"Nein!" Meine Augen füllen sich mit Tränen. Wut kocht in mir auf. Wut, wie ich sie noch nie zuvor gefühlt habe. Das Mädchen aus Vier sieht verwundert auf Percy. Damit hatte sie nicht gerechnet. Mein Messer liegt vor mir auf dem Boden. Während Vier noch auf meinen Verbündeten starrt, habe ich es wieder gepackt. Vier fährt herum. Doch zu spät. Eine kurze Bewegung aus dem Handgelenkt genügt und das Messer fliegt durch die Luft. Für den Bruchteil einer Sekunde habe ich Angst, mein Ziel verfehlt zu haben. Aber dann ist es passiert. Die Klinge bohrt sich tief in den Hals des Mädchens. Es reißt die Augen auf und stößt ein gurgelndes Geräusch aus. Mit letzten Kräften zieht Vier das Messer aus ihrem Hals, woraufhin sie röchelnd nach Luft schnappt. Das Mädchen geht zu Boden. Es erstickt an seinem Blut. Die Bewegungen von Vier werden weniger. Immer weniger. Bis sie ganz ruhig am Boden liegt. Das Blut läuft in Strömen aus einer Wunde am Hals. Eine Kanone ertönt. Vier ist tot.
"Percy!" Ich fahre herum. Mein Verbündeter liegt am Boden. Der Schaft des Pfeils ist in seinem Fleisch verschwunden. "Nein!" Panisch lasse ich mich neben ihn fallen. Percy sieht mich an. "Das wird schon wieder!", rufe ich. "Wir kriegen das hin!" Ich begutachte die Wunde. Wenn ich den Pfeil nur rausziehen könnte... "Lauriss." Mit letzter Kraft packt er mich am Arm. "Es hat keinen Sinn." Ich sehe zu ihm und nun fangen die Tränen an, über meine Wangen zu laufen. "Warum Percy? Warum?" Percy lächelt. "Du hattest noch was gut bei mir. Erinnerst du dich? Cato und das Messer?" "Aber..." Mehr bringe ich nicht hervor. Percy keucht auf. "Nein! Verdammt! Percy!" Ich packe ihn an den Schultern. "Du wirst nicht sterben! Das lasse ich nicht zu!" Die grünen Augen meines Verbündeten wirken ganz glasig. "Bitte Percy!", flehe ich. "Du bist doch wie ein Bruder für mich!" Er lächelt schwach. "Danke Lauriss." Seine Brust hebt und senkt sich nur noch ganz leicht. "Bitte nicht!" Meine Tränen fallen auf seine Hand, die meinen Arm umklammert. "Du wirst gewinnen.", murmelt er so leise, dass ich ihn kaum verstehe. "Du schaffst das. Für uns beide." "Wehe du stirbst!", schreie ich. "Wehe!" Percy seufzt. "Leb wohl Lauriss." Seine Hand fällt zurück aufs Moos. Die Augen starren leer vor sich hin. Seine Brust hebt und senkt sich nicht mehr. Den Schlag der Kanone nehme ich kaum war. "Nein!" Noch mehr Tränen laufen mir übers Gesicht. Ich schlage die Hände davor und kauere mich schluchzend neben Percy zusammen. "Nein!"
Wie lange ich so daliege und weine, weiß ich nicht. Es kommt kein Hovercraft um die beiden Leichen abzuholen, denn dafür dürfen keine lebenden Tribute mehr in der Nähe sein. Aber ich denke nicht im Traum daran Percy alleine zu lassen. Meine Hände klammern sich um sein Handgelenk, als wollte ihn mir jemand wegnehmen.
Irgendwann kommen keine Tränen mehr. Starr vor Trauer und Kälte starre ich auf Percys toten Körper. Wie in Zeitlupe hebe ich meine Hand, die Percys Handgelenk nicht umklammert und schließe seine Augen. Nun sieht er fast so aus, als würde er schlafen. Obwohl die Sonne durch das Blätterdach dringt, ist mir eiskalt. Mir bleibt bald nichts anderes übrig, als mich zu bewegen. Langsam löse ich den Rucksack von Percys Rücken, hänge ihn mir um und lege Percy zurück auf das weiche Moos. Ich lasse seine Hände auf seine Brust gleiten und versuche den Pfeil in seinem Bauch nicht anzusehen. Die Sonne scheint auf Percys Gesicht und lässt sein Haar glänzen. Vorsichtig stehe ich auf und starre ihn an. Es ist, als würde sich ein dunkles Loch in mir auftun. "Schlaf gut Percy.", flüstere ich. "Jetzt kann dir nichts mehr passieren." Dann wende ich mich ab. Ein Stück entfernt liegt die Leiche des Mädchens aus Distrikt Vier. Mit schleppenden Schritten gehe ich zu ihr. Mein Messer liegt neben ihrer geöffneten, blutigen Hand. Ich nehme es und stecke es an meinen Gürtel. Plötzlich fällt mein Blick auf etwas silbernes, das im Gras liegt. Der Bogen. Ich nehme ihn auf und streiche darüber. Die Waffe, die mir das Überleben sichern kann. Aber der Preis den ich dafür bezahlen musste, ist enorm. Mit weniger Vorsicht als bei Percy, befreie ich das Mädchen aus Vier von dem Köcher. Anschließend sammle ich die Pfeile ein, die Vier verschossen hat. Nun ist noch ein Pfeil übrig. Doch nichts in der Welt kann mich dazu bringen, ihn aufzunehmen. Der Pfeil, der Percy getötet hat, soll bleiben wo er ist. Als Nächstes gehe ich zu dem Mädchen aus Vier zurück und durchsuche ihren Rucksack. Ein Seil, zwei Fackeln, Streichhölzer und zwei Wasserflaschen. Eine voll, die andere leer. Ich packe all ihre Sachen in meinen und Percys Rucksack. Irgendwie schaffe ich es, beides, den Rucksack und den Köcher, umzubinden.
Jetzt bin ich fertig. Zum letzten Mal drehe ich mich zu Percy um. Langsam lege ich die drei mittleren Finger der linken Hand an die Lippen und strecke sie dann Percys Leichnam entgegen. Ein fast vergessenes Zeichen des Abschieds in Distrikt Zwölf. Kurz verharre ich in dieser Bewegung. Dann drehe ich beiden Toten den Rücken zu und mache mich auf den Weg in irgendeine unbestimmte Richtung. Hinter mir höre ich das Hovercraft hinuntersinken, doch ich drehe mich nicht um. Der Bogen liegt mir schwer in der Hand. Obwohl er mir das Leben retten könnte, kann ich ihn kaum ansehen. Noch vor kurzem wollte ich unbedingt nach Hause. Nun wird mir bei dem Gedanken, Percys Eltern ins Gesicht sehen zu müssen, schlecht. Sie werden mich verabscheuen. Das Mädchen, das ihr Sohn gerettet und mit seinem Leben dafür bezahlt hat. Ich trete auf einen Ast, der laut knackend bricht. Vielleicht haben mich die anderen Karrieros gehört und sind auf dem Weg zu mir. Aber das ist mir egal. Sollen sie ruhig kommen.
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Catos Wirklich Wahre Geschichte
FanfictionHätte Cato, der brutale und kalte Junge aus Distrikt 2, eine Chance gehabt die Hungerspiele zu gewinnen, wenn Katniss nicht gewesen wäre? Wie ist er außerhalb der Kameras? Und was würde er tun, wenn ein Mädchen auftaucht, das er nicht töten will? La...