Ich hatte es ihnen nicht sagen wollen. Ihre Sorgen nicht noch verschlimmern wollen. Aber auf das Drängen meines Bruders und dessen besten Freunds hatte ich es nicht für mich behalten können.
Max hatte wie versteinert da gesessen, unfähig einen Ton von sich zu geben. Flo hatte neben ihm gesessen und augenscheinlich versucht, Ruhe zu bewahren.
Und ich war einfach davon gelaufen. Feigling.
Bis zum Abend hatte ich mich nicht mehr hinaus gewagt. Viel zu viel Angst hatte ich vor dem, was mich draußen erwartete.
Doch irgendwann klopfte es an meiner Tür und Vanessa trat ein. Sie setzte sich neben mich auf mein Bett, reichte mir eine heiße Schokolade und nahm mich beruhigend im den Arm.
Ich wollte weinen, schreien. So viel Wut für mich selbst hatte ich selten zuvor gespürt. Doch ich konnte nicht. Es waren schon lange keine Tränen mehr übrig.
Leise begann Vanessa zu sprechen. "Wir wussten alle, dass es eines Tages schlagartig schlimmer wird. Mach dir deshalb bloß keine Vorwürfe."
"Aber...", setzte ich an, doch sie ließ mich nicht ausreden.
"Nichts aber! Du kannst nichts dafür. Das kann niemand."
Sie hatte ja Recht. Und trotzdem schien ein Teil von mir immer noch an das Gegenteil zu glauben.
"Tut mir Leid, dass ich euch hier so belaste... Du und Max habt doch sicher genug zu tun", sagte ich mit Verweis auf Vanessas Bauch.
"So ein Quatsch. Es ist schön dich hier zu haben. Ich glaube, wenn du noch immer Zuhause wärest, dann könnten wir hier kein Auge mehr zu tun."
Sie legte eine kleine Pause ein.
"Max bedeutet es wirklich viel, dich in seiner Nähe zu wissen."
Ihre Worte entlockten mir ein leichtes Lächeln. Auch ich war froh, hier bei meinem Bruder zu sein.
Eine Weile schwiegen wir beide. Ich genoss die Wärme, die von der Tasse in meiner Hand ausging und die Nähe, die Vanessa mir gab.
Wie sehr ich mir in diesem Moment wünschte, noch einmal ein kleines Kind zu sein. Und von vorne zu beginnen.
"Ich will nicht sterben", sprach ich meine Gedanken aus.
"Weißt du, ich denke das Leben ist wie eine alte, verbitterte Dame."
Ich zog die Stirn in Falten. Worauf wollte sie hinaus?
"Stell dir vor, diese Dame hat einen Besenstiel in der Hand. Und an irgendeinem Tag trifft sie auf einen alten Feind. Dieser Feind, der nun auch schon in die Jahre gekommen ist, möchte Tag für Tag etwas von der Dame. Aber die stößt ihn jeden Tag mit ihrem Besenstiel vor sich her und hält ihn auf Abstand."
Langsam wurde es seltsam.
"Doch über die Zeit wird der Besenstiel kürzer, denn das Holz wird langsam morsch. Der alte Feind kommt immer näher. Und als der Besensteil letztendlich kaputt ist, da sieht die Dame ihrem Gegenüber in die Augen und erkennt, das die Dinge sich geändert haben. Und erschöpft fallen die beiden sich in die Arme und versöhnen sich."
Und mit diesen Worten verabschiedete sie sich und verließ mein Zimmer.
So wirklich begriff ich nicht, was Vanessa mir da gerade erzählt hatte. Und warum.
Ich beschloss schlafen zu gehen. Der Tag kam mir viel zu lang vor, die Erlebnisse viel zu wirr.
Und in der Nacht träumte ich.
Ich sah sie. Ein faltiges Gesicht, faltige Hände und graue Haare. Sie lief gebückt, auf einen Gehstock gestützt.
Sie lief die Straßen entlang, vorbei an lachenden Kindern,
geschäftigen Erwachsenen,
und Parks voller Senioren.Mein Blick wanderte zum Ende der Straße.
Dort lief ein Mann, er besaß keinen
Gehstock, schien jedoch im Alter der Dame zu sein.Seine Augen waren nach vorne gerichtet, erfassten die Dame, welche nur noch einige Schritte von ihm entfernt war.
Doch plötzlich schien auch die Dame den Mann zu entdecken und ihr Blick wurde zornig.
Sie erhob ihren Stock, drohte den näherkommenden Mann. Doch dieser kam weiterhin unbeeindruckt auf die zu.
Keifend nahm die Dame nun ihren Stock und schubste den Herrn von sich. Den Weg, den er gekommen war zurück.
Doch nach einigen Metern begann der Stock an Länge zu verlieren.
Und als er schließlich verschwunden war, sah die Frau dem Mann das erstmal in die Augen.
Ihr Blick klärte sich und ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Erleichtert und erschöpft von der Verfolgung fielen sich die beiden in die Arme.
Und verschwanden.Und aufeinmal verstand ich, was Vanessa gemeint hatte. Und die Vorstellung war unheimlich schön und tröstlich.
Am Ende würde alles gut.
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Realtalk:Tja, was ist euer Wunsch für das Ende? ich lasse mich gerne inspirieren ;) Wie findet ihr die Vorstellung? (war alles meine Fantasie)
#qotd: Ihr trefft euren Lieblingsyoutuber (oder eben Dou/Trio) zufällig auf der Straße. Wer ist es und wie reagiert ihr?
#aotd: also momentan würde ich Vanessa sagen. Aber ich wüsste überhaupt nicht was ich tun würde oder ob ich mich trauen würde, sie anzusprechen. Mein Puls wäre auf 180 ^^
(Urlaubs-Kapitel)
25.10.2016
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Fade away (Berliner Cluster)
FanfictionLena muss durch einen eher unglücklichen Zufall nach Berlin zu ihrem Bruder Frodo reisen. Doch aufeinmal fängt Lena an, sich immer schlechter zu fühlen und bekommt vom Arzt eine Diagnose: tödliche Krankheit, nur noch wenig Lebenszeit. Wie soll es we...