
"Ganz ruhig, das ist jetzt fast zwei Jahrhunderte her. Ich mache den Menschen, die ich kenne, keinen Vorwurf."
Sie starrte ihn erschrocken an.
"Warte. Was? Du sagst zwei Jahrhunderte als wären es zwei Jahre. Wie lange leben Drachen?", fragte sie schockiert.
Ein amüsierte Ausdruck huschte über sein schuppiges Gesicht.
"Drachen können sehr lange leben. Der älteste von uns allen war etwas über zweitausend Jahre alt." Jetzt brach er in Lachen aus, als er ihr Gesicht sah.
Fassungslos klappte ihr Mund auf und wieder zu. Das war zu lang. So lange zu leben war mit Sicherheit ein Fluch.
"Und wie alt bist du?", hauchte sie.
"Ich bin fast fünfhundert Jahre alt."
Das war doch etwas zu viel für sie. Sie schnappte sich das große Buch und lief hinaus.
Selina lief in die Bibliothek zurück und stellte das Buch zurück in das Regal. Langsam lief sie die Reihe der Regale ab und blieb bei Gestaltwandlern stehen. Jetzt interessierte es sie, wie alt sie und Will werden konnten. Da sie ja nicht zu den normalen Menschen gehörten, nahm sie an, dass sie etwas älter als Vollmenschen werden konnten, wenn sie nicht in einer Schlacht starben oder getötet wurden. Ein roter Einband erregte ihre Aufmerksamkeit. Langsam zog sie das Buch heraus und betrachtete den Titel. "Gestaltwandler von A-Z. Informationen gesammelt aus aller Welt."
Neugierig schlug Selina es auf und begann zu blättern bis sie auf das Kapitel mit den Wolfsgestaltwandlern traf. Das Buch war sehr informativ gehalten und meist handelte es sich nur um Fakten, nicht um Theorien wie in anderen Büchern. Sie las bis zu der Stelle an der das ungefähre Alter stand und stockte als sie die Stelle las. Sie las den Satz noch einmal und noch einmal. Dann hob sie den Kopf und lehnte sich mit dem Rücken an die kühle Höhlenwand hinter ihr.
"Will! Komm mal her!", rief sie und ihre Stimme hallte durch die ganze Höhle. Wenige Augenblicke später hörte sie eilige Schritte, die sich rasch in die Bibliothek bewegten.
"Selina? Was ist los? Ist etwas passiert?", fragte er beunruhigt und kam jetzt in ihre Sichtweite.
"Nein keine Sorge. Soweit ist alles gut.", beruhigte sie ihn und sah ihn an.
"Was ist denn los? Ich dachte, du bist in der Grotte."
"Da war ich erst und dann ist mir etwas eingefallen, wo ich nachforschen musste.", erklärte sie.
"Und was?", fragte er neugierig und setzte sich hinter sie, um auch in das Buch sehen zu können.
Sie zeigte mit dem Finger auf diesen einen Satz und beobachtete seine Gesichtszüge. Diese wechselten von neugierig zu unglaubwürdig und schließlich zu entsetzt.
"Ist das nachgewiesen?", fragte er.
"Dieses Buch ist glaubwürdiger als alle anderen, die ich bis jetzt gelesen habe. Will, wenn es stimmt, haben wir noch ein ziemlich langes Leben vor uns." Langsam nickte er und sah ihr schließlich in die Augen.
"Also drei- bis vierhundert Jahre alt zu werden, hatte ich definitiv nicht eingeplant.", sagte er.
Selina nickte leicht lächelnd.
"Ich auch nicht."

Larwenia Band 5 - Prince Of Fire And DeathWo Geschichten leben. Entdecke jetzt