Durch den ganzen Stress während der Vorabitur-Klausuren hatten weder Emre noch ich Zeit, weitere Kriminalfälle zu lösen. Nicht, dass uns das gefehlt hätte - ich glaube, wir waren beide zufrieden damit, einfach nur wie normale Teenager, die nicht mit Toten kommunizieren konnten, miteinander für die Prüfungen zu lernen und uns über viel zu viele Hausaufgaben zu beschweren. Doch noch besser war es natürlich, als wir endlich die letzte Klausur hinter uns gebracht hatten und die Ferien bevorstanden. Heute waren wir verabredet, um gemeinsam unsere Weihnachtseinkäufe zu erledigen.
Wir standen gerade in einem Thalia-Geschäft, und während Emre sich etwas ratlos durch das Manga-Regal kämpfte, blätterte ich in dem neu erschienenen Buch meiner Lieblingsautorin.
"Ich habe keine Ahnung, welches dieser Bücher Anda schon hat oder noch nicht.", stöhnte Emre verzweifelt. Ich sah ihm über die Schulter und stellte anhand der Bücher in seiner Hand fest, dass er meine Hilfe brauchen würde. Ich nahm sie ihm weg und stellte sie zurück ins Regal, um sie durch zwei andere Bände zu ersetzen.
"Deine Schwester ist ein Fairy Tail Fan, also machst du mit dem hier auf jeden Fall nichts falsch", erklärte ich ihm und drückte ihm einen Band der Serie in die Hand, von dem ich genau wusste, dass Anda ihn noch nicht hatte. Dann holte ich noch einen weiteren Manga hervor, eine Neuerscheinung, die Anda vermutlich noch nicht kannte.
"Und diese Reihe ist erst seit Kurzem in deutsch erhältlich, hat aber sehr gute Kritiken. Es ist vielleicht ein Risiko, es zu kaufen, aber es würde Anda bestimmt gefallen."
Emre sah zwischen den beiden Büchern hin und her, entschied sich dann aber für den Fairy Tail Manga. "Ich denke, ich gehe auf Nummer Sicher.", quittierte er seine Entscheidung.
"Danke für deine Hilfe, ohne dich wäre ich vollkommen aufgeschmissen.", bedankte er sich lächelnd bei mir.
"Ach, ich will doch nicht, dass deine Schwester dir deinen Kopf abreißt.", winkte ich ab.
"Wenn du mir jetzt noch sagst, was ich meinen Eltern schenken kann, bist du eine Heilige.", grinste er jetzt.
"Ich weiß nicht mal, was ich meiner eigenen Mutter schenken soll.", antwortete ich nur. "Wahrscheinlich irgendeine Pflegepackung zum Entspannen. Sie fliegt schon am 25. Dezember wieder auf Geschäftsreise, dieses Mal nach Dubai." Am Anfang hatte ich mich echt über ihre Beförderung gefreut, doch jetzt war sie so gut wie gar nicht mehr zuhause. Man könnte meinen, sie wäre internationale Flugbegleiterin.
"Gehst du auch mit?", erkundigte Emre sich.
"Nö. Weihnachten möchte ich in einem Land verbringen, das dieses Fest auch feiert." Auch wenn das Wetter momentan in den Vereinigten Arabischen Emiraten bestimmt angenehmer war als der ständige Schneematschregen, in dem wir hierzulande versanken.
"Das trifft sich aber ganz gut.", äußerte sich Emre zu meinen Plänen und ich sah überrascht zu ihm auf. "Anda hatte nämlich eine Idee, von der meine Mutter ganz angetan war. Und ich sollte natürlich der Überbringer der Nachricht sein, also... Hast du Lust, zu unserem Weihnachtsessen am ersten Weihnachtstag zu kommen? Es gibt Gänsekeulen mit Kartoffeln, Klößen, Bohnen, Rotkohl, Mohrrüben und noch tausend andere Sachen. Vorspeisen und Nachspeisen sind inklusive. Was sagst du?"
"Äh..." Ich war mir nicht sicher. Ich hatte Emres Vater erst zweimal gesehen, da er sehr viel arbeitete und ich hatte keine Ahnung, ob Emilian mich leiden konnte.
"Ist denn deine gesamte Familie einverstanden?", hakte ich unsicher nach.
"Natürlich. Mein Vater mag jeden und Emilian ist nur schüchtern. Und dass Anda und meine Mutter dich lieben, kann dir ja unmöglich entgangen sein. Nur Codin kennst du noch nicht... Und gerade weil er kommt, darfst du mich nicht im Stich lassen." Ich wusste nicht, was zwischen Emre und seinem ältesten Bruder vorgefallen war, denn das einzige Mal, das ich ihn danach gefragt hatte, hatte er nur Andeutungen gemacht. Ich verstand nur so viel, dass Codin mit seinem Verhalten die gesamte Familie enttäuscht hatte.
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Das Mädchen, das mit den Toten sprach
FantasySeit sie vor drei Jahren versucht hatte, sich das Leben zu nehmen, kann Bree die Toten sehen und sich sogar mit ihnen verständigen. Das führt dazu, dass für sie eine eigenartige Faszination für den Tod entwickelt und mehr verstorbene als lebendige F...