Mittwoch

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Das Läuten der Schulglocke erlöste uns für den heutigen Tag vom Unterricht. Gerade rechtzeitig, denn unsere Mathelehrerin war gerade dabei, uns Aufgaben an die Tafel zu schreiben.

"Was, schon so spät?", wunderte sich Frau Kenzel mit einem Blick auf ihre Armbanduhr. "Na gut, dann erwarte ich, dass ihr das als Hausaufgabe macht! Auf Wiedersehen und bis nächsten Montag!", rief sie über den entstandenen Lärm rückender Stühle und stöhnender Schüler hinweg.

"Bitte? Das alles?", beschwerte Emre sich neben mir leise, sodass nur ich es hören konnte.

"So viel ist das doch nicht. Wenn man sich beeilt, kriegt man das in zwanzig Minuten hin.", meinte ich, woraufhin er mir einen entrüsteten Blick zuwendete.

"Ja, vielleicht wenn man ein funktionierendes Gehirn hat. Ich musste die Neunte wegen Mathe wiederholen.", stöhnte er genervt.

"Echt? Du bist sitzengeblieben?", fragte ich überrascht.

"Jep. Ich durfte zweimal Facharbeit schreiben.", zwinkerte er.

"Dann wirst du ja dieses Jahr 19, oder?"

"Am 23. September, ist sogar ein Samstag. Und du bist eingeladen!" Er strahlte mich an und ich konnte nur die Augen verdrehen, jedoch grinste ich dabei.

"Ich weiß nicht. Hängt davon ab, wer noch alles eingeladen wird."

"Da du meine beste Freundin bist, kommst du so oder so. Die einzige Ausrede, die ich gelten lasse, ist wenn du auf der Intensivstation im Krankenhaus liegst."

"Dann muss ich wohl einen Autofahrer finden, der sich bereit erklärt mich zu überfahren.", grinste ich frech und erntete dafür einen bösen Blick.

"Das petze ich deiner Mutter.", drohte Emre mir.

"Oh Shit, das habe ich ja total vergessen. Ich muss ja irgendwann wieder mit ihr reden." Ich war immer noch wütend, dass sie Emre so viel über mich erzählt hatte. Niemand hätte diese Dinge je erfahren sollen und sie verriet es einfach dem erstbesten Jungen, der vor unserer Tür stand.

"Du könntest auch nochmal zu mir kommen. Ich brauch sowieso Hilfe mit den Hausaufgaben."

"Verlockendes Angebot, aber ich brauch auch mal Zeit für mich. Wir verbringen schließlich schon den ganzen Samstag miteinander." Vorhin hatten Emre und ich abgemacht, uns für das Geschichtsprojekt am Wochenende zu treffen und da er am Sonntag kaum Zeit hatte, fiel die Wahl eben auf Samstag.

"Aber nach Hause gehen wir schon noch zusammen, oder?"

"Da du dich sowieso nicht abschütteln lässt, lautet die Antwort wohl ja."

"Emre und Bree! Beeilt euch jetzt mal, ich muss abschließen!", erklang die ungeduldige Stimme von Frau Kenzel hinter uns. Schnell schob Emre seine Sachen in seinen Rucksack und ich steckte den Block und Stift dazu, den er mir geliehen hatte. Dann verabschiedeten wir uns von unserer Lehrerin und beeilten uns, aus dem Schulgebäude zu kommen.

Etwas entspannter gingen wir den Rückweg an, auf dem wir uns überwiegend im Schatten der Bäume aufhielten, da Anda rechtbehalten hatte und Emres Handy 37° anzeigte.

"Ich kann es kaum erwarten, dass es endlich kälter wird.", ächzte ich, während ich mir Schweiß von der Stirn wischte.

"So lange musst du ja nicht mehr warten, schließlich fängt in zwei Tagen der September an und mit ihm der Herbst.", meinte Emre.

"Wenn's nur wirklich so wäre. Aber der wirkliche Herbst lässt leider noch auf sich warten." Ich starrte in den blauen Himmel über uns und wünschte mir ausnahmsweise dicke graue Wolken herbei. Wir kamen an dem Friedhof vorbei und ich sah sehnsüchtig in die ungefähre Richtung von Erichs Grab. Ihn würde ich heute wohl nicht besuchen können, aber dafür stand ein anderer Geist am Friedhofstor und guckte mich finster an. Mit ihm verbrachte ich eher wenig Zeit, da verbittert noch eine nette Umschreibung für ihn war. Sadistisch  traf es wohl eher.

Das Mädchen, das mit den Toten sprachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt