Kapitel 18: Schatten

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„War es wirklich eine so gute Idee zu den Assassinen zu reiten?...Und das alleine?" fragte Norlan unsicher und kratzte sich am Kopf. Er und der Rest der königlichen Garde waren nun schon seit einem Tag unterwegs in Richtung Westen. Zwischen der Festung Rose im Osten und der Festung Shina im Westen des Landes, sollte das Lager einer Söldnergruppe, den Assassinen, liegen. Viel hatte er noch nicht von ihnen gehört, doch wusste er, dass diese Auftragsmörder wahre Meister in der Kunst der Tarnung waren. Hoffentlich würde er nicht noch gegen sie kämpfen müssen.

„Wenn Xobar mit dem Andarkha nun auch noch Leichen kontrollieren kann, sind wir auf ihre Unterstützung angewiesen, aber sie dulden keine Armeen in ihrem Territorium. Sie würden ohne zu zögern angreifen." antwortete Anna auf ihrem Pferd neben Norlan und lächelte ihn an „Die Assassinen mögen zwar noch lange nicht so viele Männer haben wie wir, aber sie sind dennoch hervorragende Kämpfer!"

Lucius nickte, doch war ihm die Sache alles andere, als geheuer: „Das stimmt, trotzdem müssen wir vorsichtig sein. Auch, wenn sie eigentlich dem königlichen Hause keinen Schaden zufügen dürfen, sind sie überaus gefährlich."

„Wie, sie dürfen nicht?" fragte Norlan nach.

„Ihr Kodex verbietet es ihnen. Schwer zu glauben, doch auch Söldner, wie sie haben Ehre. Als ich über diese Entscheidung nachdachte, ihre Hilfe in Kauf zu nehmen, vergaß ich völlig ihre Gesetze. Ich war zu engstirnig." sagte Lucius und blickte freudlos nach vorn.

Norlan war sich immer noch nicht sicher, ob es gut war ein paar bestechlichen Leuten Anteil an dem Schicksal Dyarachs zu lassen. Noch mehr wunderte ihn Lucius' schnelles Umdenken über die Situation. Hatte er doch ein schlechtes Gewissen wegen Anna? Oder einfach das Positive an der Sache gesehen? Er würde es wahrscheinlich nie erfahren.

„Also ich halte von diesem ganzen Stamm nichts." gähnte Isaac und lehnte sich auf seinem Sattel zurück. Insgeheim war ihm aber gar nicht wohl dabei, Anna mitgenommen zu haben, doch er versuchte sich gelassen zu zeigen: „Es sind nur Söldner und wenn wir auch nur einen Moment nicht aufpassen-"

„Nein, das wird nicht passieren!" unterbrach Anna ihn.

„Warum denkst du denn, es wäre nicht so?" fragte Fina als Letzte im kleinen Trupp.

„Na, weil-"

„Wir sind da!" rief Wilhelm, als sie vor einem großen Wall aus lauter Bäumen standen. Er deutete auf einen kleinen Pfad, welcher immer weiter in dem dunklen Grün des Waldes versank. Auf dem feuchten Waldboden führten die Hufe ihrer Pferde sie immer tiefer in die Welt der Insekten und Kriechtiere. Es ähnelte schon fast einem Dschungel für Norlans Verhältnisse, nur, dass er noch nie zuvor einen betrat.

Es raschelte aus den verschiedenen Gebüschen und Baumwipfeln am Rande des schmalen Pfades, als würden sie noch nicht nervös genug sein. Isaac blickte nach oben und beobachtete die Flingos, welche aufgeregt von Baum zu Baum hüpften. Die haarlosen Äffchen hatten Angst, sie flüchteten. Nur wovor?

„Leute, ich hab' hier ein ganz ungutes Gefühl." sagte er noch nach oben blickend. Konzentriert entdeckte er einige Schatten, welche lebendig schienen, sich bewegten. Doch es waren keine Flingos, sie waren größer, fast unsichtbar beobachteten sie die Reitenden.

Das Rauschen eines Flusses jedoch ließ die Zweifel vorübergehend vergessen. Auf dem schmalen Weg war Wilhelm der Erste in der Reihe, der seine Kameraden an einen breiten Fluss mit tosender Strömung führte: „Der Hon. Hier müssen wir wohl zu Fuß weiter." Er zeigte auf eine Hängebrücke. Die Pferde würden keinesfalls darauf passen, also banden sie die Tiere an vereinzelten Bäumen an und überquerten einer nach dem anderen den wackeligen Übergang von einem Ufer zum anderen.

Norlan ging als Vorletzter. Wenn sie Wilhelm aushalten konnte, so wäre sein Gewicht sicher kein Problem, hoffte er. Er brauchte beide Arme, um sich an den Seilen festzuhalten und setzte seinen Helm auf. Auch, wenn er noch vor einigen Tagen in dem glasklaren Wasser des Hons eintauchen wollte, so war ihm jetzt nicht mehr danach. Die Flutwellen sausten im meterhohen Abgrund über die Steine des gradlinigen Flusses hinweg. Nur ein Fehltritt und er würde dort unten mitgerissen werden oder gar ertrinken. Doch ihm gelang es, mehr oder weniger geschickt, sicher auf die andere Seite zu gelangen.

Nun blieb nur noch Anna als Letzte übrig. Die ganze Zeit hatte sie sich davor gescheut auf solcher Höhe über ein ungesichertes Konstrukt aus simplen Holzlatten und Seilen zu gehen. Sie zögerte beim ersten Schritt auf das ächzende Holz, sie hatte Angst.

„Komm Anna, du schaffst das!" feuerte Norlan sie an.

Nach langem hin und her, tat sie nun die ersten Schritte auf der Brücke. Trotz ihres leichten Gewichts, bewegte sich die Brücke ein wenig nach unten, je näher sie der Mitte kam.

„Jetzt nicht runter schauen. Jetzt nicht runter schauen." murmelte sie zu sich selbst, während unter ihr das Wasser raste und versuchte ihr Blickfeld nur auf Norlan zu beschränken. Aber es dauerte nicht lang, da hatte sie auch schon mehr als die Hälfte des wankenden Weges hinter sich. Nebenbei fiel ihr auf, dass sich etwas auf die anderen zu bewegte. Es waren die Schatten, die Isaac gesehen hatte.

Was ihr jedoch nicht auffiel, war das langsam rutschende Erdreich unter den Stützpfählen des Ufers, von wo sie gekommen waren. Es kam, wie es kommen musste. Die Erde rutschte in den Hon und riss die lange Hängebrücke mit sich.

„Scheiße, Anna LAUF!" rief Norlan zu ihr. Anna bemerkte die Gefahr und lief zwei Schritte eher sie von dem herab krachenden Gerüst sprang und Norlans Arm gerade so zu fassen kriegte. Voller Adrenalin waren beide froh den anderen festgehalten und zu haben.

„Zieh mich hoch, verdammt!" schrie sie ihn an, worauf Norlan sie erleichtert nach oben zog.

„Wer seid ihr?" fragte ein vermummter Mann mit sechs Begleitern und drohendem Säbel die Krieger. Anna und Norlan erwartete gleich der nächste Schock, denn sie hatten gar nicht bemerkt, wie die Männer sie umzingelt hatten, im Rücken das tosende Wasser des gewaltigen Flusses.

Lucius stand, im Gegensatz zu den anderen, die ihre Waffen bereits reflexartig gezogen hatten, mit erhobenen Händen da: „Ich bin Lucius von Dyarach, Sohn des großen König Zoandrak von Dyarach. Wir erbitten um euer Erhör, eines womöglichen Bündnisses unserer Streitkräfte."

Der Vermummte stand Lucius gegenüber und schaute ihn auf Augenhöhe verdutzt an. Seine schmalen Augen begutachteten den Prinzen, strahlten jedoch Zweifel aus. Aufmerksam blickte er über die Schulterrüstung zu der keuchenden Magierin rüber. Seine Augen wurden plötzlich groß: „Anna?!"

Anna erkannte diese vertraute Stimme: „Karej?!"

Kylak's WarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt