2. Kapitel

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Ich hatte die Augen geschlossen, doch die Sonnenstrahlen kitzelten weiter meine Nase. Sie waren hartnäckig und leuchteten nun über mein gesamtes Gesicht, als wollten sie unbedingt, dass ich aufwachte. Vorsichtig öffnete ich ein Auge, danach das zweite. Verstohlen sah ich mich um. Ich lag in einem Bett an einer Wand, mir gegenüber im Raum stand ein Tisch und ein Stuhl. Sie waren aus Holz, sowie auch das gesamte restliche Zimmer. Ich musste mehrmals blinzeln bevor ich erkannte, dass auf dem Tisch kleine Fläschchen und ein Teller mit essen standen. Just in dem moment begann mein Magen zu Knurren. Eine Gestalt, die auf dem Stuhl saß drehte sich zu mir. Ich zuckte zusammen, wie hatte ich sie übersehen können? Es war ein großer Junge mit dunklem Haar und einem Grinsen auf den Lippen. Seine Zähne waren gelblich und er kam meiner Meinung nach ein wenig zu schnell auf mich zu. Ich schrie kurz auf und drängte mich an die wand des Bettes. Der Junge hob beschwichtigend die Hände. "Hey, ich tu dir nichts! Warte kurz, ich hole Newt!", mit den Worten rannte er aus dem Raum. Ich zitterte. Keine Ahnung warum, aber ich fühlte mich nicht wohl hier. Es erschien mir nicht sicher hier. Die Leere in meinem Bauch, die nichts mit meinem Hunger, sondern eher einem unguten Gefühl zu tun hatte, bestärkte meine Angst und im nächsten Moment wurde mir auch bewusst warum sie da war. Mein Gedächtnis war weg. Wie ausgelöscht. Ich schnappte nach Luft. Wo war ich hier? Wer war dieser Typ? Wer war ich? Ein Schluchzer entfuhr mir. Ich musste hier weg! Ich würde keine Sekunde länger hier bleiben. Wer weiß, wer diese Jungen hier waren und was sie mit mir vorhatten?! Ich schlug die Bettdecke hoch und sprang auf. Keine gute Idee. Mein Kreislauf war völlig im Arsch. Egal, ich musste mich beeilen. Blindlings stolperte ich auf die Tür zu. Leider lief ich zuerst gegen den Rahmen und stieß mir meine linken Zehen und meinen Kopf an. Scheiße. Was für eine verdammte Scheiße. Mit Tränen in den Augen stolperte ich aus dem Zimmer in einen Flur und genau in die Arme von einem der Jungen. Ich sah in sein überraschtes Gesicht und brachte ihn zum straucheln. Er konnte sich allerdings noch rechtzeitig halten und packte auch mich an den Schultern, bevor ich hinfiel. Ich sah in sein recht hübsches Gesicht, in die braunen, schokoladigen Augen. Seine blonden Haare standen in alle Richtungen und ein paar Strähnen fielen in sein Gesicht. Aufeinmal überkam mich das große verlangen sie ihm aus dem Weg zu streichen und nur seine Starken Arme, die meine Schultern immer noch fest hielten, verhinderten das. Seine Lippen, die übrigens perfekt geschwungen waren verzogen sich zu einem Grinsen. "Hoppla.", sagte er, reichlich spät. Wow. Na der Typ war echt... heiß. "Das ist sie. Ich glaub ich hab sie ein wenig verschreckt." Die stimme des Typen mit den gelben Zähnen holte mich wieder in die Realität und erinnerte mich an mein Vorhaben. Weg von hier! Also riss ich mich von dem hübschen Jungen los und stolperte einen Schritt nach hinten. Weiter kam ich jedoch nicht, da sich hinter mir eine große Hand schwer auf meine Schulter legte und die andere auf meinen Rücken. Sie hielt mich nicht sehr fest, doch ich wusste, dass ich mich nicht losreißen konnte. Der Typ mit den gelben Zähnen stellte sich nach links, in die Richtung in die der Flur führte, da rechts von mir eine Sackgasse war und vor mir stand der hübsche Junge. Ich war also eingekesselt. "Hey, wir sind die guten. Wir tun dir nichts!", sagte eine tiefe Stimme hinter mir. "Wenn ich dich jetzt loslasse, versprichst du mir nicht wegzulaufen?" Ich nickte etwas verängstigt. Sanft nahm er seine Hände von mir und noch bevor einer der Jungen reagieren konnte hechtete ich an ihnen vorbei, rempelte den gelbzahnigen Typ an und raste den Flur entlang. Ich sah eine Treppe und hatte schon die erste Stufe betreten, bis die Jungen aus ihrer starre erwachten und mir hinterher liefen. Ich rannte die Treppe hinunter, und steuerte auf die nächste Tür zu. Als ich sie Aufriss strahlte mir grüne Wiese entgegen und einige Jungen sahen zu mir hinüber. Bevor jedoch einer von ihnen über meinen Anblick lange nach denken konnte rannte ich um die Ecke hinter das Holzhaus oder eher der Holzhütte aus der ich gerade gekommen war. Nun lief ich auf viele Bäume, vermutlich einen kleinen Wald zu, indem ich mich mit ein wenig Glück versteckten konnte. Ich wagte einen Blick hinter mich und sah mit schrecken, dass zwei der Jungen deutlich aufgeholt hatten. Bald würden sie mich erreicht haben. Und dann fiel ich. Ich stolperte über eine dicke Wurzel und schlug der Länge nach auf den Boden. Zum Glück konnte ich mit meinen Händen den Sturz größtenteils abfangen, doch trotzdem Schleifte mein Kinn noch ein Stück über den Boden und über viele kleine Steinchen, die sich in meine Haut bohrten. Augenblicklich setzte der Schmerz in meinem gesamten Körper, sowie pochende Kopfschmerzen ein. Scheiße. Schlitternd hielten meine beiden Verfolger neben mir. Der hübsche blonde hockte sich neben mich und strich mir eine orangene Strähne aus dem Gesicht um meine Schrammen zu begutachten. "Alles wird gut.", flüsterte er. Er half mir mich aufzusetzen. "Sie sieht ein wenig blass aus, findest du nicht?", fragte der andere Junge nicht so leise wie er vielleicht dachte. Seine Haut war dunkel und sein Gesichtsausdruck in wenig besorgt. Vorsichtig legte der blonde seine Hand auf meine Stirn und Sofort durchfuhr mich ein kribbeln. Er schüttelte den Kopf. "Fieber hat sie jedenfalls keins mehr." "Dann lass sie uns zurück bringen, wir können im Gehöft reden." Er stand auf und machte Anstalten zu gehen. "Ich bin Newt.", sagte der hübsche Junge. "Glaubst du, dass du gehen kannst?" Ich wusste, dass ich meine Chance vergeudet hatte, ich saß hier fest, umzingelt von ein paar jungen. Also nickte ich. Vorsichtig richtete ich mich auf, doch als ich einen Schritt machte, versagte mein rechter Knöchel und ich wäre wieder gefallen, hätte Newt mich nicht aufgefangen. "Ich stürz dich!", sagte er sanft. Gemeinsam humpelten wir wieder im Richtung Bruchbude. "Das hier ist die Lichtung." Erklärte Newt als wir über die Wiese und dem anderen jungen hinterher  liefen. "Es sieht auf den ersten Blick nicht ganz einladend aus, aber man gewöhnt sich dran!" Er lächelte. Oh Gott. Sein Lächeln war wunderschön. "Die Mauern da hinten sind Tore. Sie führen ins Labyrinth, dass du- und das ist Regel Nummer 1- nie betrittst." Er war auf einmal ernst geworden. Zum ersten Mal seit ich aufgewacht war, fand ich meine Stimme. "Warum nicht?" Es war eine dumme frage, da ich auch nicht vor hatte ein Labyrinth zu betreten, aber es kam mir vor als müsste ich eine Frage stellen. "Da drin lauert der Tod.", erklärte Newt bloß. Als würde mir das als Antwort reichen, aber vorerst würde ich mich damit wohl begnügen müssen. Newt führte mich wieder in die Bruchbude und deutete an, dass wir wieder die Treppe hoch mussten. Ich seufzte. Mein knöchel tat so schön höllisch weh, ohne eine Treppe hoch zu humpeln. Newt bemerkte mein Unbehagen und kurzerhand umfasste er meine Taille und meine Kniebeuge und trug mich wie ein kleines Kind die Treppe hinauf. Ich wurde rot und anfangs war es mir auch wirklich unangenehm, doch kurz bevor wir oben waren, hatte sich das kribbeln in meinem ganzen Körper ein wenig beruhigt und ich genoss seine Nähe. Er hatte Warme große Hände, in denen ich mich sicher fühlte. Sein Geruch hing mir noch lange nach unserer Begegnung in der Nase, eine Mischung aus Erde und Garten, aber auch aus Männlichkeit und Freiheit. Obwohl Freiheit hier sicherlich sehr begrenzt war, eine grüne Fläche, drum herum Mauern und ein Labyrinth.
"Newt, du bist jetzt der Boss hier, weil Alby naja... du weißt schon. Sei nicht zu nett mit ihr und erklär ihr die Vorschriften.",
"Hier gibt es Regeln!", begann Newt betont ernst. "Regel 1!", er hielt einen Finger hoch. "Betritt niemals, unter keinen Umständen das Labyrinth! Die Griewer würden dich töten!" "Und wenn sie das aus irgendwelchen Gründen nicht tun, tun wir es!", ergänzte der andere Junge, fing sich dafür aber einen vernichtenden Blick von Newt ein. "Komm mal wieder runter, Jeff. Sie ist gerade erst aus dem Koma aufgewacht, willst du sie gleich noch mehr verschrecken?" Was meinte er mit Koma? Hatte ich so lange geschlafen? Jeff nickte und atmete ein paar mal tief ein und aus. "Tut mir leid.", murmelte er und setzte sich auf einen der Stühle. "Newt, ich überlass dir das reden, ich dachte nur, weil du mich gebeten hattest dich zu unterstützen und zu helfen, dass..." "Schon gut du Strunk." Newt grinste. Auch er nahm sich einen Stuhl und bedeutete mir, mich aufs Bett zu setzten. "Also, willst du uns vielleicht erst einmal deinen Namen verraten?" Ich überlegte kurz. Und da war er. Warum wusste ich meinen Namen aber nicht wie alt ich war oder wo ich her kam? "Ich weiß, so geht es uns allen. Wir kommen mit der Box hoch und wissen nichts. Nur unsern Namen lassen die Schöpfer uns!" "Wer sind die Schöpfer?", fragte ich. Er lachte. Ein tiefes, angenehmes lachen. "Na, die Leute die uns hier her geschickt haben." Ich nickte. "Ich bin Cassandra!" "Hübscher Name." Ein Kribbeln breitete sich in meinem Bauch aus. "Also, ich weiß du hast viele Fragen. Die haben wir alle, wenn wir hier ankommen und die meisten haben wir immer noch nicht beantwortet, obwohl wir jetzt fast schon seit 2 Jahre hier sind." Newt machte ein nachdenkliches Gesicht, das auch eine Spur von Trauer enthielt. Doch im nächsten Moment schüttelte er den Kopf, als wollte er seine düstern Gedanken vertreiben und erzählte weiter. "Wir leben hier auf der Lichtung und wir sind die Lichter. So um die 50 Jungen." "Leben hier auch Mädchen? Ich hab glaub ich noch keins gesehen?" Newt schüttelte den Kopf. Komisch dann war ich also die einzige... "Nur wir, tut mir leid.", doch ich sah, wie er versuchte ein Schmunzeln zu unterdrücken. "Jeder der Lichter hat einen Beruf, Schlitzer, baumeister, schwapper, naja alles was halt so getan werden muss. Die Lichter werden von den Hütern, den Leitern der jeweiligen Arbeit ausgebildet." Er sah mir tief in die Augen und ich nickte leicht, um ihm zu zeigen, dass ich verstanden hatte. "Du wärst sicher eine gute Läuferin.", murmelte Jeff von hinten. "Sie ist noch nicht soweit, außerdem ist sie ein.. naja ein Mädchen.", sagte Newt bestimmt. "Ja ich weiß, schon gut." Ich sah die beiden verwirrt an. Läufer? Was machten die und warum konnte ich es nicht nicht sein nur weil ich ein Mädchen war? "Ich sag dir mal was, Newt. Warum sollte ich irgendwas nicht machen können nur weil ich ein Mädchen bin?", fragte ich aufgebracht. Newt sah mich überrascht an. Es tat mir leid, den hübschen Jungen anzuschreien, doch eine Beleidigung gegenüber Mädchen wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. "Ich will eine Läuferin werden! Und weißt du warum, einfach weil ich dir zeigen will, dass das auch Mädchen machen können. Es gibt nichts auf der Welt, gar nichts, dass wir nicht tun können nur weil wir Mädchen sind!", ich redete mich richtig in Rage und war selbst ein wenig überrascht über den ganzen Redefluss aus meinem Mund. Die Worte waren mir schon über die Lippen gekommen, bevor ich darüber überhaupt hatte nachdenken können. Newt erhob sich von seinem Stuhl. "Mach mal halblang, Kleine. Du hast nicht die geringste Ahnung, was da draußen lauert, wie viele Strünke dort schon ihr Leben gelassen haben!" "Hey, Beruhigt euch wieder, ihr beide!" Jeffs Blick streifte mich, blieb aber an Newt hängen. "Tut mir leid.", sagte dieser betreten. "Es nur so, du hast keine Ahnung von den Griewern und allem was da draußen schon passiert ist.", sagte er und schaute mir dabei tief in die Augen. Ich nickte. "Mir tut es auch leid, dass ich... äh so voreilige Schlüsse gezogen hab. Und du hast Recht, ich habe keine Ahnung was da draußen in dem Labyrinth abgeht, aber ich würde es trotzdem gerne selbst sehen. Verstehen was so grausam ist und ob wir es irgendwie besiegen können. Ich möchte nur helfen!" Newt schüttelte traurig den Kopf. "Das ist wirklich.... nett von dir, aber wir haben Leute, die jeden Tag da draußen ihr Leben riskieren, um Antworten zu finden. Wir müssen nicht auch noch dein Leben in Gefahr bringen." Newt kam einen Schritt auf mich zu und stand jetzt kurz vor mir, sodass ich meinen Kopf in den Nacken legen musste um ihm in die Augen sehen zu können. "Es ist schon spät. Ich verspreche dir, wir reden morgen ganz in Ruhe noch einmal darüber und ich werd dir alles erklären. Jetzt ist schon wirklich spät und wir sollten schlafen gehen. Es war bestimmt ein ziemlich merkwürdiger Tag für dich." Ich sah zu einem der Fenster. Tatsächlich, der Himmel hatte sich verdunkelt und einzelne Sterne blitzten bereits auf. Wann war es so schnell dunkel geworden? "Komm mit, Cassy. Ich zeig dir wo du schlafen kannst." Bei dem Spitznamen, den er mir gerade gegeben hatte, begannen die Schmetterlinge in meinem Bauch wieder auf und ab zu fliegen und eine wohlige Wärme breitete sich in mir aus. Newt brachte mich nach draußen, wo auch die anderen Lichter ihre Schlafplätze hatten. Ich hätte auch drinnen im Bett schlafen können, aber ich wollte über Nacht nicht alleine sein. Ich bekam einen Schlafsack und legte ihn neben Newt. Ganz zufällig natürlich. Auch wenn wir schon eine kleine Auseinandersetzung gehabt hatten, war er mir mehr als sympathisch. Er verteidigte seine Meinung, wurde aber nicht arrogant. Als ich meine Augen geschlossen hatte, konnte ich endlich ein wenig versuchen meine Gedanken zu ordnen. Ich war ohne meine Erinnerungen von irgendwelchen Schöpfern auf eine Lichtung voller Jungen geschickt worden, die sich selbst als Lichter bezeichneten. Newt war anscheinend ihr Anführer, obwohl Jeff noch eine Anspielung auf einen Jungen namens Alby gemacht hatte. Morgen musste ich unbedingt hinterfragen, was es mit ihm auf sich hatte. Außerdem hatte Newt mich gewarnt nicht die Lichtung zu verlassen, da sich hinter den Toren der Mauern ein Labyrinth verbarg, in dem irgendwelche Monster mit dem komischen Namen Griewer lebten. Die ganzen Information musste ich erst einmal verarbeiten und es dauerte noch eine ganze Weile, bis  sich der Schlaf und mit ihm die ruhige Dunkelheit und friedliche Stille über mich gelegt hatten...

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