14. (don't) forget

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Freitag. Die Lehrstunde über das eigene Element. Während Mrs. Wada über das Erhitzen redet, achte ich nur auf den Himmel. Aus dem Fenster sehe ich zwar nur einen kleinen Teil, aber genug um die grauen Wolken zu sehen. Typisches Herbstwetter. Düster und kalt. Ich spüre wie meine Hände wieder anfangen zu zittern und verstecke sie schnell in meinen Jackentaschen. Die ganze Woche habe ich schon diese Anfälle. Mrs. Wada bemerkte meinen, wie sie sagte, „negativen Zustand" und entschloss sich, mich nicht zur Verteidigung zu schicken. Also hatte ich noch mehr Zeit mich alleine zu fühlen. Aber was beschwer' ich mich? Ich habe zwei Stunden weniger als die Anderen.

Ich habe mich entschlossen mit niemandem mehr zu sprechen. Ich habe alle von mir gestoßen. Zwar haben vor allem Era und Tierra versucht mich aufzumuntern, haben es aber nach 3 Tagen aufgegeben, als ich sie nur noch ignoriert habe. So ist es leichter für alle. Sie müssen sich nicht mit einer kaputten Hülle umgeben und ich muss mich nicht an verlorene Freunde erinnern. Dachte ich...aber meine Alpträume sind so schlimm geworden, dass ich jede Nacht aufschreie und Brenton wecke. Jedes Mal werde ich von Tommy oder Claire angeschrien, beleidigt, verprügelt und verachtet. Und jedes Mal wache ich zitternd auf, dass Brenton mich meistens einige Minuten beruhigen muss. Trotzdem hat sich unser Verhältnis nicht geändert. Er ist zwar nett und...man könnte sagen fürsorglich, wenn ich jede Nacht meine Zusammenbrüche habe. Aber dann setzt er wieder seine Maske auf. Er wird unfreundlich, kalt. Er lächelt nie und schaut alle mit einem verachtenden Blick an. Auch dieser Waldjunge versuchte irgendwie Kontakt mit mir zu knüpfen. Zwar hab' ich ihm ebenfalls nicht geantwortet, doch merke ich, dass er mich immer noch beobachtet. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe, schaut er mich an. Brenton und er sind so das Duo, das mich immer anstarrt.

„Naida, hörst du mir zu?", reißt mich Mrs. Wada aus meinen Gedanken.

„Nein.", antworte ich ehrlich und schaue weiter nach unten.

Erstens, weil ich nicht in ihre Augen schauen will. Aber auch, weil mein Aussehen sich so verschlechtert hat, dass ich das niemandem antun will. Ich habe inzwischen große, dunkle Ringe unter den Augen bekommen. Meine Haut ist blass und meine Augen haben einen gräulichen Ton bekommen, weil die Farbe verblasst ist.

„Und wieso?", hackt sie weiter nach.

„Weil ich das nicht wissen will."

Ich weiß ich bin harsch. Beziehungsweise, ich bin ehrlich. Wieso sollte ich lügen und sagen „Ja, ich habe zugehört!" und dann werde ich etwas gefragt und kann nicht antworten.
Ich höre wie sich Mrs. Wada an den Tisch setzt.

„Du weißt, dass du mir alles anvertrauen kannst?"

Soll ich das wirklich beantworten?

„Irgendwann musst du damit klar kommen und musst auch den richtigen Unterricht besuchen. Es wird nicht besser, wenn du dich abkapselst.", meint sie.

Ich antworte immer noch nicht. Woher soll sie wissen was besser für mich ist??

„Und was hast du dieses Wochenende vor?"

„Sie wollen nicht wirklich Smalltalk mit mir führen??", sage ich und verschränke meine Arme vor der Brust.

„Eigentlich schon. Aber gut, du bist ja nicht in der Stimmung. Ich habe dir einen großen Gefallen getan. Ab Montag gehst du zum richtigen Unterricht. Und jetzt kannst du gehen.", erklärt sie mir und winkt zur Tür.

Unbeeindruckt ziehe ich meine Kapuze auf und mache mich auf den Weg nach draußen. Mal schauen wohin mich mein Weg führt. Als ich draußen ankomme, spüre ich leichten Nieselregen und bleibe kurz stehen. Sanft prasselt der Regen auf meine Haut. Es ist sehr angenehm, wenn ich ehrlich bin. Genauso angenehm wie zu rauchen. Bei diesem Stichwort krame ich eine Zigarette aus meiner Hosentasche und zünde sie an. Am Dienstag fand ich einen kleinen Shop in der Akademie, wo Kleinigkeiten und eben Zigaretten abgegeben werden. Also habe ich auf jeden Fall einen Vorrat.

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