Langsam kam Norlan wieder zu Bewusstsein. Eine völlige Dunkelheit erwartete ihn. Er spürte, wie er auf etwas Weichem lag und tastet es ab. Ein Bett! War er endlich zu Hause? Alles nur ein Traum? Hoffnungsvoll versuchte Norlan nach seinem Wecker zu greifen. Nichts. Egal, er wollte aufstehen, um zu aller erst seine Zimmerlampe anzumachen. Krampfhaft schrie er auf. Sein rechtes Bein tat höllisch weh. In der Dunkelheit ertastete er einen Verband um seinen gesamten Oberschenkel und spürte erst jetzt wie grauenvoll der Schmerz der Wunde war.
Schnell wurde ihm klar, er war nicht zu Hause. Er war immer noch in dieser verdammten Welt gefangen. Das konnte kein Traum sein. Diese ganze Misere, die er erlebt hatte, war real. Inständig hoffte er, es würde nicht so sein. Von seinen Gedanken abgelenkt, bemerkte Norlan gar nicht wie sich langsam die Tür öffnete.
Ein wenig Licht trat in den Raum und er konnte nur eine dunkle Gestalt erkennen, die langsam in das Zimmer trat und die Gardinen aufriss: „So, na dann steh mal auf, du Sonderling." Es zeigte sich eine junge Frau in glänzend weißer Rüstung und edler Montur. Norlan war sprachlos. Sie hatte ein so hübsches Gesicht mit Sommersprossen und dazu noch lange hellrote Haare, die sich über ihre Schultern und Rücken der Rüstung legten.
Ihre eisblauen Augen guckten ihn verdutzt an: „...Ist irgendwas oder warum glotzt du so?" fragte sie Norlan, der jedoch immer noch kein Wort raus bekam und sie immer noch anstarrte.
Er bemerkte, dass sie noch etwas in ihren Händen hielt und blickte darauf: „Ähm...ich soll dir diese Sachen hier bringen. Zieh sie an und komm aus dem Zimmer wenn du soweit bist. Da du ja so schwach bist, hab ich dir noch ein paar Krücken mitgebracht. Ich warte draußen auf dem Flur auf dich und ach ja, mach schnell, ich hab Hunger." sagte sie ihm, legte die Sachen auf das Ende des Bettes und schmiss die Krücken gleich hinterher. Danach ging sie, ohne ein weiteres Wort, aus dem Raum und schloss die Tür.
Norlan schaute ihr nach und erkannte ihre schmächtige Statur. Noch nie hatte er ein so schönes Mädchen gesehen. Sie wirkte in ihrer Rüstung so anmutig und selbstbewusst. Das komplette Gegenteil von ihm. Sein Herz fing stark an zu pochen. Was war das? Dieses Gefühl hatte er davor sein ganzes Leben lang nicht verspürt.
Ihre groben Worte vergaß er schnell und wendete sich nun den Sachen zu, die sie ihm hingelegt hatte. Es war schlichte Kleidung. Ein dünner brauner Pullover, eine schwarze Hose, dessen Material sich, wie das einer normalen Stoffhose anfühlte und ein paar ebenfalls schwarzer Socken.
„Oh Mann Norlan, du solltest mal duschen gehen." sagte er zu sich selbst nachdem er seinen eigenen, nicht gerade angenehmen Körpergeruch vernahm und zog sich seiner vollgebluteten, dreckigen Kleider vom Leib. Die neue Hose zog er sich ganz vorsichtig über die Beine, um unnötigen Schmerz zu vermeiden. Endlich fertig angezogen, nahm er die etwas schäbigen Holzkrücken in die Hand und versuchte sich aufzurappeln. Langsam aber sicher stand Norlan mit kleinen Schmerzen auf und lehnte sich auf die Krücken.
Da er sich noch nie etwas gebrochen oder dergleichen hatte, war er im Umgang mit Krücken nicht wirklich geübt und musste sich daher erst mal an die Holzgestelle gewöhnen. Er versuchte mit angewinkeltem Bein an das andere Ende des Zimmers zur Tür zu kommen. Ein Leichtes, im Vergleich dazu, die Überwindung aufzubringen mit dem Mädchen zu reden. Mit zittrigen Armen schaffte es Norlan schließlich den Dreh mit den Krücken rauszuhaben und gelangte schließlich zur Tür.
Nur mit Mühe konnte er die Tür öffnen und erblickte einen langen Flur mit rotem Teppich und ausgestattet mit Kerzen und einigen Gemälden an den Wänden. Als er nach links schaute, sah er wieder das Mädchen und auch wieder begann sein Herz wie wild zu pochen. Wenn er Glück hatte, war sie in seinem Alter. Aber das hatte er für gewöhnlich nie oder sie war schon vergeben.
„Na, da kommt er ja endlich. Hast dir wohl reichlich Zeit gelassen, was?" entgegnete sie seinem Erscheinen. Ohne Worte ging er zu ihr an das Ende des Flurs. Was sollte er nun tun? Sie nach ihrem Namen fragen? Sie begrüßen? Norlan schwitzte förmlich vor Aufregung. Bei ihr angekommen, nahm er seinen ganzen Mut zusammen, aber gerade als er etwas sagen wollte, sprach sie zu ihm: „Traust du dich gar nicht zu reden? Naja, wie dem auch sei, mein Name ist Fina. Es freut mich nicht gerade dich zu sehen, weil ich mich extra, wegen dir die Treppen hochquälen musste, aber nimm's als Kompliment, dass du noch lebst." Sie streckte ihm die Hand aus. Dankend nahm Norlan an und schüttelte ihre Hand: „Ähm, mein Name ist Norlan Bricks und danke nochmal, dass Sie mir die Sachen gebracht haben."
„Oh bitte, hör auf mich zu siezen. Sieh ich aus, wie eine alte Frau oder was?"
„Was, nein natürlich nicht, entschuldigen Si...entschuldige Fina."
„Besser. Und jetzt komm endlich mit runter, mein Vater möchte dich sprechen."
Nickend ging Norlan langsam die Stufen einer schmalen Wendetreppe hinunter, während Fina genervt schon gefühlt etliche Minuten auf ihn unten wartete. Endlich unten angekommen, führte sie ihn durch einen weiteren, größeren Flur bis zu einer pompösen Doppeltür, verziert mit goldenem Relief. Sie gingen hindurch und was Norlan erwartete war ein riesiger Thronsaal mit allerlei vergoldeten Sachen. Die steinernden Säulen, die Kronleuchter an der Decke, die Ränder der glänzend weißen Fliesen auf dem Boden. Alles schien aus Gold oder mit rotem Samt besteckt. Lediglich ein paar schwarz-blaue Banner mit einer Chimäre als Wappensymbol schmückten die kahlen Wände. Eine ganze Reihe von königlichen Wachen beobachteten die beiden, während sie über den großen, roten Teppich zum Thron vortraten. Der Thron war prachtvoll und ebenfalls aus Gold und darüber hing ein gigantisches Gemälde mit einem älteren Mann, der in Königsmontur dort abgebildet war. Derselbe Mann erwartete die beiden wartend auf seinem goldenen Thron.
Mit einer schwungvollen Geste begrüßte Fina den alten, aber prunkvoll gekleideten König: „Hallo, Vater ich habe dir deinen kleinen Gast mitgebracht."
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Kylak's War
FantasyDas Schicksal einer Welt liegt im Herzen eines Helden ~ Der Krieg verwandelt das einst so schöne Reich Dyarach voller Magie, fremdartigen Kreaturen und ungeahnten Möglichkeiten in ein Schlachtfeld voller Elend, Blut und Tod. Als Auserwählter einer P...