Es vergingen viele Stunden, in denen ich eine kleine lederne Tasche mit Lebensmitteln, unter anderem auch Lembras und Äpfel für meine Stute, meinen Umhang, welcher für jede Wetterlage nützlich war, und meine Waffen eingepackt hatte. Nun saß ich mit meinem Vater bei einem stillschweigenden Abendessen. Es war schon ungewöhnlich, dass er überhaupt zum Abendmahl erschienen war, doch dass er schwieg, machte die Sache noch auffallender, denn normalerweise erkundigte sich der König am Tisch über meinen Tagesablauf und erzählte mir von dem Hergang seines Tages. Womöglich wusste er von mir alles schon durch seine vielen Wachen, die mich scheinbar den ganzen Tag beschattet hatten...
So verging das stille und unangenehme Abendbrot und nachdem mein Vater aufgegessen hatte und sich mit einem Nicken zu einem der Diener erhob, verschwand er mit raschen und lauten Schritten aus dem Saal. Konnte er sich nicht einmal von mir verabschieden und mir eine angenehme Nachtruhe wünschen? Hatten meine nächtlichen Ausflüge etwa die sonst so liebevolle Verbindung zwischen uns zerstört?
Niedergeschlagen stand ich von dem gepolsterten Stuhl auf und lief mit langsamen Schritten auf den belebten Flur. Dort standen schon zwei muskulöse Wachen, welche mir mit einem kleinen Abstand folgten. Seufzend machte ich mich auf den Weg in mein Gemach, welches zwei Stockwerke über diesem lag. An der Tür wartete schon die Wache der letzten Tage auf mich, welche mich kurz anlächelte und sich mit einem raschen Nicken von den anderen beiden Wachen verabschiedete, dann schob er mich sanft an der Schulter in den großen Raum und schloss hinter uns die Tür. Ich fühlte mich wie eine Gefangene, nur eine mit gewissen Vorzügen. Ich musste nicht im Kerker schmoren,sondern lebte im königlichen Trakt. Ich bekam mehr als genug zu Essen und war immer angemessen gekleidet. Ich war wie ein Schatz, den der König vor dem Rest der Welt abschirmte.
Nachdem ich mich in meinem Waschbereich mit meinem Schlafgewand angekleidet hatte und mich kurz etwas wusch, sank ich erschöpft in die weichen Daunenkissen meines Bettes. Halòen stand wieder neben meiner Tür und beobachtete mich mit einem besorgten Gesichtsausdruck. Ich hoffte, dass er mir nachdem ich meinen Plan umgesetzt hatte, verzeihen konnte. Hoffentlich bekam er nach meiner Flucht keinen großen Ärger, denn mein Vater konnte, wenn es um mich ging, schnell angriffslustig werden.
Nach kurzer Zeit erhob ich mich elegant vom meiner gemütlichen Schlafstätte und schritt mit einem aufgesetzten Lächeln auf den Schrank neben der Tür zu. Diesen öffnete ich auf einer Seite und nahm zwei Becher und eine bräunliche Flasche heraus. Mit diesen Gegenständen ging ich zu meinem großen Tisch und befüllte die Gefäße, mit dem Rücken zu der Wache, mit der rötlichen Flüssigkeit. In den einen gab ich aber noch ein paar Tropfen aus einer grünlichen Ampulle, welche ich schnell wieder in meinem Kleid verschwinden ließ. In dieser befand sich ein sehr wirkungsvolles Schlafmittel. Dieses Extrakt hatte ich von unserem alten Heiler erhalten, welchen ich vorhin wegen Schlaflosigkeit aufgesucht hatte.
Mit einer schwungvollen Drehung lief ich auf den großen Mann zu, welcher mich mit einem misstrauischen Gesichtsausdruck beäugte. Dann drückte ich ihm einen der beiden Bechern, den mit der besonderen Tinktur, in die Hand und hob meinen gen Himmel.
"Trinkt mit mir auf den König!", forderte ich ihn auf. Bei den Wachen der Tränenelben galt dieser Spruch gleich einem Versprechen an meinen Vater. Sie gelobten ewige Treue und durchgehende Bereitschaft ihren Herrscher und seine Familie zu schützen und zu ehren. Wer diesen Ausruf nicht erwiderte, dem wurde seine Loyalität gegenüber dem König angezweifelt und ihm konnte es geschehen, dass er die Bezeichnung als Wache verlor.
Mit diesen Worten setzte ich den hölzernen Becher an meine Lippen und wartete auf die Reaktion von Halòen. Der zuerst recht verwirrte Elb hob sein Getränk. "Auf den König!", und somit trank er wenige Momente nach mir von dem trockenen Wein.
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Die Tränenprinzessin - Herr der Ringe FF
FanfictionLòreen. Eine Elbenprinzessin aus dem Tränenwald. Tränenelben. Das älteste und weiseste Volk der Elben. Legenden über sie geraten immer mehr in Vergessenheit. Verborgen vor ganz Mittelerde lebt dieses kleine Volk in den Tiefen des Waldes an der äuße...