Fade away (Berliner Cluster)

25. Kapitel: Von Kleinkindern und Weihnachten

Die Tage vergingen. Ich schlief fast den ganzen Tag lang, einfach damit ich das Gefühl bekam, die Tage würden vergehen. Dafür lag ich nachts oft wach. Und ich dachte nach. Stunden über Stunden. Und jede Nacht amen die Erinnerungen an Caro wieder. An uns beide und die gemeinsamen Jahre. Wie viele Liebeskummer-Phasen wir wohl durchgemacht hatten? Zu viele um es zu zählen. Caro und ihre ganzen Verehrer halt. Sie war schon ein verrücktes Huhn. So wie ich auch.

In Momenten wie jetzt fehlte sie mir unglaublich. Das Zimmer war komplett dunkel. Ich war noch bewegungsunfähig, da die Narkose noch nachwirkte. Caro und ich hatten immer vorgehabt in eine WG zu ziehen, zusammen zu studieren und all das, was man als beste Freunde so plante. Aber so wie es aussah, war das nur Wunschdenken gewesen. Der Krebs machte vor nichts halt und zerstörte die Träume so vieler Menschen. Er würde mich holen, in nicht allzu ferner Zukunft. Es würden nichts als Erinnerungen bleiben. Ein leeres Bett, ein leerer Sitzplatz im verhassten Mathe-LK. Und dann? Das Leben würde weitergehen. Nicht für mich, aber für all die anderen. Und ich? Was kam nach dem Tod? Ich war nicht wirklich gläubig, aber es war meine Hoffnung, dass mich dort oben jemand mit offenen Armen empfangen würde. Vielleicht meine Oma. Mit einem lächelnden Gesicht und faltigen Händen.

------------------------------------------

Und dann kam der 24. Dezember. Heiligabend. Ein Tag an dem man glücklich sein sollte. Aber ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal wirklich glücklich gewesen war. Mir war zum heulen zu Mute. Ich wollte einfach nur nach Hause. Weg von diesem scheußlichen Ort, an dem alles an den Tod erinnerte. Ich wollte leben! Lachen und nicht mit blutendem Herzen in einem kümmerlichen sterilen Zimmer sein. Warum ich? Diese Frage hatte ich mir schon millionen Mal gestellt und trotzdem keine Antwort gefunden. Damals hatte der Arzt gesagt, der Bauchspeicheldrüsenkrebs treffe meist männliche Patienten ab 60 aufwärts. Ich war weder männlich noch 60 plus. Ich war eine 17-jährige Gymnasiastin im Abschlussjahr. Keiner in meiner Familie hatte das bisher gehabt. Und dann traf es mich. Nur warum?

-----------------------------------------------------

„Fröhliche Weihnachten, Süße!", meine Mutter nahm mir die Augenbinde ab. Überall standen Geschenke. Das Zimmer war abgedunkelt, nur Kerzen brannten. Eine kleine Box von Max spielte weihnachtliche Musik.

Meine Familie stand um mich herum. Die Augen meiner Schwester leuchteten und sie grinste breit. Max stand da, unschlüssig wie er mit der Situation umgehen sollte. Ich konnte es ihm nicht verdenken.

Am Boden waren fünf Häufchen an Geschenken aufgestellt, für jeden von uns einer.

„Na los, worauf wartet ihr denn?", lachte Papa. „Jetzt packt schon aus!"

Sarah ließ sich das nicht zweimal sagen. Egal wie erwachsen sie ein mochte, an Weihnachten wurde sie wieder zum Kleinkind.

Auch ich ging langsam zu den Haufen. Meiner war der größte.

Ich drehte mich zu meinen Eltern um. „Ich hab doch gesagt, schenkt mir nichts. Das Geld braucht ihr in ein paar Monaten."

„Pscht! Keine Widerrede! Lass das mal unsere Sorge sein", sagte meine Mutter lächelnd.

Es hatte keinen Zweck zu diskutieren, also beschloss ich, den Abend einfach zu genießen.

---------------------------------

Die Bescherung war schön gewesen und alle hatten mit glitzernden Augen ihre Ausbeute bestaunt. Ich hatte diverse Pullis bekommen, da ich eine schlimme Frostbeule war. Außerdem hatte ich einen neuen stylischen Regenmantel in gelb. Der kam von Sarah. Niemand sonst würde mir so etwas schenken. Der Mantel gefiel mir nicht besonders, aber ich brauchte einen.

Jetzt saßen wir alle auf meinem Bett und aßen das beste Weihnachtsessen der Welt. Pizza. Essengehen durfte ich nicht. Zu schwach sei ich. Naja egal.

„Könnt ihr mir 'nen Gefallen tun?", fragte ich in die Runde.

„Ja klar, was willst du, Mäuschen?", Max sah mich an.

„Wenn.. Wenn ich nicht mehr da bin, dann macht weiter. Geht weiter euren Weg, bitte. Ja?"

Mir war bewusste, dass ich die tolle Stimmung trübte, aber es hatte mir schon lange auf dem Herzen gelegen. Aber es kam keine Antwort.

„Bitte tut es einfach. Ich bin es nicht wert, dass ihr alles wegen mir vernachlässigt und aufgebt."

Sarah nickte und nahm mich in den Arm.

„Dann must du uns einen Gefallen tun. Oder zwei", sagte sie.

„Schieß los", forderte ich sie auf.

„Erstens: Sag nie wieder, dass du es nicht wert bist. Zweitens: Du musst immer wissen, dass wir dich lieben. Egal in welchem Zustand oder an welchem Ort. Du bist immer hier drin", sprach sie und legte meine Hand auf ihr Herz.

------------------------------------

Realtalk: Denkt immer daran, ihr werdet im Herzen anderer getragen.

Sorry, dass nichts kam, aber irgendwie fehlte die Inspiration, Zeit und Lust. Aber ey, hier bin ich! Wuhu! Ja ok, reicht