21. Kapitel

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag Newt neben mir und schlief. Vorsichtig erhob ich mich und ging an den kleinen Tisch, der sich in dem sonst fast kahlen Raum befand. Auf ihm stand ein Glas gefüllt mit Wasser und auf einem Teller lagen  zwei Brote. Gierig machte ich mich darüber her, mein Hunger siegte über meine traurigen Gedanken und die Vorstellung, dass Tom und Chuck das gleiche verdient hätten.

Plötzlich ertönten schreie von draußen. Ich trat ans Fenster, schreckte aber gleich darauf wieder zurück. Vor einer grauen Betonfläche standen circa sechs Zombie ähnliche Leute. Ihre Gesichter waren Blut verschmiert, ihre Körperteile standen in merkwürdigen Winkeln ab und sie schrieen wie Wilde. Aber das schlimmste waren ihre verrückten Blicke, die unkontrolliert hin und her schweiften.

Eine Frau kam kreischend auf mich zu gerannt und klammerte sich an die Gitterstäbe, die Gottseidank vor dem Fenster angebracht worden waren. "Ich werd euch umbringen!", schrie sie. "Was ist denn hier los?", fragte Newt, der hinter mich getreten war verdutzt. Ich wich einen Schritt zurück. "Ich hab keine Ahnung!", erwiderte ich. "Ich bin ein Crank, das sind wir alle. Und ihr werdet es früher oder später auch sein. Es sei denn ich BRING EUCH UM UM UM UM UM UM UM!", kreischte sie.

Newt schüttelte sich und schob mich in Richtung Tür. "Lass uns die anderen suchen und beratschlagen, was wir jetzt tun sollen!" Ich nickte, dankbar dafür, dass er wieder die Führung Übernahm. Aber als wir die Tür meines Zimmers öffneten erwartete uns die nächste böse Überraschung. Von der Decke hingen lauter lebloser Körper. Ich schrie auf. "Was ist das?!" "Leichen.", erklärte Newt überflüssigerweise.

"Und was machen die hier?" Ich drückte mich an die Wand. Ein leises "abhängen", konnte er sich nicht verkneifen. "Wir müssen die anderen finden!", wiederholte Newt seine eigenen Worte.
"Du willst da durch gehen? Die hängen auf dem ganzen Gang!" Newt zuckte bloß mit den Schultern und griff nach meiner Hand. Zögernd folgte ich ihm, aber gut darauf bedacht nur durch den Mund zu atmen und nichts zu berühren.

Wir irrten ein wenig zwischen den Leichen hindurch, bis wir eine Tür fanden und Newt die Klinke hinunter drückte. Im Gegensatz zu dem Gang der fast komplett dunkel gewesen war, leuchtete uns das Licht im Raum förmlich ins Gesicht. "Na ihr Turteltauben, auch wieder da?", fragte Minho, doch ich konnte die Erleichterung in seinem Gesicht erkennen. Normalerweise hätte er noch einen dummen Spruch gerissen, aber die Ereignisse des letzten Abend hatten auch ihn ziemlich mitgenommen.

War es erst einen Abend her, dass Chuck und Tom von uns gegangen waren? Mir kam es schon wie eine Ewigkeit vor...
"Ihr glaubt nicht was wir gerade gesehen haben!", begann Newt und erzählte von den sogenannten Cranks und den Leichen im Gang.

Auf einmal unterbrach ihn ein ohrenbetäubendes Signal. Wir hielten uns die Ohren zu, doch es dauerte einige Minuten, bis es wieder verstummte. Verwirrt sahen wir uns an. "Was war das?", fragte ich, aber ich erhielt keine Antwort. Die anderen Lichter wussten natürlich ebensowenig wie ich über dieses Versteck oder die Schöpfer Bescheid. "Ich hab keine Ahnung, aber wie wäre es, wenn wir mal raus gehen und jemanden suchen würden, der uns helfen und ein bisschen aufklären kann?", schlug Minho vor. Wir waren alle einverstanden.

Aber als wir hinaus auf den Flur traten, war von den Leichen nichts zu sehen. "Und ihr seit euch sicher, dass hier welche hingen?", fragte Minho. Newt und ich sahen uns verdutzt, aber auch ein wenig geschockt an. "Ja, ganz sicher." "Hmmm", gab Minho von sich. Ich lief auf mein Zimmer zu und drückte es auf. Es war aufgeräumt, das Essen war weg, mein Bett gemacht und die Fenster mit Backsteinen verriegelt. Mir klappte der Mund auf. In der kurzen Zeit des Alarms musste irgendwer hier alles auf Hochglanz gebracht haben.

"Irgendjemand war hier.", murmelte Newt. "Ja, schon klar. Aber wer?" Er zuckte mit den Schultern. Das war seltsam.
Gemeinsam gingen wir zurück in den Schlafraum der Jungen. Ich setzte mich neben Newt auf sein Bett und lehnte mich an ihn, als mir plötzlich ein schwarzer Schriftzug ins Auge fiel.

"Was machst du da?", fragte er, während ich den Saum seines Tshirts ein wenig nach unten zog. "Du hast da ein Tattoo, war das schon immer da?" Panisch schüttelte er den Kopf. Ich fuhr mit meinem Finger darüber, doch es verwischte nicht. Es war echt. "Lass mich mal sehen!" Minho war aufgestanden und kam zu uns hinüber.

"Du Strunk, wann haben die dir denn das gemacht?" "Ich hab keine Ahnung! Was ist es denn?" Newt drehte sich und versuchte einen Blick darauf zu erhaschen, aber ohne Erfolg. "Der Kleber!", murmelte ich. Newt sah mich fragend an. "Da steht: Eigentum von ANGST, Gruppe A, Proband A-5, der Kleber." Newt rannte ins Badezimmer um es selber im Spiegel zu sehen, da es sich aber hinten an seinem Nacken befand hatte er keine Chance.

"Was haben die mit ihm gemacht?", fragte Minho nachdenklich und drehte sich in Richtung Newt. Ich keuchte. "Du hast auch eins, Minho!" Er blickte mich ein wenig angstvoll an. "Was steht da?" "Genau wie bei Newt: Eigentum von ANGST, Gruppe A. Dann aber: Proband A-7, der Anführer." Minho runzelte die Stirn. "Was soll das denn schon wieder bedeuten? Newt ist der Anführer!" Bei den Worten kam Newt aus dem Badezimmer.

"Bei dir steht 'der Anführer'?", fragte er. Minho nickte. Auf einmal wuselten alle Lichter umher und lasen gegenseitig die Schriftzüge auf ihren Nacken. "Minho, was steht bei mir?", fragte ich und drehte mich um. "Eigentum von ANGST, Gruppe A, Proband A-3, die Zuflucht." Ich sah in verwirrt an. Die Zuflucht? Wie langweilig. Aber was hatte es zu bedeuten. Das alle zu mir kommen konnten oder was?

Langsam kehrte wieder Ruhe ein, die Lichter saßen verteilt auf Betten und unterhielten sich leise. Um die Mittagszeit bekam ich wieder Hunger, doch wir konnten nirgendwo etwas auftreiben. Sogar am Abend mussten wir ohne essen ins Bett gehen. Die Tür des Schlafraums der Jungen war verschlossen worden und so legte ich mich neben Newt in sein Bett, es war genug Platz für uns beide.
Seine Nähe bewirkte wirklich Wunder, denn am nächsten Tag wachte ich auf, ohne einen einzigen Alptraum gehabt zu haben.

Dafür hatte ich umso größeren Hunger, aber die Tür war immer noch verschlossen und in dem Zimmer gab es nichts Essbares. Die Leere, die seit dem Tod meiner beiden Freunde um meinem Herzen gelegen hatte, fühlte ich nun auch in meinem Bauch. Es war, als wäre mein gesamter Körper einfach leergefegt worden, weg mit den Gefühlen und weg mit dem satten Empfinden.

Den ganzen Tag über lag ich in Newts Bett, starrte an die Decke, dachte über den Tod nach und bewegte mich höchstens für ein paar schlucke Wasser ins Badezimmer. Ich sprach nicht viel und war mehr mit meinen Gedanken beschäftigt, die immer lauter zu werden schienen. Wieder verfiel ich der Trübsinnigkeit und der Leere in meinem Herzen.

Da die Fenster zugemauert worden waren, konnten wir nicht sehen, ob es Morgen oder Abend war, ich schlief einfach irgendwann ein.
Aber auch der nächste Morgen war nicht besser. Wir hatten immer noch kein Essen und der Hunger wurde immer schlimmer. Mein Magen murrte und zog sich zusammen. Keiner von uns bewegte sich viel. Ich starrte an die Decke, weinte leise oder schlief. Daraus bestanden meine letzten drei Tage.

Die Vorstellung einfach einzuschlafen und am nächsten Morgen nicht mehr aufzuwachen erschien mir immer schöner und willkommener. "Cassy!" Newt rüttelte an meiner Schulter. Mühsam öffnete ich die Augen und drehte mich mit einem Stöhnen zu ihm um. "Hmm?" "Ich hab was für dich!" Er hielt mir einen Apfel vors Gesicht. Ich konnte die Frische riechen, die von ihm ausging und das Wasser lief mir im Mund zusammen. Schnell nahm ich ihn und hatte ihn im Nu verschlungen.

"Nicht so schnell!", riet er mir. Ich wusste, dass alles wieder hochkommen könnte wenn ich zu schnell aß, aber das war mir egal. "Wo hast du den her?" Ich brauchte unbedingt noch einen. "Die Tür war auf und draußen ist ein ganzen Buffett aufgestellt!" So schnell, wie ich es mir selber nicht zugetraut hatte, war ich aufgesprungen und mit Newt hinaus gelaufen. Als ich den riesigen Tisch entdeckte auf dem sich das Essen nur so stapelte, kehrte für einen kurzen Moment das warme Gefühl in mich zurück.

Schnell setzte ich mich zu den anderen Lichtern und nahm noch einen Apfel. Danach eine Scheibe Brot, ein Steak, ein Keks und dazu eiskaltes Wasser. So erfüllt hatte ich mich schon seit langem nicht mehr gefühlt. Aber mit dem Essen kam auch wieder ein wenig Schmerz. Tom und Chuck hätten es ebenso verdient ein solches Festessen zu genießen. Eine Träne lief mir die Wange hinunter. Verstohlen wischte ich sie weg, bevor sie jemand bemerken konnte.

In dieser Nacht schlief ich wie ein Stein. Zwar ein Stein mit keinen schönen Träumen, aber ich war so satt gewesen, dass ich einfach ins Bett gekippt war. Geschrien und geweint hatte ich zum Glück nicht, nur in der Nacht war ich einmal kurz aufgewacht, aber Newt hatte mich beruhigt und ich war wieder eingeschlafen.

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