Bereit und böse

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Die Interviews von Eins rasen vorbei. Danach ist das Mädchen aus Zwei an der Reihe. Auch ihr Auftritt ist eindrucksvoll. Ihre drei Minuten sind ebenfalls schnell vorbei. Danach kommt Cato. Er trägt einen blauen, modernen Anzug. Mit großen Schritten beschreitet er die Bühne und wird von Caesar begrüßt. Cato setzt sich auf den Stuhl neben seinem Interviewer. "Na Cato.", beginnt Caesar das Gespräch. "Wie gefällt es dir hier im Kapitol?" Cato sieht zu den Zuschauern, bevor er antwortet. "Gut. Das Training hier ist nicht übel." Caesar lacht. "Das hoffe ich doch. Schließlich müsst ihr ja gut auf die Spiele vorbereitet werden." "Die meisten haben es wirklich dringend nötig." Cato grinst arrogant und ein leises Lachen geht durch die Menge. So geht das Interview und meine Aufmerksamkeit widmet sich wieder anderen Dingen. Doch als ich ungefähr zwei Minuten später eine Caesars letzter Fragen vernehme, widme ich mich wieder dem Bildschirm. "Sag mal Cato. Gibt es eigentlich irgendein Mädchen in deinem Distrikt, das dich sehr interessiert?" Ich weiß nicht wieso, aber bei dieser Frage mustere ich Catos Gesichtsausdruck ganz genau. Doch dieser verändert sich nicht. Er bleibt arrogant. "Ich bin in niemanden verliebt. Falls es das ist, was du meinst." Caesar lacht. "Naja. Wenn du gewinnst hast du auf jeden Fall eine große Auswahl." Cato zuckt mit den Schultern. "Wenn du nicht jetzt bereits hunderte Verehrerinnen hast. Ich mein so ein attraktiver junger Mann wie du..." Lautes, zustimmendes Kreischen aus dem Publikum. "Ich fühle mich geehrt.", gibt Cato bloß zurück. Die Zuschauer lachen und klatschen. Sie scheinen Catos arrogante und total bescheuerte Art zu lieben. Die Zeit scheint gleich um zu sein, denn Caesar wechselt schnell das Thema. "Also Cato? Bist du bereit für morgen?" Dieser nickt. "Ich bin bereit. Böse. Und warte darauf, dass es losgeht." Der Gong ertönt. Caesar und Cato stehen auf. Caesar hebt Catos Arm hoch und ruft: "Cato!" Dann ist Distrikt Zwei auch schon fertig mit den Interviews.

Ich werde immer nervöser. Gerade hat der Junge aus Distrikt Zehn die Bühne verlassen und das Mädchen aus Elf wird angekündigt. Percy sieht zu mir. "Du machst mich ganz verrückt mit deinem Rumgezapple." "Tut mir leid.", murmle ich zerknirscht und versuche ruhig auf meinem Stuhl sitzen zu bleiben und nicht meine, mit Gold lackierten, Fingernägel anzuknabbern.

Die letzten Interviews rauschen an mir vorbei und ehe ich mich versehe, stehe ich hinter den Kulissen auf der Bühne und warte darauf, aufgerufen zu werden und hinauszutreten. "Und nun", ertönt Caesars Stimme von vorne. "Bitte einen großen Applaus für unseren weiblichen Tribut aus Distrikt Zwölf. Lauriss Redfield!" Ich atme einmal kurz durch und drücke den Knopf an meinem Armband. Sofort merke ich, wie der Kranz um meinen Kopf eigenartig zu vibrieren beginnt. Er scheint zu funktionieren. Zittrig trete ich hinaus. Das grelle Licht blendet mich und für einen Moment bin ich blind. Als meine Augen sich an das Licht gewöhnt haben, gehe ich vorsichtig auf Caesar und die beiden Stühle zu. Die Menge jubelt und klatscht. Caesar nimmt mich strahlend in Empfang. "Willkommen Lauriss! Willkommen!" Er nimmt mich am Arm und zieht mich sanft auf einen der beiden Stühle. Dann nimmt er mir schräg gegenüber Platz. Langsam werde ich ein wenig ruhiger. Ich habe es ohne Pannen über die Bühne geschafft. "Das ist ein umwerfendes Kleid und eine fantastische Kopfbedeckung.", ruft Caesar hellauf begeistert. Ich bringe ein Lächeln zu Stande. "Ich hoffe bloß, dass mein Kopf kein Feuer fängt." Ein heller Lacher vom Publikum. "Na, da vertraue ich deinem Stylisten voll und ganz.", lacht Caesar. "Wo ist er überhaupt? Bitte, verbeugen Sie sich! Für dieses Meisterwerk haben Sie einen Applaus verdient!" Cinna, der auf einem Ehrenplatz neben den anderen Stylisten sitzt, erhebt sich und verbeugt sich kurz. Das Publikum klatscht wie verrückt. Dann weist Cinna mit der Hand wieder zurück zu mir. Caesar bringt das Publikum nur mit Mühe wieder zum Schweigen. "So Lauriss." Er räuspert sich. "Das was du bei der Ernte getan hast... dazu hätte nicht jeder den Mut gehabt." Mein Lächeln verschwindet schlagartig. "Wieso? Ich wurde gezogen und bin auf die Bühne gegangen." "Du hast dich nicht von einer Freiwilligen ablösen lassen." "Das ist kein Mut. Ich wollte nicht, dass Katniss meinetwegen stirbt." "Du hast bei der Ernte gesagt, sie sei deine beste Freundin. Stimmt das?" Ich schweige. Die Leute im Kapitol gehen meine Freunde und Familie nichts an. Rein Garnichts. Doch auch das wird uns aufgezwungen. Unsere gesamte Identität preiszugeben. Nach einem kurzen Schweigen nicke ich. "Ja. Das ist richtig." Caesar tätschelt meine Hand und ich widerstehe dem Impuls sie wegzuziehen. "Dann kommen wir mal zu einem anderen Thema, ehe die Zeit um ist. Was sagst du zu deiner Punktzahl im Einzeltraining? Ziemlich gut. Nicht?" "Gut für meine Verhältnisse.", sage ich. "Bist du stolz?" "Ein bisschen schon", gebe ich zu. "Aber die Punkte sind nicht das Entscheidende." "Naja. So ganz darfst du sie nicht außer Acht lassen. Aber ich denke auch ohne die Punkte hast du eine Menge Sponsoren auf deiner Seite." Er dreht sich zum Publikum. "Oder etwa nicht?" Großer Applaus und lautes Geschrei. Ich versuche mich dadurch ermutigen zu lassen. Auch wenn ich mir sicher bin, dass mich die meisten hier vergessen haben, sobald ich die Bühne verlasse. Caesar wendet sich wieder mir zu. "Nun Lauriss. Unsere Zeit ist leider um. Es war mir eine Ehre deine Bekanntschaft zu machen." "Ebenfalls.", lüge ich. Caesar nimmt meinen Arm, zieht mich auf die Beine und ruft laut in die Menge: "Lauriss!" Die Menge jubelt erneut. Unter ihrem Geschrei verlasse ich die Bühne. Erst außer Sichtweite der Kameras atme ich tief durch. Geschafft! Haymitch und Effie nehmen mich in Empfang. "Ein ganz, ganz toller Auftritt!", ruft Effie aufgeregt und sogar Haymitch nickt mir zu. "Nicht so übel wie ich befürchtet hatte." "Dank Cinna.", sage ich bloß.

Percy ist bei weitem besser als ich. Die Kapitol Leute sind sofort gefesselt von ihm. Er ist lustig und sympathisch. Er reißt Witze, erzählt ein paar Dinge über Zuhause und schildert seine erste Begegnung mit seinem Vorbereitungsteam. Selbst als er schon hinter der Bühne verschwunden ist, jubelt die Menge ihm immer noch zu. Percy hat die meisten von uns um einiges übertroffen. Als er bei Haymitch, Effie und mir angekommen ist, beglückwünschen wir uns und gehen dann in Richtung Aufzug. Ich bin froh, als ich mich endlich aus meinem Kleid schälen, den Kranz abnehmen und mir meine Schminke abwaschen kann. Befreit von dem ganzen Zeug, ziehe ich mir gemütliche Kleidung an und mache mich auf den Weg zum Speisesaal.

Catos Wirklich Wahre Geschichte Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt