Training

1.1K 45 6
                                    

Der nächste Tag geht genauso los, wie der vorherige. Effie klopft an meine Tür und verkündet mir, dass ein weiterer großer, großer Tag bevorsteht. Ich seufze. Heute fängt das Training an.

Am Frühstückstisch sitzen Effie, Percy und Haymitch. "Wir haben noch ein paar Dinge zu besprechen, bevor ihr runter in den Trainingsraum geht.", sagt Haymitch nach einer Weile. "Beispielsweise?", frage ich und schiebe mir einen Löffel Müsli in den Mund. "Wie ihr beim Training vorgeht. Lauriss." Er sieht zu mir. "Meide den Bogenstand." Vor Verblüffung fällt mir fast das Müsli aus dem Mund. "Was? Wieso?" "Du solltest dein Talent verbergen. Wenn die Karrieros nicht sehen, dass du gut mit dem Bogen umgehen kannst, können sie dir diesen Vorteil nicht so leicht nehmen. Du könntest im Laufe der Spiele leichter an einen Bogen kommen." "Aber... warte mal. Woher willst du überhaupt wissen, dass ich gut im Bogenschießen bin?" "Schätzchen.", er lacht. "Jeder im Distrikt weiß, dass du und deine beiden Freunde wildert. Ich habe euch oft über den Hob gehen sehen." "Ich muss ja keinen Bogen haben.", knurre ich. "Naja. Die Metzgerin, bei der ich oft Fleisch hole, hat mal gesagt, dass ihr drei ein wahres Talent im Bogenschießen besitzt. Die Pfeile dringen nicht zu tief ins Fleisch und gehen jedes mal ins Auge." Percy sieht mich verlegen an. "Das hast du ihm erzählt?!", fahre ich ihn wütend an. "Lauriss. Er ist unser Mentor. Ich fand er sollte es wissen." "Siehst du, der Bursche denkt mit.", lacht Haymitch. "Also Lauriss. Finger weg von dem Bogen. Fürs Erste. Verstanden?" Widerstrebend nicke ich. "Und du?" Haymitchs Blick fällt auf Percy. "Was ist dein Talent?" "Ich hab keins.", sagt Percy nüchtern. "Da finden wir schon noch was." Haymitch klopft ihm auf die Schulter. "Schwach siehst du auf jeden Fall nicht aus."

Wir stehen im Aufzug und fahren in den Trainingsraum hinunter. Mein Herz pocht. Ich will mich nicht blamieren und um keinen Preis den Karrieros auffallen. Die Tür des Aufzugs geht auf und ich verlasse ihn, gefolgt von Percy. Wir sind die Ersten. Eine Frau, mit dunkler Haut kommt auf uns zu. Sie sieht auf die Nummer, die auf die Schulter unseres Trainingsanzugs genäht worden ist. "Distrikt Zwölf. Dann seid ihr wohl Lauriss und Percy?" Wir nicken. "Ich bin Atala." In diesem Moment geht die Tür des Aufzugs erneut auf und die Tribute aus Sieben kommen herein.

Als alle Tribute anwesend sind, fordert Atala uns auf, ihr zuzuhören. "Als erstes einmal. Es wird nicht mit anderen Tributen gekämpft. Dafür habt ihr in der Arena noch genug Zeit." Ich sehe zu einem großen, braunhaarigen Mädchen, das aus Vier kommt. Es grinst bei Atalas Worten. "Nun." Atala blickt uns ernst an. "In zwei Wochen werden 23 von euch tot sein. Einer von euch wird am Leben sein. Wer das ist, entscheidet sich dadurch, wie gut ihr mir nun zuhört. Jeder von euch will sich am Füllhorn sofort ein Schwert oder ein Messer schnappen. Waffen dienen als Schutz. Schutz hift euch zu Überleben. Aber die meisten von euch sterben an natürlichen Ursachen. Zehn Prozent an Infektionen, zwanzig Prozent an Dehydrierung. Schutzlosigkeit kann so tödlich sein wie ein Messer."

Ich gehe die meisten Stationen durch. Nach dem Mittagessen weiß ich schon, wie man verschiedene Knoten bindet, wie man mit Feuersteinen Feuer entfacht und ich habe neue Pflanzen, die ich noch nie zuvor gesehen habe, kennengelernt. Eine Stunde vor Schluss gehe ich zum Messerwerfen. Das kann ich ganz gut und ich weiß, ich sollte die Finger davon lassen, um niemanden mein Können zu zeigen. Aber ich will ein bisschen üben und mir Tipps holen, was ich besser machen könnte. Außerdem hat Haymitch nur gesagt ich soll mich vom Bogenschießstand fernhalten. Beim Stand gibt es Messer verschiedener Größen. Ich nehme mir ein paar und stelle mich vor die Puppen, die Zielscheiben aufgemalt haben.

Die restliche Zeit nehme ich nichts um mich herum wahr. Es gibt nur mich, die Messer und die Zielscheiben. Ich werfe und werfe. Erst als die Puppen mit Messern am ganzen Körper, vor allem an, Herz, Kopf und Hals, übersäht sind, höre ich auf. Zufrieden sehe ich zum Trainer dieser Station, der begeistert von mir ist. Dann lasse ich meinen Blick schweifen. Ein paar Schaulustige aus den Distrikten Fünf, Sieben und Neun, die mir zugesehen haben, wenden sich nun wieder ihren Aufgaben zu. Da bleibt mein Blick bei der Schwerterstation hängen und mein Herz macht einen Satz. Die Karrieros blicken in meine Richtung. Alle beide aus Eins, Zwei und auch die aus Vier. Sie sehen verblüfft aus. Cato mustert mich genau. Sofort senke ich den Blick. -Einfach ignorieren.-, sage ich mir. Mit gemischten Gefühlen verlasse ich die Messerwurfstation. Einerseits ärgere ich mich darüber, Haymitchs Rat nicht befolgt zu haben, andererseits durchströmt mich ein Gefühl der Genugtuung. Das ist dumm, doch ich kann es nicht ändern. Ich sehe auf die Uhr. Noch 15 Minuten. Die Karrieros beobachten mich immer noch. Eilig gehe ich zur Knotenstation und vertreibe mir dort die restliche Zeit.

Endlich wird uns gesagt, wir sollen jetzt zum Aufzug gehen. Ich suche Percy. Gerade, als ich ihn gefunden habe, und zu ihm hinübereilen will, sehe ich Cato, der an mir vorbeigeht. "Nicht übel das mit den Messern.", höre ich seine Stimme bei meinem rechten Ohr. Dann haben ihn auch schon seine baldigen Verbündeten eingeholt und sind mit ihm auf dem Weg zum Aufzug. Ich bleibe wie erstarrt stehen. Hat er das ernst gemeint? War es ein gutes Zeichen? Oder bin ich auf seiner Tötungsliste nun ganz oben? "Lauriss." Percys Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. "Du warst echt gut. Wie du die Messer geworfen hast." "Danke.", murmle ich. Nun ist mir gar nicht mehr wohl in meiner Haut. "Die Karrieros haben ganz schön dumm aus der Wäsche geschaut." Er grinst. "Mhmm.", gebe ich zurück. Percy sieht mich von der Seite her an. "Alles okay?" "Jaja. Jetzt lass uns gehen. Ich habe Hunger." "In Ordnung." Gemeinsam gehen wir zum Aufzug, wo die restlichen Tribute sich schon anstellen.

Catos Wirklich Wahre Geschichte Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt