Wir stehen am Bahnhof. Flavius, Octavia und Venia umarmen mich zum gefühlten tausendsten Mal. "Wir werden dich so sehr vermissen." "In ein paar Monaten sehen wir uns ja wieder.", versuche ich die Drei aufzuheitern. Obwohl es sehr lästig sein kann, ist mir mein Vorbereitungsteam ans Herz gewachsen. Endlich geben sie mich aus ihren Umarmungen frei und ich kann Cinna ausmachen, der sich durch die Menge einen Weg zu mir bahnt. "Na?", fragt er, als er bei mir angelangt ist. "Bereit?" "Mehr oder weniger.", gebe ich zurück. Cinna nimmt mich schweigend in den Arm. "Danke für alles Cinna.", flüstere ich ihm ins Ohr. "Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr du mich unterstützt hast." Cinna lässt mich los und lächelt mich an. "Das habe ich gerne getan Lauriss. Für jemanden wie dich, lohnt es sich zu kämpfen." Dankbar umarme ich ihn erneut.
"Hey Siegerin." Cinna lässt mich los. Cato kommt auf uns zu. Ich lächle ihn an. "Also.", sagt Cinna. "Wir sehen uns Lauriss. Alles Gute!" Und dann verschwindet er mit dem Vorbereitungsteam im Schlepptau. "Dir auch!", rufe ich ihm noch nach. Cato gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Ich sehe ihn an. Er wird mit einem anderen Zug fahren, als ich, da sein Distrikt in der entgegengesetzten Richtung liegt. "Was mach ich bloß ohne dich?" Cato lächelt leicht. "Ich werde dich auch vermissen Zwölf." "Ich weiß echt nicht, ob ich das ohne dich durchstehe Cato.", murmle ich leise. Cato nimmt mich in seine starken Arme. "Und wie du das durchstehen wirst. Du bist stark. Das hast du mehr als nur einmal bewiesen." "Ich bin nicht stark.", gebe ich zurück. "Das bist du." "Red keinen Mist. Wie hättest du sonst gewonnen?" Ich will etwas sagen, doch er gibt mir einen Kuss. "Im Haus der Sieger gibt es Telefone.", meint er dann. "Wir telefonieren jeden Tag, okay?" Ich nicke. "Ganz sicher." Es hat etwas Tröstendes an sich, wenigstens Catos Stimme täglich hören zu können. Ich lege meinen Kopf kurz an seine Brust. Jemand ruft durch das Geschrei der schaulustigen Kapitolbewohner Catos Namen. Zögernd schiebt er mich von sich. "Ich muss jetzt los." Panisch packe ich seine Hand. "Versprich mir, mich anzurufen!" "Ich versprechs meine Kämpferin." Er gibt mir einen letzten Kuss auf den Handrücken. "Wir sehen uns. Ich liebe dich." Dann dreht er sich um und geht. Ich sehe ihm nach. Angst macht sich in mir breit, die ich nicht erklären kann. Die Spiele sind vorbei. Cato ist nicht in Gefahr. Ein Friedenswächter kommt zu mir und geleitet mich zum Zug. Die Schreie der Kapitolleute werden leiser, als sich die Türen des Zuges hinter mir schließen. Der Friedenswächter ist draußen geblieben. Dafür nimmt mich jetzt Effie in Empfang. Gemeinsam mit Haymitch setzen wir uns an den Tisch und reden ein wenig. Aber ohne Percy kommt mir der Tisch so leer vor. Früh schon gehe ich ins Bett. Jedoch ist Cato diesmal nicht da, der mich die Nächte vor Alpträumen bewahrt hat. Den Anhänger seiner Kette fest in der Hand, rolle ich mich auf meinem Bett zusammen. Morgen bin ich Zuhause. Morgen kann ich Katniss, Gale und meine Eltern wieder in die Arme schließen. An diesen Gedanken klammere ich mich, bis die Müdigkeit mich übermannt.
In dieser Nacht werde ich von Schatten und Mutationen gejagt. Immer wieder wache ich schweißgebadet auf. Mein Herz rast wie verrückt und ich zittere am ganzen Leib. Obwohl ich nun in Sicherheit bin, fühle ich mich ohne Cato so schutzlos. Irgendwann wage ich es nicht mehr, weiterzuschlafen. Mit klopfendem Herzen liege ich da und lausche dem leisen Rattern des Zugs.
Endlich bricht der Morgen an und ich ziehe mich um. Trotz des wenigen Schlafs, bin ich nicht müde. Ich gehe zum Speisewagon und setze mich an den Tisch. Außer einer Dienerin, die den Tisch deckt, ist niemand hier. Seufzend vergrabe ich mein Gesicht in den Händen. Wie soll das so weitergehen? Es dauert beinahe eine Stunde, bis ein ziemlich verkaterter Haymitch sich zu mir gesellt. "Morgen.", brummt er mürrisch. "Morgen. Hast du auch so schlecht geschlafen?" "Frag nicht.", knurrt er und sieht zur Dienerin. "Einen klaren Schnaps. Aber nicht den vom letzten Mal. Der hat ja geschmeckt wie Wasser." Die Dienerin nickt ehrfürchtig und eilt aus dem Wagon. Ich verdrehe die Augen, behalte aber meine Meinung für mich.
Die Fahrt zieht sich noch ein paar Stunden dahin. Dann, endlich, hält der Zug und ich werde, gefolgt von Haymitch und Effie hinausbegleitet. Die Menge, die mich empfängt, ist ganz anders, als die im Kapitol. Menschen in schmutziger Kleidung, mit dreckiger Haut und dunklem Haar. Meine Angst, wie eine Aussätzige behandelt zu werden, löst sich sofort in Luft auf. Sobald die Menge mich gesehen hat, beginnt sie lauthals zu jubeln. Natürlich. Es ist egal, was in der Arena passiert ist. Ich habe gewonnen und das bedeutet ein Jahr lang, jeden Monat, Nahrung für den gesamten Distrikt. Die Leute rufen meinen Namen und winken mir zu. Die sechs Friedenswächter, die um Haymitch, Effie und mich herum positioniert sind, haben Mühe, die Menge von uns wegzudrängen. Und dann sehe ich sie. Meine Mutter steht da in der Menge und schreit meinen Namen. Ich zwänge mich an einem der Friedenswächter vorbei und sprinte auf sie zu. Die Menschen aus meinem Distrikt machen mir Platz. Nun sehe ich auch meinen Vater. Er lächelt und ruft ebenfalls nach mir. Bei ihnen angelangt, werfe ich mich in ihre Arme. "Mutter! Vater!" Die beiden umarmen mich so fest, dass ich kaum Luft bekomme. "Lauriss!" Meine Mutter weint. "Oh meine kleine Lauriss!" Mein Vater küsst meine Mutter und mich. Wir halten uns für eine lange Zeit einfach nur fest. Die Schluchzer meiner Mutter gehen in den Jubelrufen der anderen Menschen unter. Irgendwann erkenne ich aus den Augenwinkeln, wie sich ein großer, dunkelhaariger Junge einen Weg zu uns bahnt. Sanft befreie ich mich aus der Umarmung meiner Eltern. Gale steht vor mir und sieht mich an. Ein Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht. "Gale!" "Hey Lauriss." Er lächelt ebenfalls und ich falle ihm um den Hals. "Ich hab doch gesagt, dass du gewinnst.", flüstert er mir ins Ohr. Ich lache und drücke ihn noch einmal ganz fest. Dann lassen wir uns los. Ein Mädchen ist neben Gale aufgetaucht. Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich ihr Gesicht strahlen wie die Sonne. Bevor ich etwas sagen kann, umarmt mich Katniss ganz fest. "Hey Kätzchen.", keuche ich, da mir die Luft aus den Lungen gepresst wird. "Hey Lauriss.", flüstert sie.
Das Wiedersehen dauert einige Zeit. Meine Mutter fängt sich langsam, küsst mich jedoch immer wieder. Mein Vater nimmt mich andauernd in die Arme. Katniss und Gale weichen nicht mehr von meiner Seite. Nach und nach kommen die Kameraleute, die das Wiedersehen aufgenommen haben und befragen meine Familie und meine Freunde. Katniss gibt nur wenig Auskunft. Gale wirkt den Kapitolleuten gegenüber sehr zerknirscht, doch er schafft es sich zu beherrschen und gibt sogar ein kleines Interview. Als ein Mann des Kamerateams meine Eltern fragt, was sie über Cato denken, lächelt meine Mutter. "Oh Cato ist wirklich ein toller Junge, aber ich denke, dass Lauriss noch etwas zu jung für so eine Beziehung ist." Die Leute aus dem Kapitol lachen und als mein Vater sagt, er wolle Cato kennenlernen, um über ihn zu urteilen, werfen sie mir spaßeshalber mitleidige Blicke zu. In diesem Moment bin ich einfach so glücklich, dass ich sie angrinse und meinem Vater einen Kuss auf die Wange gebe.
Knapp zwei Stunden später verabschiede ich mich von Effie, die mitsamt dem Kamerateam wieder zurück ins Kapitol fährt. Dann geleiten meine Eltern, Gale und Katniss mich zu unserem neuen Haus. Ich staune, als ich es sehe. Das Haus steht im Dorf der Sieger, dem einzigen reichen Viertel von Distrikt Zwölf. Jedoch wohnt dort nur Haymitch. Und nun auch meine Familie und ich. Vor dem Haus empfangen mich Katniss und Gales Mütter, Prim, Vick, Rory und Posy, die mich ebenfalls in den Arm nehmen und beglückwünschen. Anschließend betreten wir mein Haus. Dort haben Mutter und Vater bereits den Tisch gedeckt. Alle, einschließlich Haymitch, den meine Mutter zum Bleiben überreden konnte, setzen sich an den großen Tisch im Esszimmer. Mutter, Hazelle und Mrs Everdeen tragen das Essen auf den Tisch und ausgelassen beginnen wir das Mahl. Ich genieße es, dass die Kameras verschwunden sind. Endlich wieder mit meinen Liebsten vereint, feiere ich bis spät in die Nacht hinein. Den Schrecken und die Angst, die mich wohl von nun an ein Leben lang begleiten werden, vergesse ich für einige Stunden.
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Catos Wirklich Wahre Geschichte
ФанфикHätte Cato, der brutale und kalte Junge aus Distrikt 2, eine Chance gehabt die Hungerspiele zu gewinnen, wenn Katniss nicht gewesen wäre? Wie ist er außerhalb der Kameras? Und was würde er tun, wenn ein Mädchen auftaucht, das er nicht töten will? La...