Montagmorgen schrieb ich Emre eine SMS, dass er nicht auf mich warten sollte. Bereits am Tag zuvor ging es mir nicht gerade glänzend, doch heute hätte man auf meiner Stirn Spiegeleier braten können und meine Kehle fühlte sich an, als hätte jemand einen rostigen Dolch reingeschoben. Also beschloss ich, zuhause zu bleiben und mich mit Medikamenten vollzupumpen, während Emre sich allein durch den Schultag quälen musste, was er mir auch in beinahe stündlich eintreffenden Nachrichten vorwarf.
Bester Freund: Was? Du lässt mich heute allein?
Bester Freund: Ich fass es nicht, dass ich deinetwegen jetzt alleine in Physik sitzen muss.
Bester Freund: Wenn ich vor Langeweile sterbe, darfst du das auf meiner Beerdigung erklären.
Bester Freund: Breeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeee
Ich ignorierte die meisten seiner Nachrichten, bat ihn aber, mir später seine Aufzeichnungen zu schicken, damit ich nichts verpassen würde. Er drohte mir damit, mir gar nichts zu schicken, falls ich morgen auch fehlen sollte, doch ich sagte ihm gleich, dass ich vermutlich die ganze Woche abwesend sein würde. Daraufhin schrieb er mir nicht mehr zurück.
Gerade als ich anfing, mir ernsthafte Sorgen zu machen, ob er seine Drohung wahr machen würde, klingelte es an der Tür. Da meine Mutter noch im Büro war, blieb mir nichts anderes übrig, als mich aus meinem Bett zu befreien und selbst nachzusehen, wer da war. Ich öffnete und stellte fest, dass es Emre war. Wer auch sonst.
"Du siehst ja schlimm aus!", rief er betont schockiert. Ich wusste, was er meinte. Ich sah extrem blass aus, trotzdem wirkte meine Haut irgendwie fettig und meine Haare hingen vereinzelt in Strähnen aus dem komischen Knödel, mit dem ich versucht hatte, sie mir aus dem Gesicht zu halten.
"Ich befürchte, ich hab mich am Samstag erkältet.", überging ich seinen Versuch, mich zu provozieren.
"Unsinn! Du bist das blühende Leben!"
"Wow. Du würdest mich noch mit zwei frisch amputierten Beinen und zahlreichen Schusswunden zur Schule zerren, um nicht allein sein zu müssen, oder?" Ich verschränkte die Arme und sah ihn amüsiert an.
"Quatsch, dann würden wir uns an deinem Krankenbett gemeinsam vor dem Unterricht drücken.", erklärte er mir und brachte mich somit zum Lächeln.
"Na immerhin. Und jetzt sag mir bitte, dass du trotz deiner Behauptung von vorhin das ganze Schulzeug für mich dabei hast."
"Naja, ich dachte mir, weil du es bist..." Er trat richtig in die Wohnung ein und stellte seinen Rucksack zwischen seinen Füßen ab, um irgendwas darin zu suchen. Schließlich zog er einen karierten Block heraus und schlug die allerletzte Seite auf, in der zahlreiche andere Papiere aufbewahrt lagen, die er mir jetzt alle in die Hand drückte.
"Was ist das alles?", fragte ich verdattert und begann, den ersten Zettel zu überfliegen.
"Überwiegend irgendein langweiliger Datenkram. Wirklich interessant wird es erst hier:" Er griff zwischen die Papiere und zog ein ganz bestimmtes heraus, um es ganz nach oben auf den Stapel zu legen, so dass ich es lesen konnte.
"Wir machen eine Klassenfahrt im März, direkt vor den Frühlingsferien!", berichtete Emre mir begeistert, doch ich legte den Zettel desinteressiert auf einer Kommode ab.
"Ich weiß gar nicht, was es sich da so zu freuen gibt.", murrte ich unglücklich.
"Sag mir nicht, du magst keine Klassenfahrten!" Emre schenkte mir einen total übertriebenen, verstörten Blick.
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Das Mädchen, das mit den Toten sprach
FantasySeit sie vor drei Jahren versucht hatte, sich das Leben zu nehmen, kann Bree die Toten sehen und sich sogar mit ihnen verständigen. Das führt dazu, dass für sie eine eigenartige Faszination für den Tod entwickelt und mehr verstorbene als lebendige F...