„Nein, das kommt nicht infrage!" sagte Lucius streng.
„Wenn wir diesen Krieg gewinnen wollen, müssen wir auf sie zählen können!" versuchte Anna ihn zu überzeugen.
Doch der Prinz blieb stur: „Anna, das sind Söldner! Sie haben...", er musste einmal schlucken, „Sie haben ihn umgebracht!"
„D-Das weißt du doch nicht, wir haben absolut keine Beweise dafür, wer es war!"
„Schluss jetzt, ich will nichts mehr davon hören! Geht, ich muss mir einen neuen Plan ausdenken." befahl er erschöpft.
Wütend verließ Anna den Raum des Majors, gefolgt von dem schweigenden Wilhelm und Fina. Erwartungsvoll warteten Isaac und Norlan vor der büroartigen Einrichtung. Noch gepanzert in ihren Rüstungen standen die beiden von der hölzernen Wartebank des Ganges auf: „Und?" fragte Norlan.
„Nein, er ist total dagegen." seufzte Anna.
Fina verschränkte ihre Arme: „Tja, den Assassinen Vertrauen zu schenken, ist für mich auch mehr, als nur fragwürdig."
„Es geht aber nicht anders!" schrie Anna „Wenn wir gegen Xobar eine Chance haben wollen, brauchen wir ihre Hilfe!"
Eine Stille füllte den Gang. Mit geballten Fäusten stampfte Anna schließlich durch die Gruppe: „Ach, lasst mich doch alle in Ruhe!"
Ihre hellblauen Haare verschwanden hinter einer Ecke des breiten Ganges. Norlan wusste, er würde ihr womöglich nicht helfen können, doch wollte er ihr in großem Abstand folgen und mit ihr reden. Bevor er jedoch nur einen Schritt machen konnte, zuckte er durch Finas Hand zusammen, welche ihn fest bei der Schulter packte: „Lass mich das erledigen."
Schweigend ließ Norlan sich mit dem Helm unter seinem Arm auf die Bank nieder. Es würde eh nichts bringen sich Fina entgegenzusetzen und sowieso hatte sie eine viel bessere Beziehung zu Anna, als er. Schnellen Schrittes ging Fina daraufhin den Flur entlang, hoffend Anna noch irgendwie einholen zu können. Nachdem sie ebenfalls um besagte Ecke verschwunden war, schaute Isaac zu seinen verbleibenden zwei Kameraden: „Und was machen wir jetzt..?"
Norlan und Wilhelm zuckten nur mit den Schultern.
Fina erkannte indessen Anna an ihren auffälligen Haaren zur Tür nach draußen gehend. Eilig hastete sie zu ihr, im Gedanken versunken, wie sie ein Gespräch anfangen sollte. Blind merkte sie gar nicht, wie aus einem Nebengang zwei Ritter ihr die Laufbahn versperrten, bis sie mit einem von ihnen zusammenkrachte. Taumelnd ging sie ein paar Schritte zurück. Dieser Typ hätte doch wenigstens mal gucken können, dachte sie sich.
„T-Tut mir Leid, Milady, ich-"
„Jaja, aus dem Weg!" schubste sie ihn beiseite. Genervt blickte sie auf die geschlossene Tür am Ende des Ganges, wo eben noch blaue Haare schimmerten. Sie war weg. Schnell lief Fina zur Tür und riss sie auf. Ein Tumult herrschte auf dem Innenhof der Festung. Ritter begleiteten Schwerverletzte und versuchten ihnen zu helfen oder stapelten ihre leblosen Körper auf und verbrannten sie. Die Schreie von Verwundeten, der Baulärm der ersten Reparaturarbeiten, das Klimpern der Rüstungen und Waffen, alles war erfüllt von Nervosität und Hektik. Die Menge ähnelte dem Marktgetreibe jeden zweiten Wochentages zu Hause, mit dem Unterschied, dass hier gefühlt ein dutzendfach mehr Menschen waren.
Achtsam versuchte sie nach der kleinen Magierin Ausschau zu halten. Bei den ganzen schwarz-blauen Rüstungen, war es jedoch relativ leicht sie ausfindig zu machen. Ihr weißes Gewand stach in der Masse regelrecht heraus, doch schien sie weiter weg zu sein als gedacht. Fina drängelte sich mühsam durch die Horden, teils verletzten, Soldaten.
„Bleib doch endlich stehen, verdammt." brummte sie ungeduldig. Die Leute bremsten sie aus, so käme sie nicht schnell genug voran. Irgendwie musste sie auf sich aufmerksam machen.
„Anna, warte mal bitte!" rief Fina im Lärm der aufgeregten Masse, die ihre Stimme sicher verschluckt hätte. Doch Anna sah sie kurz aus dem Augenwinkel, tat aber so, als hätte sie nichts gehört und ging weiter durch die Menschenmenge.
Der weiße Schemen tauchte langsam unter die Fittiche umherziehender Soldaten. Fina musste sich beeilen, ehe es zu spät war und sie sie verlor. Nach langem Gedrängel erreichte sie endlich einen etwas ruhigeren Bereich des Hofes. Diese Festung war viel zu klein für eine ganze Armee, so viel stand für sie fest.
Mit suchendem Blick schaute sie sich um. Ihre Augen wanderten zu einem Turm, bei dem sie hätte schwören können, eben noch etwas Blaues hinter der Holztür gesehen zu haben, bevor sie zuging. Sie zögerte nicht lange und trat an die Tür des kleinen, bisher unbeschädigten, Pulverturms, der als kleines Waffenlager fungierte.
Die Tür ließ sich leicht öffnen, wenn auch knarrend. Innen war es dunkel, doch das grelle Tageslicht erhellte ein wenig das Erdgeschoss. Nichts außer einigen Klingen und Stein. Eine steile Treppe führte als einziger Weg nach oben zur nächsten und wahrscheinlich letzten Ebene des kleinen Turms.
Fina schlug die Tür hinter sich zu, der Lärm verstummte schlagartig. Abgesehen von dem mittelmäßig starken Murmeln der Menge, war es hier viel Leiser als draußen. Kurz entspannte sie sie sich und genoss die Befreiung ihrer Ohren von diesem fürchterlichen Lärm. Von oben konnte sie ein leises Wimmern hören, welches ihre Aufmerksamkeit weckte. Vorsichtig trat sie die Treppe nach oben. Durch das einfallende Licht einiger Schießscharten des Turmes, konnte sie erkennen wem das Wimmern gehörte. Zögerlich näherte sie sich dem weinenden Mädchen: „Anna?"
„Lass mich in Ruhe." flennte sie, kauernd mit dem Rücken zur Wand.
Fina ging bedächtig einen Schritt nach dem anderen zu ihr: „He, ähm...du brauchst doch nicht traurig zu sein." Innerlich schlug sie sich selbst für diesen Satz.
„Ich weine nicht." log Anna.
„Ähm, ich kann dich ja verstehen, aber weißt du-"
„Nein kannst du nicht!", Annas violette Augen blickten verzweifelt in Finas, „Niemand von euch versteht mich! Ihr seid alle total erwachsen, dürft alles, aber wenn ICH kämpfen will oder irgendetwas in der Art, bin ich wieder das kleine Mädchen, was von allen beschützt werden muss, weil ich ja so klein bin!"
Fina wusste nicht, wie sie antworten sollte. Anna stand aus ihrer hockenden Haltung auf und stand ihr gegenüber. Schluchzend imitierte sie Stimmen: „Du darfst nicht kämpfen, du bist noch viel zu jung! Anna, du bleibst genau hinter uns! Nein, ich nehme die Hilfe der Assassinen nicht an, obwohl sie unser Reich retten könnte, blablabla!"
Sie ging auf Fina zu, packte sie auf Zehenspitzen an den Schultern und blickte von unten tief in ihre verängstigten Augen: „Fina, ich. Will. Kämpfen. Ich bin mehr, als nur ein kleines Mädchen! Bitte..." eine weitere Träne kullerte ihre Wange herunter „Lasst es mich euch beweisen!"
Geschockt stand Fina vor ihr. So hatte sie Anna noch nie erlebt. Ihre ganzen Gefühle, ihre ganze Wut, hatte sie nie nach außen gezeigt. Sie erinnerte sie an sich selbst. Sofortig beugte sie sich nach vorne und nahm Anna fest in den Arm: „Du bist eine von uns...sei tapfer." flüsterte sie.
Diesmal dachte Anna nicht nach. Sie genoss es, endlich die Last ihrer Wut von sich geworfen zu haben. Sie hatte Angst vor dem arroganten Lachen der Anderen, wenn sie es vor ihnen sagen würde, doch Fina war bei ihr und verstand sie, nahm sie ernst. Hoffentlich würde sie jetzt auch von den Anderen ernster genommen werden.
Allmählich beruhigte sie sich, atmete tief durch. Die Tränen waren getrocknet und Fina stand erleichtert vor ihr. Die Treppe hinunter sahen die beiden Licht hervorquellen und die Tür halb auf. Mit der Hand auf der Klinke erwartete Lucius die beiden: „Da seid ihr ja. Tut mir leid, ich habe dich nur gesucht Anna und wollte nicht stören, die Soldaten sagten mir ihr wärt hier. Ich wollte dir nur sagen, dass wir morgen zu den Assassinen aufbrechen. Macht euch also bereit, falls ihr...kämpfen müsst." Er grinste Anna zu.
Die Magierin flüsterte: „Danke..." und verlor wieder ein paar Tränen. Doch diesmal weinte sie vor Freude.
DU LIEST GERADE
Kylak's War
FantasyDas Schicksal einer Welt liegt im Herzen eines Helden ~ Der Krieg verwandelt das einst so schöne Reich Dyarach voller Magie, fremdartigen Kreaturen und ungeahnten Möglichkeiten in ein Schlachtfeld voller Elend, Blut und Tod. Als Auserwählter einer P...