Erschrocken wachte Norlan auf. Jedoch nicht in seinem Bett, sondern auf einer Wiese. Er konnte seinen Augen nicht trauen. Ängstlich setzte er sich auf und blickte sich um. Es schien helllichter Tag zu sein. Er saß auf einer großen Lichtung, die sich wohl über einen Hügel erstreckte und die Sonne schien ihm mitten in sein bleiches Gesicht. Der Hügel, auf dem sich die Lichtung befand, war groß genug um sich einen groben Überblick über das bewaldete Tal zu schaffen. Am Rande dessen ragten Berge empor, die sogar höher als die Wolken schienen und ein kleiner Fluss zog sich durch den Tiefpunkt des Tals.
Er sah Kreaturen, die er nie zuvor gesehen hatte, wie etwa fliegende, gelbe Vögel mit nur einem Fuß und zwei Köpfen, die auf der Wiese wohl nach Würmern pickten oder handgroße Käfer, die an ihm vorbeikrabbelten. Norlan rieb sich erneut die Augen. War das nur ein weiterer Traum oder die Wirklichkeit? Er zwickte sich einmal in die Wange. Das war kein Traum. Alles fühlte sich realer an als in seinem bisherigen Träumen und dann erinnerte er sich. Der schwarze Raum voller Nichts und der weiße Spalt, die Stimme und die unsichtbaren Kräfte. Waren sie dafür verantwortlich, dass er hier gelandet war? Wem gehörte die Stimme?
Schließlich rappelte er sich auf. Ihm fiel auch noch etwas in der Ferne auf. Es schien ein riesiges Schloss oder eine Burg zu sein auf der anderen Seite des Tals. Daraufhin drehte Norlan sich einmal im Kreis, um die Umgebung nach Häusern oder Ähnlichem abzusuchen. Das Ergebnis war ernüchternd. Außer der Burg war nichts zu sehen, wo man Zuflucht finden konnte, also wusste er, wenn er irgendwie nach Hause wollte, dann musste er schleunigst zur Burg kommen, bevor es dunkel wurde. So allzu fern schien die Burg ja nicht zu liegen, dachte er sich. Er wollte sich gerade zu dieser aufmachen, als er plötzlich eine tiefe Stimme rufen hörte: „ACHTUNG!"
Norlan zuckte zusammen und sah bloß, wie ein Pfeil direkt auf ihn zugeschossen kam. Mit blitzschnellen Reflexen, zog er seinen Kopf gerade noch rechtzeitig weg.
„Oh Gott, mein Lord, haben Sie etwa nicht gesehen, dass das ein Mensch und kein Tier war?!"
„Das...äh...war ein Versehen! Kann doch jedem mal passieren!"
Nach diesen Worten zeigten sich zwei Gestalten aus dem Schatten des Waldrandes und rannten direkt auf ihn zu: „Entschuldigen sie vielmals, der Herr. Geht es ihnen gut?" fragte ein etwas stämmiger, leicht mit Metall gepanzerter Mann, der dazu noch mittelalterliche Sachen und einen Umhang trug. Er kam ihm vor, wie einer dieser Leute die sich zu Festen oder ähnlichem, wie Menschen aus dem Mittelalter verkleideten. Norlan schwieg und begutachtete den jungen Mann. Er hatte mittellange, braune Haare, sein Gesicht war beinahe makellos und glatt rasiert, sein Aussehen schien gepflegt und edel zu sein. In der Hand hatte er noch den Bogen und einen Köcher voller Pfeile, welcher ihm hinter seiner rechten Schulter hervorragte. Doch Norlan war immer noch erstarrt von dem Schock, dass ein gottverdammter Pfeil fast sein Hirn durchbohrt hatte.
„Ähm...hallo, der Herr?" winkte der gut gekleidete Mann vor Norlans Augen und holte ihn somit aus seiner Trance: „Was? Oh, entschuldigen Sie ich...ach ja...SIE haben mir fast 'nen Pfeil in den Kopf gejagt! Sagen Sie mal, sind sie noch ganz?!"
Abrupt hörte er auf zu schreien, da er bemerkte, wie sich ein größerer, noch stämmigerer Mann mit tiefer Stimme zwischen den beiden drängte und ihn mit ausgestreckten Arm wegstieß: „Halt, was fällt dir Bauer, eigentlich ein so mit dem zukünftigen König von Dyarach zu sprechen?"
Norlan war verwundert und musterte erstmal den scheinbaren Leibwächter des gut gekleideten Herrn. Der breitschultrige Mann hatte einen roten Bart und eine Glatze. Die Mittagssonne ließ die Glatze in einem hellen Schein glänzen. Gepanzert in einer großen, versilberten Ritterrüstung und einem breiten Schwert am Gürtel stand er nun vor Norlan und blickte auf ihn herab. Er war ein echter Riese. Seine ganze Rüstung und Schwert strahlten geradezu in der warmen Strahlen der Sonne und Norlans Augen mussten darunter leiden. Solangsam wurde ihm immer mehr bewusst, dass diese Leute die Sache mit dem Mittelalter wohl ernst nahmen. Mit zugekniffenden Augen vor der Helligkeit entschuldigte er sich: „ E-Es tut mir Leid, ich wusste nicht, dass ich mit einem Adligen gesprochen habe und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?"
„Ich bin Wilhelm Eisenherz, Diener und Beschützer der königlichen Familie von Dyarach und darüber hinaus einer, der besten und furchterregendsten Ritter, des ganzen Landes und-"
„Ist ja gut, Wilhelm, er wird mir schon nicht weh tun. Guten Tag, mein Name ist Lucius und ich bin der Prinz dieses wunderbaren Reiches höchstpersönlich."
Lucius reichte Norlan die Hand, der dies nur zaghaft erwiderte: „Ähm, guten Tag mein Name ist Norlan. Norlan Bricks."
„Sehr erfreut. Mich wundert es, dass sie mich nicht kennen. Mein Gesicht kennt eigentlich jeder hierzulande."
„Ja, wissen Sie, ich bin eigentlich auch gar nicht von hier."
„Ach nein? Ich kenne kein anderes Land als Dyarach, weil es kein anderes gibt. Oder meinen sie etwa, dass sie aus Xobars Lager kommen?" Wilhelm legt seine Hand auf den Griff des Schwertes, jeden Moment bereit es zu ziehen.
„Aus wessen Lager? Nein, ich bin aus Furroday!"
„Furro...day? So eine Stadt gibt es hier weit und breit nicht. Was für Märchen wollen sie mir hier erzählen?"
Norlan wusste gar nicht, was los war: „Märchen? Nein, ich komme wirklich von dort!"
„Hören sie, es tut mir zwar Leid, dass ich sie fast getroffen hätte, aber sie können mir nicht erzählen, dass...warte mal...das kann nicht sein."
Lucius' Worte wurden immer langsamer und er blickte Norlan mit staunendem Gesicht in seine leuchtenden Augen.
„Entschuldigung, ist irgendwas?" fragte Norlan.
„Du bist nicht...du kannst nicht...kommen sie sofort mit! Ich erkläre ihnen gleich alles, aber wir müssen schnell zu meinem Vater!"
Mit diesem Satz, packte er ihn am Arm und zog ihn sich hinter her in den Wald, dicht gefolgt von Wilhelm, der jeden von Norlans Schritte genauestens beobachtete.
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Kylak's War
FantasyDas Schicksal einer Welt liegt im Herzen eines Helden ~ Der Krieg verwandelt das einst so schöne Reich Dyarach voller Magie, fremdartigen Kreaturen und ungeahnten Möglichkeiten in ein Schlachtfeld voller Elend, Blut und Tod. Als Auserwählter einer P...