~Vierundzwanzigstes Kapitel~

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Die Nacht verging nur schleppend und die herrschende Stille hatte mich fast umgebracht, aber nun erstrahlten am weit entfernten Horizont die ersten rot schimmernden Sonnenstrahlen und durchbrachen die kalte Dunkelheit. Langsam schlichen sie sich über die dunklen Ebenen und erreichten den mächtigen Wald Lothloriens. Ich saß auf einem breiten Ast auf der Spitze eines durchwachsenen Baumes und genoss die letzten ruhigen Minuten. In nur kurzer Zeit müsste eine junge Elbin vor meiner Tür stehen und mich zum reichen Essen mit dem Herrscherpaar des Waldes bringen. Ich fand diese Zusammenkunft schon seit meiner Ankunft unnötig, nur Lady Galadriel bestand auf ein königliches Frühstück für mich und meinen Bruder, welcher aber dort nie auftauchte. Mich erinnerte es nur an mein zerstörtes Zuhause, welches jetzt alleine und verlassen mitten im Tränenwald thronte.

Lautlos kletterte ich den feuchten und rutschigen Baumstamm hinunter und ließ mich die letzten Meter fallen.
Kein einziges Geräusch verriet mich und so huschte ich wie ein unsichtbarer Schatten durch den erwachenden Wald. Keine Wache sah oder konnte mich auch nur erahnen. Die langen Gänge und die vielen geschwungenen Treppen Lothloriens waren verlassen und still. Sonst herrschte hier immer reges Treiben...
Nach kurzer Zeit war ich in meinem Zimmer angekommen und schloss leise die schwere Holztür hinter mir.
Es brannten noch immer die Kerzen vom Anbruch der Nacht, welche wahrscheinlich eine der Elben, die mir zugeteilt waren, angezündet hatte.

Seufzend ließ ich mich auf mein Bett fallen. Gedanklich war ich wieder einmal bei meinen Gefährten, Legolas und Gimli, und hoffte, dass es ihnen gut ginge und sie bald hier auftauchen würden.
Jetzt krochen auch schon die ersten Sonnenstrahlen in mein Zimmer und tanzten durch das Buntglas in vielen Farben auf dem dunklen Holzboden.

Ich beobachtete das bunte Tanzspiel lange, wurde aber von einem zaghaften Klopfen an der Tür unterbrochen.
Nachdem ich ein 'Herein' gerufen hatte, öffnete eine junge Elbin, sie hatte sich mir am Anfang mit dem Namen Naŕa vorgestellt, die Tür und trat herein. Schüchtern lächelte sie mich an und deutete einen Knicks an. Dann sprach sie wie jeden Morgen: "Guten Morgen Prinzessin, haben Sie gut geschlafen? Was kann ich Ihnen zum Essen bringen? Wünschen sie etwas besonderes beim Ankleiden?"
Auch wenn ich es ihr schon gewiss hunderte Male gesagt hatte, dass sie mich mit meinem Vornamen ansprechen solle und ich meine morgendliche Routine alleine hinbekommen würde, weigerte sie sich, mir morgens von der Seite zu weichen und bestand auf die höfliche Anrede.

Mit einem gequälten Lächeln und einem großen Seufzer überließ ich Naŕa, welche nun glücklich lächelte, weil ich dieses Mal nicht widersprochen hatte, die Macht über mich. Zugleich machte sie sich ans Werk und drückte mich auf einen der ungemütlichen Stühle am Tisch. Mit einer borstigen Bürste durchkämmte sie mein langes Haar. Anschließend durfte ich mich kurz Waschen und dann wurde mir schon beim Ankleiden geholfen. Mühselig schlüpfte ich in das am Oberkörper hautenge bodenlange Kleid, welches im Licht silbern schimmerte. War heute irgend ein besonderer Anlass? Fragend blickte ich zu der stürmischen Elbin hinüber, welche gerade mit eine unglaublichen Tempo die unendlich vielen Knöpfe an meinem Rücken schloss. Diese nickte nur wissend und die sonst so schüchterne Elbin verkniff sich ein Lachen.

"Habt ihr es wirklich vergessen? Herrin Galadriel empfängt heute wichtigen Besuch von Elladan und Elrohi, den Söhnen Elronds, welcher wegen der momentanen Lage nicht selbst kommen konnte. Die beiden Elbenfürsten werden mit Frau Galadriel, Herr Celeborn und noch einigen wichtigen Elben über die Verteidigung der Elbenvölker reden und wie man sich auf den kommenden Krieg vorbereiten kann. Herrin Galadriel hat euch vor einigen Tagen zu diesem Rat eingeladen und in nur wenigen Stunden beginnt dieser."

Ich hatte dieses wichtige Ereignis wirklich vergessen... Elrohi hatte ich in Bruchtal schon flüchtig kennen gelernt. Er war ein freundlicher und aufgeschlossener Elb, welcher stark und attraktiv aussah. Aber keiner kam an Legolas heran! Und schon wieder dachte ich an den blonden Elben, von welchem ich immer noch kein Lebenszeichen erhalten hatte.

Die Tränenprinzessin - Herr der Ringe FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt