Unangenehme Überraschung

135 19 5
                                    

Hayley

Schweigend beobachtete ich Louis, der bereits seit über einer Stunde hoch konzentriert auf ein weißes Blatt starrte. Der Kugelschreiber in seiner Hand war vom Schreibutensil zum Spielzeug umfunktioniert worden.

Seufzend erhob ich mich vom Sofa und streckte mich ausgiebig. Es waren jetzt fast vier Wochen vergangen, seitdem Maya und Niall gegangen waren und langsam zweifelte ich ernsthaft, dass sie je wieder kommen würden.

Ich hatte Nialls Wunsch respektiert, keinen Kontakt zu ihm aufzunehmen, aber langsam fiel es mir immer schwerer, zumal ich grade auch noch eine Grippe bekommen hatte. Louis kümmerte sich zwar rührend um mich, aber ich hätte lieber Niall um mich. Mittlerweile wusste mein Freund, dass ich nicht allzu viel Fürsorge wollte, wenn ich krank war und er respektierte es.

Louis hingegen hielt mir das Haar aus dem Gesicht, wenn ich mich übergab, brachte mir Suppe ans Bett und machte mir Wärmflaschen, wenn ich über Magenkrämpfe klagte. Und so nett ich das auch fand, ich wollte ihm nicht zur Last fallen. Er sollte sich lieber darauf konzentrieren, das mit Maya wieder in Ordnung zu bringen. In nicht mal einem Monat würde sein Kind geboren werden und ich bezweifelte stark, dass er das verpassen wollte.

„Wenn du weiterhin nur auf das Blatt starrst, dann springt es dich irgendwann an", murmelte ich und drückte sanft seine Schulter. „Fang einfach an Lou, du hast ja nicht nur einen Versuch sondern kannst mehrere Blätter verbrauchen, aber alles ist besser, als nur dazusitzen und niemals anzufangen."

Louis sah mich an, ohne mich wirklich anzusehen. Er sah gradewegs durch mich hindurch. Je länger der Stress mit Maya anhielt, desto weniger Lebensfroh wurde mein bester Freund. Es war ihm deutlich anzusehen, wie sehr er seine Frau aber auch seinen Sohn vermisste.

„Komm schon Lou, fang an. Erzähl ihr, was du mir erzählt hast, oder wenn es dir leichter fällt, schreib Noah. Maya muss den Brief lesen, weil sie es deinem Sohn vorlesen muss." Kurz küsste ich Louis noch auf die Wange, dann ließ ich ihn alleine und machte mich auf den Weg in mein Bett. Ich war hundemüde und hatte das Gefühl, es wurde einfach nicht besser.

Schläfrig kuschelte ich mich in mein Bett, das mir ohne Niall furchtbar groß und leer vorkam. Ich hatte mir angewöhnt, auf seiner Seite zu schlafen, sein Kissen roch noch etwas nach ihm und rief in mir das trügerische Gefühl hervor, ihm nahe zu sein. Meine Nase tief in das Kissen vergraben fand ich irgendwann in einen unruhigen Schlaf, der jäh unterbrochen wurde.

Ein unangenehmes Gefühl der Übelkeit stieg in mir auf und ich hastete so schnell ich konnte ins Bad. Grade noch rechtzeitig beugte ich mich über die Kloschüssel, ehe ich das bisschen Mageninhalt, was ich hatte, erbrach.

Zittrig lehnte ich mich an den Badewannenrand und seufzte auf. Hoffentlich ging diese Grippe bald rum, ich hatte keine große Lust, deswegen noch einen Arzt aufzusuchen. Ich wartete noch ein paar Minuten, bis mir nicht mehr ganz so flau im Magen war, dann erhob ich mich und putzte mir erstmal ausgiebig die Zähne. Da ich sowieso nichts zu tun hatte und sonst nur auf dem Sofa liegen und leiden würde, beschloss ich, Louis bei seinem Brief zu helfen.

Als ich aber ins Wohnzimmer kam, musste ich feststellen, dass mein bester Freund nicht mehr da war. Ein Blick in den Flur verriet mir, dass sowohl seine Jacke als auch Schuhe fehlten. Vielleicht hatte er sich ja endlich ein Herz gefasst und Maya aufgesucht. Ich wünschte es ihm so sehr.

Nachdenklich fuhr ich mir durchs Haar und sah mich in dem Chaos, auch genannt meine Wohnung um. Überall lagen Pizzakartons und andere Behältnisse von Lieferservices, Lou und ich hatten nicht viel aufs Kochen gegeben. Die Wollratten hatten nahezu epische Ausmaße angenommen und auch der Wäsche Mount Everest wartete darauf, bezwungen zu werden.

Imperfect PerfectionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt