29. Kapitel

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Ich hörte einen Schrei von Ava Paige und sah in Newts erschrockenes Gesicht. Plötzlich bewegte sich alles in Zeitlupe, mein ganzes Leben zog an mir vorbei. Der erste Moment auf der Lichtung, indem ich meinen eigenen Körper von oben gesehen hatte, die erste Begegnung mit Newt, unser Kuss, die telepathischen Fähigkeiten von Tom und mir. Einfach alles was ich erlebt hatte flog an meinen Augen vorbei. "Neeeeein!", hörte ich einen Schrei. Es war Newts stimme, sie klang ängstlich und panisch, aber für mich war es zu spät. Ich sah ein weißes Licht, auf das ich direkt zusteuerte, es wirkte so einladend und warm und außerdem ließen mir meine Füße keine andere Wahl.
Ich schritt direkt in den Tod hinein und das machte mir nichts aus.

NEWTS SICHT:
Ich war über ihren Körper gebeugt und schlug auf sie ein. Ich war nicht richtig bei Bewusstsein, der Brand kontrollierte meine Taten, ich konnte nicht einmal sehen auf wen ich so besessen einprügelte. Du musst sie umbringen! Bring sie um!, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf und wurde immer lauter. Es war so unerträglich, ich wollte nur das es aufhörte. Und dann auf einmal hatte ich den Pistolenlauf an meine Stirn gepresst. Sie sollte abdrücken, mich von meinem Leid befreien. "Es tut mir leid!", flüsterte sie und erst jetzt erkannte ich wen ich vor mir hatte, es war Cassy. Vorsichtig hauchte sie mir einen letzten Kuss auf die Lippen, bevor sie sich in den Kopf schoss. Mein Schrei hallte durch das gesamte Gebäude, Blut spritze und Hirnmasse flog aus ihrem Kopf. Sobald die Kugel ihren Kopf berührt hatte war sie tot, sie war von mir gegangen. "Cassyyyy! Cassy, bitte wach wieder auf!", wimmerte ich. Tränen rannen über mein Gesicht, doch ich bemerkte es gar nicht richtig. Die Liebe meines Lebens war von mir gegangen, hatte mich verlassen. Ich heulte, schrie und umklammerte ihren toten Körper. Ihre Augen waren geschlossen, die unbeschädigte Hälfte ihres Kopfes sah friedlich aus. "Warum? Warum du Cassy? Chuck, Tommy und jetzt auch noch du! Cassy, komm zu mir zurück!" Meine Gefühle überwucherten mich, genau wie damals als Tommy gestorben war. Aber jetzt konnte ich dem Drang etwas zu zerstören nicht mehr stand halten, also lief ich zum nächsten Tisch und hämmerte und trat so lange auf ihn ein, bis er zu klein Holz verarbeitet war. Danach ließ ich mich wieder neben Cassy sinken und hielt ihre kalte, leblose Hand. Sie hatte es nicht verdient zu sterben, sie hätte noch ein langes erfülltes Leben führen können, sie war immun gewesen... Auf einmal bemerkte ich, dass ich den Brand nicht mehr spürte. Leere breitete sich in meinem Kopf aus, keine unangenehme, sondern eine normale. Ich fühlte wie meine Gedanken wieder meine eigenen wurden und spürte nichts an mir herum nagen. "Ich denke, wir sollte uns unterhalten Newton!", erklang plötzlich eine Frauenstimme. Ich hätte sie überall wieder erkannt, Ava Paige. Suchend drehte ich mich in alle Richtungen, bis ich die Kamera entdeckte. Nur noch wage erinnerte ich mich daran, dass ich sie vor wenigen Stunden in der Hand gehalten hatte. Cassy hatte wissen wollen, was ich damit vorhabe, ja Cassy...
Zitternd stand ich auf und hob sie vom Boden. "Was wollen sie?", knurrte ich. "Alle sind tot. Meine Freunde, sogar meine Freundin. Die Liebe meines Lebens, sie haben sie mir genommen, ALLE!" Am anderen Ende der Leitung lächelte Ava Paige bedauernd. "Es tut mir leid, Newton, aber Dinge geschehen. Dinge, die wir nicht vorhersehen können." "Sie Miststück! Sie haben sie getötet!" "Beruhige dich. Du hast Recht viele deiner Freunde sind gestorben, aber nicht alle sind unsere Schuld. Chucks Tod war vorhergesehen, er hatte sterben müssen um eure Reaktionen zu testen. Er war klein und hätte keinen einzigen Tag in der Brandwüste überlebt. Wir haben ihm einen gefallen getan!" Ich wurde wütend, Hitze stieg mir ins Gesicht und vermischte sich mit meinen Tränen. "Er war noch so jung! Er hatte noch sein ganzes Leben vor sich und sie haben beschlossen, es einfach zu beenden!" "Man muss nunmal Opfer bringen, Newt. Es tut mir leid, aber die Verantwortung für den Tod von Thomas tragen wir nicht. Es lag an ihm, dass er hinter Chuck stand und sich so drehte, dass die Kugel durch beide jagte.", sie redete so sachlich und selbstverständlich, als würden wir bloß übers Wetter diskutieren. "Es war Tommys Schuld?" Die Frau hörte sich selbst wie ein Crank an, ich wusste nur zu gut, dass diese wirres Zeug redeten. "Ja das war es, genau wie es Cassandras Entscheidung war nicht dir die Kugel zu geben, sondern sich selbst. Sie war eine der tapfersten unter euch, sie hätte unsere Auserwählte sein können, alles was dazu gefehlt hatte, war dich zu erschießen." Mir klappte die Kinnlade herunter. "Sie wollten mich umbringen?", fragte ich nach, die Ärztin nickte. "Sie wollten also auch nich mein Leben beenden, bzw beenden lassen! Sie können nicht..." "Newt, es war eine Variable. Du warst kein Anwärter auf den Auserwählten, du warst uns nicht von nutzen. Wir wollten sehen, wozu sie alles bereit war und auch wenn sie jetzt noch am leben wäre, ihr beide hier vor mir ständet, wären wir trotzdem gekommen und hätten sie mitgenommen. Sie war..." "Ich weiß wer sie war. Sie war, nein sie ist das tollste Mädchen, das mir je begegnet ist. Sie war fröhlich, witzig, lebenslustig und all das. Sie war perfekt, aber sie haben zugelassen, dass sie sich umbringt, wegen mir! Sie hat sich umgebracht, weil sie dachte ich wäre ein Crank. Weil ich ein Crank war und sie angegriffen habe. Es war alles meine Schuld." "Wenn dich das beruhigt, du bist keiner. Newt, auch du bist immun. Alle Lichter waren immun, euch wollten wir testen, die Stärksten herausfiltern und durch sie für die ganze Menschheit profitieren. Das ist der Masterplan, alles wonach ANGST strebt.", erklärte sie. Ich war immun. Ich war kein Crank, war das alles nur Täuschung gewesen? "Sie sind krank, Doktor. Wenn sie sich gerade mal selber hören würden... Sie haben alle immunen Kinder, die sie finden konnten in ein Labyrinth geschickt, in zwei wenn ich mich nicht irre. Haben uns beobachtet um unsere Reaktionen zu testen. Alles schön und gut, aber sie haben uns auch leiden gesehen, haben unschuldige Kinder in den Tod laufen lassen, bloß damit sie ein Heilmittel finden. Sehen sie es ein, es wird kein Heilmittel geben, wir sind alle verloren. Die Menschheit wird aussterben und dann, naja.. ich weiß auch nicht, aber das ist mir auch egal!" Ava Paige verzog keine Mine. "Ich habe einen Eid geschworen, der darauf beruht ein Mittel gegen den Brand zu finden und alles dafür zu tun was nötig ist. Wenn ich die Chips der Leute programmiere, wie beispielsweise deinen Newt, der dich kontrolliert und denken lässt, du wärst krank, um der Menscheheit zu helfen, dann tue ich das. Wenn ich Leuten schreckliche Alpträume und Panikattacken beschere und Kinder streben lasse, dann hat das alles seinen Zweck." Das war eine Anspielung auf Cassys Alpträume gewesen. Sie war fast jede Nacht von ihnen gequält worden und nur ich hatte sie beruhigen können. Ich hatte den Schlüssel zu ihrem Herzen gehabt, hatte sie verstanden und ihr beigestanden. Sie war die Liebe meines Lebens gewesen und nun war sie tot. Eine Träne lief langsam und salzig über meine Wange. Ich würde nie wieder eine Träne vergießen können ohne an sie zu denken. Sie hatte so oft geweint, zu oft, dafür das ihr Leben so schnell vorbei war. Ich begann zu zittern und der Schmerz zog mein Herz zusammen, ich fiel auf die Knie und ließ die Kamera zu Boden fallen. Die schreckliche Stimme der Ärztin überhörte ich, zu sehr war ich damit beschäftigt den Schmerz in meinem Herzen zu verschließen, doch es gelang mir nicht. Ich kauerte nun auf dem Boden, das Gesicht neben Cassys gelegt und das Blut versuchend zu ignorieren.
Nach einer Zeit, ich wusste nicht wie lange, denn jegliches Zeitgefühl war mir entglitten, setzte ich mich auf und suchte in dem Gebäude nach einem Zettel und einem Stift. Die Kamera trat ich dabei soweit von mir weg, dass ich sie nicht mehr sehen konnte. Endlich fand ich einen Stift und als Papier musste ein kleines Tischtuch herhalten.

Lieber Minho,
vermutlich wirst du dieses Blatt Pap.... ich meine dieses Tuch nie in die Finger bekommen und wirklich lesen, aber es kommt mir nicht richtig vor, zu gehen ohne mich wenigstens so zu verabschieden. Ich hoffe dir und Brenda, Jorge und die anderen Lichter geht es soweit gut und ihr seid nach Denver gekommen. Bitte lasst euch diese Implantate rausnehmen, ANGST kann euch wirklich steuern, so haben sie mich und alle anderen zum Beispiel denken lassen, ich wäre ein Crank, dabei war ich immun, so wie ihr auch. Ach, Klonk, das hätte ich nicht schreiben sollen...
Auf jeden Fall tut es mir leid, falls du das hier doch lesen solltest, aber für mich gab es keinen anderen Ausweg. Es wäre naiv zu denken euch wieder zu finden und selbst wenn, dann wäre Cassy nicht dabei. Sie hat sich umgebracht und das ist meine Schuld.
Ich werd damit einfach nicht fertig, ich kann den Gedanken an ein Leben ohne sie nicht ertragen.
Glaub mir, Strunk, es ist besser so.
Ich will dich jetzt auch gar nicht so voll labern, ich weiß genau was du davon hältst, du Neppdepp, aber DANKE!
Danke Minho, dass du immer für mich da warst, dass du mein Freund warst und zu mir gehalten hast!
Danke!
Ich liebe dich, du dummer alter Strunk.
Es tut mir leid, was ich dir alles angetan habe, aber
Pass auf dich auf Bruder.
Newt.

Ich legte die Nachricht neben meine Füße, dann beugte ich mich noch ein letztes mal über Cassy und berührte ihre Lippen. Ihr Geruch von Blumen und Freiheit schwebte noch ganz leicht, eigentlich kaum wahrnehmbar in der Luft. Ich zog ihn durch die Nase ein und schloss die Augen. Für einen Moment erinnerte ich mich an unsere gemeinsame Zeit, sie war der Grund gewesen, warum ich nicht aufgegeben hatte. Schon einmal hatte ich versucht mir das Leben zu nehmen, im Labyrinth. Damals war ich von einer Mauer gesprungen und durch einen dummen Zufall gerettet, seitdem hinkte ich mit dem einen Bein. Aber nachdem Cassy aufgetaucht war hatte ich keinen einzigen Gedanken mehr daran verschwendet. Sie hatte mir gezeigt, was es hieß richtig zu leben und dafür war ich ihr dankbar. Sie war meine Stütze gewesen, doch jetzt wo sie weg war, krachte ich ein. Ich konnte nicht ohne sie leben. Also nahm ich die Pistole, die sie zuerst auf mich gehalten hatte und danach aber auf sich geschossen hatte. Sie fühlte sich rau an, als wüsste sie genau, was sie alles anstellen könnte. Meine eine Hand verschränkte ich mit ihren Fingern, mit der anderen drückte ich die Pistole an meinen Kopf.  Meine Lippen zitterten und meine Zähme klapperten aufeinander. Ein wenig Angst hatte ich schon, aber der Gedanke dort oben wieder mit ihr und auch Tommy und Chuck vereint zu sein, erleichterte mir mein Vorgehen. "Danke Gott, für die tollsten Freunde der Welt!", murmelte ich. Bis jetzt hatte ich nie wirklich an einen Gott geglaubt, aber wenn man bei ihm aufgenommen werden wollte, war ein Dankeschön nicht zu viel erwartet.
Festentschlossen umklammerte ich den Griff und führte meinen Finger zum Abzug.
Dann drückte auch ich ab.

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