Die Stunden davor

994 38 2
                                    

Das Abendessen liegt mir schwer im Magen. Schon früh verabschiede ich mich von den anderen und gehe in mein Zimmer. Das Grauen vor dem nächsten Tag macht sich in mir breit. Langsam ziehe ich mir meinen Schlafanzug an und putze meine Zähne. Dann setze ich mich auf mein Bett und starre aus dem Fenster. Weit unten sehe ich die Straßen des Kapitols. Die Freiheit. So nahe und doch unerreichbar. Ich versuche mir vorzustellen, was meine Eltern wohl gerade tun. Essen sie gerade zu Abend? Oder sind sie ohne Essen ins Bett gegangen?

Ich habe keine Ahnung, wie lange ich so dasitze und aus dem Fenster starre. Als ich mich endlich dazu aufraffe, mich hinzulegen und zuzudecken, ist die Sonne bereits ganz hinter den Bergen verschwunden und die Nacht hereingebrochen. Die letzte Nacht in Sicherheit. Ich wickle mich fest in meine Decke und versuche wenigstens ein paar Stunden kostbaren Schlaf zu erlangen. Doch egal wie sehr ich mich bemühe, ich schlafe einfach nicht ein. Bilder tauchen vor meinem inneren Auge auf. Ich sehe mich auf die verschiedensten Weisen sterben. Erst nach Stunden nicke ich kurz ein. Nur um Sekunden später schweißgebadet aufzuwachen. Irgendwann gebe ich es auf. Seufzend steige ich aus meinem Bett. Über einem Stuhl hängt ein grüner Bademantel, den ich über meinen Schlafanzug ziehe. Dann verlasse ich barfuß mein Zimmer und gehe aufs Dach. Enttäuscht stelle ich fest, dass ich alleine bin. Ich hatte gehofft Percy anzutreffen. Wahrscheinlich kann er auch nicht schlafen und durchleidet die gleichen Ängste wie ich. Ich stelle mich an den Rand des Dachs und starre nach unten. Fast kann ich die Energie des Kraftfelds spüren, das sich direkt vor mir befindet. Eine kühle Brise weht mir durchs Haar. Tief atme ich die frische Luft ein, schließe die Augen und stelle mir vor, der Wind wäre meine Mutter, die mir über die Wange streicht. So wie früher, als ich klein war. "Nein Lauriss. Die bösen Bären bleiben hinter dem Zaun. Sie werden dir nichts tun. Das verspreche ich meine Kleine." Ich seufze. Wenn es doch nur die Bären wären, die mir nach dem Leben trachten.

Irgendwann gehe ich in mein Zimmer zurück und lege mich wieder ins Bett. Der Mond scheint durch das Fenster darüber. Ich kauere mich zusammen und ziehe mir die Decke über den Kopf. Ach, könnte ich doch nur so liegen bleiben. So lange, bis alles vorbei ist. Meine Gedanken kreisen wirr in meinem Kopf umher. Doch die Bilder vor meinem innerem Auge werden weniger. Langsam aber sicher gleite ich in einen unruhigen Schlaf.

Effie weckt mich mit ihrem üblichem Hämmern an der Zimmertür. Ich öffne die Augen und sofort ist das blanke Entsetzen da. Heute beginnen die Spiele. Wie in Trance ziehe ich mich an und gehe zu den anderen hinunter zum Frühstücken. Von dem Geruch des Essens wird mir schlecht. Percy sitzt mit Haymitch und Effie am Tisch. Auch er ist bleich. Ich bestreiche ein Brot mit Marmelade, doch nach einem Bissen lasse ich es stehen. "Iss was, Liebes.", meint Effie sanft. "Du weißt nicht, wann du das nächste Mal was zu Essen bekommst." Um Effie einen Gefallen zu tun, würge ich das restliche Brot hinunter. Doch ich schmecke nichts. Ich hätte genau so gut Kohle essen können.

Ich stehe in einem Raum und warte darauf, dass ich abgeholt und zu dem Hovercraft, das uns in die Arena fliegt, gebracht werde. Effie und Haymitch kommen durch die Tür. Sie haben sich gerade von Percy verabschiedet und nun bin ich an der Reihe. Die beiden können nicht bis vor die Arena mitkommen, da Haymitch hier im Kapitol einen Raum hat, wo er uns beobachtet und entscheidet, wann wir Sponsorengeschenke bekommen und Effie versucht weiterhin Sponsoren für uns anzuwerben. Effie fällt mir um den Hals. "Viel Glück Lauriss! Ich werde dich vermissen!" Ich umarme sie kurz. "Ich dich auch Effie." "Du bist ein ganz tolles Mädchen. Ich wünsche dir wirklich, wirklich viel Glück. Du hast die Chance es zu schaffen!" Ein wenig überrascht lasse ich sie los. "Ich... äh... gebe mein Bestes." "Das weiß ich." Sie holt ein Taschentuch und schnäuzt sich. "Bis bald vielleicht.", schluchzt sie und rauscht überwältigt aus dem Zimmer. Erstaunt sehe ich ihr nach. Nun wendet sich Haymitch an mich. "Du weißt was du zu tun hast?" "Überleben?" Haymitch lächelt. "Genau. Noch ein Tipp. Egal welche Sachen du am Füllhorn findest, lauf weg." "Auch wenn ein Bogen da ist?", frage ich unwillig. "Auch dann." Haymitch sieht mich an. "Um das Füllhorn herum wird es ein Blutbad geben. Die Karrieros werden sich auf alle stürzen, die sie kriegen können. Denen bist du nicht gewachsen. Lauf einfach weg. Und such Wasser. Wasser ist das erste, was du brauchst. Verstanden?" Ich seufze. "Verstanden." Haymitch klopft mir auf die Schulter. "Du schaffst das." Ich nicke. Dann verlässt auch Haymitch den Raum. Kurz darauf kommen zwei Friedenswächter herein. Mit knappen Worten geleiten sie mich zum Hovercraft.

Der Flug wird circa eine Stunde dauern. Als wir abheben verdunkeln sich die Fenster und die elektrischen Lichter gehen an. Ich sitze zusammen mit Cinna auf einer Couch. Außer uns ist niemand in dem kleinen Raum. Wo die anderen Tribute sind weiß ich nicht. Eine Frau betritt das Zimmer. Sie hält eine Spritze in der Hand. "Das ist dein Aufspürer.", erklärt sie mir und sticht mir die Nadel der Spritze in den Unterarm. Es tut kurz weh. Dann ist der Aufspürer auch schon injiziert. Die Frau geht wieder. Ich merke, wie ich immer panischer werde. Cinna nimmt meine Hände und hält sie schweigend fest. Lange sitzen wir so da. Vor mir auf dem Tisch stehen ein Teller mit Keksen und ein Glas Wasser. Doch ich rühre beides nicht an. Der Flug kommt mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Cinna und ich sitzen immer noch Hand in Hand da, als das Hovercraft landet. Als die Motoren ausgeschaltet werden, steht Cinna auf. "Komm Lauriss." Wie in Zeitlupe komme ich auf die Beine und folge Cinna aus dem Zimmer. Die große Klappe des Hovercraft wurde heruntergelassen und wir können hinaustreten. Vor uns befindet sich ein großes eisernes Tor. Davor stehen zwei Friedenswächter, die Gewehre im Anschlag. Als sie uns sehen, öffnen sie das Tor und ein Gang kommt zum Vorschein. Ich weiß, wo wir nun hingehen. In einen Raum unter der Arena. Wir in Distrikt Zwölf nennen ihn den Pferch. Die Tribute werden von dort aus zur Schlachtung geführt, sagt Greasy Sae, eine unserer besten Fleischkäuferinnen, immer. Cinna führt mich durch den grauen Gang, bis wir vor einer weiteren Tür stehen. Diese wird jedoch nicht von Friedenswächtern bewacht. Cinna stößt die Tür auf und wir betreten den Pferch. Auf einem Tisch liegt meine Kleidung für die Arena. Sie wurde allerdings nicht von Cinna entworfen. Bei der Auswahl der Arenakleidung haben die Stylisten nichts zu sagen. Cinna hilft mir in meine Klamotten. Braune, gefütterte Stiefel. Eine schwarze, robuste Hose. Ein braunes, warmes Langarmshirt. Eine dunkelbraune, ebenfalls gefütterte Regenjacke. Cinna mustert mich genau. "Stell dich auf kaltes und nasses Terrain ein. Ich denke es wird viel regnen, wenn nicht sogar schneien." Ich sehe ihn an. "Danke für den Tipp." "Keine Ursache.", er lächelt mir leicht zu. Ich umarme Cinna. "Danke auch für deine Hilfe. Ohne dich wäre ich bei den Leuten im Kapitol ein niemand. Jetzt habe ich sicher ein paar Sponsoren." Cinna schiebt mich ein Stück von sich. "Hör zu Lauriss. Ich habe dir geholfen. Das war mir eine Ehre. Aber du musst wissen, dass du selbst durch deine Art die Leute verzaubert hast." "Aber..." "Nein. Das war nicht nur ich. Ich habe den Leuten höchstens einen Stubs in die richtige Richtung gegeben." Obwohl ich Todesangst habe, muss ich lächeln. "Danke Cinna!" Erneut umarme ich ihn kurz. Eine mechanische Stimme lässt mich zusammenfahren. "Zehn Sekunden bis zum Start." Cinna lässt mich los. Sanft nimmt er mich am Arm und führt mich zu einem Zylinder, der vorne offen steht. Ich stelle mich hinein. "Denk dran Lauriss.", sagt Cinna ruhig. "Wenn jemand die Chancen hat zu gewinnen, dann du." Mein Herz rast wie verrückt. Ich sterbe vor Angst. "Cinna, ich danke dir." "Fünf Sekunden bis zum Start." Die Glastüren des Zylinders schließen sich. Mein Atem geht stoßweise. Cinna sieht mich beruhigend an. "Kopf hoch.", höre ich seine Stimme leise durch das Glas. Ich recke das Kinn in die Luft. "Zwei Sekunden bis zum Start." Ein letztes Mal werfe ich ihm einen Blick zu. Dann hebt sich der Zylinder und ich bin in Dunkelheit gehüllt.

So Leute. Wieder mehr Stuff zum Lesen. Sorry, dass es so lange gedauert hat. Schule und Arbeit halten mich ganz schön auf Trapp. Außerdem habe ich dieses verfluchte Kapitel 3 mal geschrieben weil es beim ersten mal nicht gespeichert und mir beim zweiten Mal nicht gefallen hat. Jetzt passt es aber mir hat meine erste Vision besser gefallen. In dem Fall danke an Wattpad -.-
Wünsche euch noch einen schönen Tag,
eure Lauriss!

Catos Wirklich Wahre Geschichte Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt