Obwohl Emre und ich uns wieder vertragen hatten, verging über einen Monat, bis wir uns erneut außerschulisch nur zu zweit trafen. Und wäre Emre nicht so ein Halloween-Enthusiast, hätte es vielleicht noch länger gedauert. Doch als er mich gefragt hatte, ob wir am 31. Oktober zusammen etwas unternehmen wollten, gab ich mir einen Ruck und sagte einfach ja. Schließlich vermisste ich ihn auch.
Mein Herz hatte sich inzwischen beruhigt und rastete bei dem Gedanken an Emre nicht länger aus, was mir bewies, dass ich recht hatte. Ich war nicht in ihn verknallt, sondern habe lediglich auf den Kuss reagiert.
Ich schminkte meine Lippen blutrot. Gruseliger würde es bei mir heute nicht werden, denn eigentlich hegte ich eine Abneigung gegen Halloween. Ich konnte mir Emres enttäuschtes Gesicht schon vorstellen. Als ich fertig war, zog ich mich noch schnell um - schwarze Jeans, schwarzer Pulli, fertig. Wenigstens einen Vorzug hatte Halloween: mein Kleidungsstil war ganz und gar nicht mehr auffällig.
Ich verabschiedete mich von meiner Mutter, als sie gerade Schokoriegel und Gummibärchentüten in eine große Plastikschüssel kippte. Dann setzte ich mich im Treppenhaus auf die Stufen, um auf meinen besten Freund zu warten.
Glücklicherweise ließ der nicht lange auf sich warten. Die Tür öffnete sich und ich erkannte Emre an seiner Figur, denn sein Gesicht war unkenntlich geworden.
"Willst du einen Zombie darstellen?", begrüßte ich ihn.
Er zuckte zusammen und fasste sich ans Herz, als er mich entdeckte.
"Oh mein Gott, Bree! Du hast mich zu Tode erschrocken! Wie hast du das nur gemacht, dass deine Verkleidung so real aussieht?" Der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören.
"Haha, sehr witzig. Was hast du für heute überhaupt geplant?", erkundigte ich mich, um vom Thema abzulenken. "Du hast doch hoffentlich nicht vor, um die Häuser zu ziehen und Süßigkeiten einzusammeln, oder?"
Zombie-Emre zog einen Flunsch, was wirklich zu komisch aussah. Ein Stück falscher Haut stand von seiner Lippe ab und zerstörte irgendwie den Eindruck des gefährlichen Monsters.
"Doch, genau das war der Plan. Komm schon, das wird lustig!", verteidigte er seine Idee, womit er mir jedoch nur ein gequältes Stöhnen entlockte.
"Nein Emre, das wird unendlich peinlich! Wir sind viel zu alt dafür!"
"Genau deswegen habe ich uns ja auch ein kleines Kind organisiert.", grinste er, wobei sich das Hautstückchen merkwürdig umklappte. Jetzt kam ein weiterer, deutlich kleinerer Zombie aus der Tür und ich vermutete, dass es sich dabei um Emres kleinen Bruder Emilian handelte.
"Hi", begrüßte dieser mich jetzt schüchtern und hielt mir seine linke Hand hin, da in der Rechten schon ein kleiner Korb hing. Ich ergriff sie ebenfalls mit links und schüttelte sie, während ich ihn freundlich anlächelte.
"Ihr seht ja richtig cool aus, wer hat euch denn geschminkt?", fragte ich an Emilian gewandt. Da breitete sich ein stolzes Lächeln in seinem mit Kunstblut beschmierten Gesicht aus.
"Das war Anda, sie kann das richtig gut!", verkündete er.
"Ja, vielleicht könnte sie dir auch helfen", gluckste Emre mit frech funkelnden Augen.
"Stell dir doch einfach vor, ich wäre ein Vampir." Rote Lippen, schwarze Kleidung, passte doch.
"Um ein Vampir zu sein, brauchst du mindestens die spitzen Reißzähne.", behauptete er und zog die Augenbrauen hoch.
"Wenn du nicht aufhörst, werde ich dir gleich auch mit meinen stumpfen Zähnen die Kehle aufreißen.", knurrte ich und Emre ergab sich mit erhobenen Händen.
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Das Mädchen, das mit den Toten sprach
FantasySeit sie vor drei Jahren versucht hatte, sich das Leben zu nehmen, kann Bree die Toten sehen und sich sogar mit ihnen verständigen. Das führt dazu, dass für sie eine eigenartige Faszination für den Tod entwickelt und mehr verstorbene als lebendige F...