Ich sitze in meinem Zimmer im Hotel. Das Tageslicht scheint bereits hell durch die Fenster. Gleich müsste Effie vor meiner Tür stehen. Denn heute ist die Wagenparade. Mein Blick fällt auf die Uhr, die an der Wand meines Zimmers, oder Gefängnisses, so wie ich es nenne, hängt. Seit Ein Uhr morgens kann ich nicht mehr schlafen. Ich steige aus dem Bett und gehe im Zimmer auf und ab. Kurz darauf ertönt, wie erwartet, Effies Stimme. Gefolgt von einem energischen Klopfen. "Aufstehen Lauriss! Heute ist ein ganz, ganz großer Tag! Wir sehen uns im Speisesaal!"
Ohne jede Eile ziehe ich mich um, wasche mein Gesicht, bürste mein Haar und verlasse das Zimmer. Im Speisesaal, indem wir gestern bereits zu Mittag und zu Abend gegessen haben, sitzen Effie und ein sehr schlaftrunken dreinsehender Percy. Von Haymitch ist noch nichts zu sehen. "Das hat aber gedauert", sagt Effie etwas säuerlich. Ich ignoriere ihren Tonfall. "Wo ist Haymitch?" "Schläft vermutlich seinen Rausch von gestern Abend aus.", meint Percy und gähnt. Ich lasse mich neben Effie auf einen der extrem kitschigen Stühle fallen und belade meinen Teller mit Essen. "Also.", sagt Effie dann. "Heute ist der erste große Tag für euch. Die Wagenparade. Ein guter Auftritt könnte euch schon die ersten Sponsoren einbringen. Und ihr wisst ja. Sponsoren zahlen Geld dafür, dass Haymitch euch nützliche Sachen in die Arena schicken kann. Wichtige Medizin beispielsweise." Wir beide nicken. "Am besten ihr beeilt euch jetzt mit dem Essen. Euer Vorbereitungsteam wartet bereits auf euch." Effie lächelt uns an. Ich seufze.
Eilig essen wir auf und werden dann von Effie in getrennte Zimmer gebracht. "Dein Team ist gleich da!", ruft Effie mir noch zu, während sie schon aus dem Raum braust. Es dauert eine Weile, bis drei Leute ins Zimmer gestürmt kommen. Zwei Frauen und ein Mann. Alle tragen typische Kapitolkleidung und sind bunt geschminkt. Eine von ihnen ist grün tätowiert. Sie stellen sich vor mich hin. "Du bist Lauriss?", trällert die Tätowierte fröhlich. Ich nicke. "Wunderbar. Ich bin Octavia. Das", sie zeigt auf die zweite Frau. "Ist Venia. Und das" sie deutet auf den Mann. Jetzt erst fällt mir auf, dass er lila Lippenstift trägt. "Das ist Flavius." Die beiden begrüßen mich stürmisch. "Cinna, dein Stylist, hat gesagt wir sollen dich schon mal schick machen. Er arbeitet noch an deinem Kostüm. Der letzte Schliff, du verstehst?" Erneut nicke ich. "Gut. Dann mal ran an die Arbeit!"
Es dauert mehr als eine Stunde, bis mein Vorbereitungsteam fertig ist. Sie haben meine Haare gebürstet, meine Nägel gefeilt und lackiert, mich geschminkt und mir einen Bademantel übergeworfen. Kaum haben sie ihre Arbeit vollbracht, verabschieden sie sich und sind auch schon verschwunden. "Cinna kommt gleich!", ruft Flavius mir noch über die Schulter zu. Nun bin ich alleine. Frierend, da ich ja nur den Bademantel trage, stehe ich im Zimmer. -Wann kommt mein Stylist endlich?-, denke ich mürrisch. -Ich komme mir total bescheuert vor.- Genau in diesem Moment geht die Tür auf. Ein Mann betritt den Raum. Er hat dunkle Haut und schwarzes Haar. Im Gegensatz zu den meisten Kapitolleuten, die ich bis jetzt gesehen habe, sieht er eher unauffällig aus. Sein Kleidungsstil ist normal und das einzige, das etwas auffällig wirkt, ist der goldener Eyeliner, den er trägt. "Hallo, Lauriss.", sagt er. "Ich bin Cinna." Er hält mir die Hand hin und ich schüttle sie. "Du bist sicher gespannt, was du heute tragen wirst, nicht?" "Ja." Cinna hebt ein Kleid hoch, welches mit einem Tuch verdeckt ist. "Das wirst du heute für die Wagenparade anziehen." Er zieht das Tuch weg. Das Kleid darunter ist wirklich schön. Eigentlich ziehe ich keine Kleider an. Nur Hosen. Die sind viel praktischer. Doch dieses Kleid ist so schön, dass ich mich freue es heute tragen zu können. Es ist schwarz und schillert. Rot-gelbe Steine sind in den lederartigen Stoff eingearbeitet. Bei der kleinsten Bewegung sieht es aus, als würden Funken sprühen. "Ich wollte was besonderes machen. Distrikt 12. Kohle. Ich dachte das ist mal was anderes.", sagt Cinna und sieht mich an. "Danke.", murmle ich. "Es ist wunderschön." Cinna lächelt. "Das hatte ich gehofft." Er hilft mir hinein. Dann schminkt er mich noch nach. Anschließend mustert er mich. "Bereit für einen Blick in den Spiegel?" "Bereit." Cinna schiebt einen Spiegel aus der hintersten Ecke des Zimmers und dreht ihn zu mir. Ich muss zweimal hinsehen, bevor ich erkenne, dass ich es bin, die aus dem Spiegel zurückstarrt. Meine Haare fallen leicht gelockt auf meine Schulter. Die Schminke hat meine Gesichtszüge verändert. Ich wirke anders. Gefährlicher. Größer. Das Kleid, das aussieht, als würde es gleich zu brennen anfangen, fällt leicht und reicht bis zu meinen Knöcheln. "Cinna.", flüstere ich. "Ich danke dir." "Keine Ursache." Er legt mir die Hand auf die Schulter. "Ich begleite dich jetzt nach unten in die Halle, wo die Wagen stehen. Wir sollten uns lieber beeilen. Die andern sind sicher schon am Wagen."
Percy trägt einen Anzug, der genauso gestaltet ist, wie mein Kleid. "Hübsch, hübsch." Er grinst mich an. Ich muss lächeln. "Danke. Ebenfalls." Plötzlich rempelt mich jemand an. Ich werde gegen Percy geschubst. "Hey!", rufe ich empört und fahre herum. Ein Junge dreht sich nach mir um und ich bereue es den Mund aufgemacht zu haben. Der Junge aus zwei, Cato, sieht mich mit einem gefährlichen Glitzern in den Augen an. Er trägt eine goldene Tunika, die aussieht wie eine Rüstung. Die Arme sind frei, damit jeder seine Muskeln sehen kann. Cato mustert Percy und mich mit einem arroganten Ausdruck auf dem Gesicht. Dann dreht er sich um und geht zu seinem Wagen. Percy und ich sehen ihm hinterher. Typisch. Wieder mal typisch. Ich schaffe es immer mir Probleme einzuhandeln. Ich wollte doch möglichst unauffällig sein und den Karrieros aus dem Weg gehen. Jetzt rede ich sie schon dumm an. Seufzend drehe ich mich zu unserem Wagen um. Er ist schwarz, mit Rosen verziert und wird von zwei Rappen gezogen. Cinna weist uns an, uns auf den Wagen zu stellen und uns mit einer Hand am Rand festzuhalten. "Lächelt in die Menge und winkt.", ruft er uns noch zu, als die Wagen schon losrollen. Vor einem Tor bleiben wir stehen. Die Wagen werden hintereinander hinausfahren. Mit Distrikt Eins beginnt die Wagenreihe und mit Distrikt Zwölf endet sie. Hinter dem Tor höre ich schon die Menschenmenge jubeln. Der Wagen aus Eins fährt los. Dann der von Zwei. Catos Distriktpartnerin ist ähnlich gekleidet, wie Cato und beide sehen eindrucksvoll aus.
Es dauert nicht lange, bis auch unsere Pferde lostraben. Sofort bin ich von jubelnden und kreischenden Menschen umgeben. Die lauten Stimmen der Kapitolbewohner dröhnen in meinen Ohren. Ich winke und winke. Gerade, als ich denke, mir fällt gleich der Arm ab, bleiben wir stehen. Die Menge verstummt. Vor uns, weit oben, auf einem Podest, tritt ein Mann zum Mikrofon. Er ist alt. Ungefähr 60. Weißes Haar. Weißer Bart. Es ist Präsident Snow. Präsident von Panem. Ich mag ihn nicht. Er hat Augen, wie eine Schlange und sein Lächeln ist falsch. Jeder weiß, dass er sehr grausam sein kann. Snow beginnt zu sprechen. "Willkommen Tribute, willkommen! Willkommen im Kapitol. Wir verneigen uns vor eurem Mut und dem Opfer das ihr bringt." Ich seufze. Jedes Jahr das Gleiche. "Ich wünsche euch viel Erfolg! Und möge das Glück stets mit euch sein!" Die Menge bricht erneut in tosenden Applaus aus. Snow geht zu seinem Platz zurück und die Wagen wenden. Unter den Rufen der Kapitolbewohner fahren wir wieder in die große Halle. Die Türen schließen sich hinter uns. Als die Pferde stehen, klettern Percy und ich vom Wagen herunter. Haymitch, Effie, Cinna und Percys Stylistin kommen auf uns zu. "Toll habt ihr das gemacht!", jubelt Effie und gibt uns Küsschen auf die Wangen. "Guter Auftritt.", sagt auch Haymitch. Ich lächle und tätschle den Hals des rechten Wagenpferds. Da fällt mir auf, dass ich beobachtet werde. Cato, der von Mentor, Betreuerin und Stylisten umgeben ist, blickt mich unverwandt an. Mir läuft ein Schauer über den Rücken und schnell sehe ich weg. "Kommt jetzt.", höre ich Effie. "Es ist bald Zeit zum Essen." Sie nimmt mich an der Schulter und schiebt mich vor sich her. Ich merke, wie Catos Blick uns folgt, bis wir um eine Ecke verschwinden.
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Catos Wirklich Wahre Geschichte
Hayran KurguHätte Cato, der brutale und kalte Junge aus Distrikt 2, eine Chance gehabt die Hungerspiele zu gewinnen, wenn Katniss nicht gewesen wäre? Wie ist er außerhalb der Kameras? Und was würde er tun, wenn ein Mädchen auftaucht, das er nicht töten will? La...