Norlans Augen erblickten tiefes, dunkles Schwarz. Das Einzige, was er hörte waren lediglich ein paar leise Geräusche, welche in unregelmäßigen Abständen zu vernehmen waren. Mit beiden Händen klammerte er sich an sein solides Holzschwert, nur darauf wartend, dass sie zuschlug.
Die Minuten vergingen und seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Nun erkannte er wenigstens schwach die Umrisse einiger Bäume. Die Tatsache, dass jeden Moment etwas auf ihn zugesprungen kommen könnte, machte ihm weniger Angst, als die Tatsache, dass Fina ihm mal wieder mit ihrem Stab eine verpassen würde. Dies war nämlich Ziel des Trainings. Norlan sollte merken, wann Fina auf ihn zu kam und im richtigen Moment blocken, wenn nicht sogar kontern, was er aber noch nie geschafft hatte. Fina war schnell und leise. Das war Norlans Nachteil, vor allem zu so später Stunde, wie dieser und das Rascheln der Blätter in dem Wald, nicht weit weg von der Burg, wo sie trainierten, sorgte für jede Menge Ablenkung.
Ein leises Knacken weckte Norlans Aufmerksamkeit. Ein Zweig. Irgendwo hier müsste sie sein, dachte er sich und wendete seinen Kopf nach rechts. Noch bevor Norlan einen Schritt nach vorne machte, traf ihn was im Bauch. Sofort sackte er, wie ein Sandsack zusammen und fiel zu Boden.
„Was ist los Norlan? Steh auf und konzentrier' dich!" hörte er Finas stimmte aus der Dunkelheit hallen. Sie klang schon genauso wie Lucius. Schmerzend richtete Norlan sich wieder auf. Obwohl er sich, während der nun knapp sechs Monate, einen recht durchtrainierten Körper angeeignet hatte, taten ihre Schläge nicht weniger weh.
Er atmete einmal tief ein und aus. Der Schlüssel war Konzentration, das wusste Norlan. Er schloss die Augen und spitzte die Ohren. Ein schwacher Wind wehte und zog leicht an seinem braunen Oberteil. Langsam richtete er sein Schwert wieder nach vorne.
Plötzlich hörte er etwas. Schritte. Aber die waren viel zu schwerfällig für Finas schlanker Statur. Wenn er sich nicht irrte, waren es sogar vier Beine, die auf ihn zuliefen.
„Scheiße, Norlan pass auf!" hörte er Fina rufen, öffnete die Augen und sah links von ihm zwei hellgraue Augen, welche ihn direkt anblickten und immer näher kamen. Noch bevor er reagieren konnte, riss ihn eine Gestalt zur Seite und schubste ihn gegen einen Baum. Schnell entpuppte sich diese Gestalt als Fina: „Danke." sagte Norlan aufatmend.
„Hier, nehm das." sagte Fina und schmiss Norlan einen kleinen, länglichen Gegenstand zu. Obwohl er genau neben ihr stand, sah er nicht, was sie ihm gab. Es fühlte sich an wie ein Dolch! Ihr stets polierter Notfalldolch, den sie immer bei sich trug, falls sie ihren Kampfstab auf irgendeiner Weise verlieren sollte. Währenddessen schnaubte die Kreatur mit den grauen Augen vor sich hin und Blickte die beiden an. Norlan spürte richtig, wie die Angst ihm kalt den Rücken runter lief.
„Bleib ruhig, er kann deine Angst riechen." sagte Fina mit erschreckend gefasster Stimme. Norlan bemühte sich, sein Herz langsamer schlagen zu lassen, aber der Blick dieser unbekannten Bestie ließ ihn bis ins Mark erschaudern. Mit einem heulenden Schrei lief die Kreatur auf Fina und Norlan zu. Beide konnten noch rechtzeitig in entgegengesetzten Richtungen ausweichen und das Biest stieß mit dem Kopf gegen den Baum, der daraufhin stark wackelte. Somit hatten sie Zeit gewonnen.
„Norlan, mach' eine Lichtkugel, wie Anna dir's gezeigt hat!" rief Fina zu ihm. Sein Körper war voller Adrenalin. Mit zittrigen Händen formte er, trotz Dolch in der rechten Hand, gestikulierend eine Kugel und sprach hektisch den Zauberspruch, der nötig war, um den Lichtball erscheinen zu lassen. Langsam strahlten die ersten Lichtstrahlen aus der Mitte des entstehenden kleinen Balls. Was Norlan dennoch erblickte, ließ seine Angst nicht kleiner werden. Die Bestie schien auszusehen wie ein in silberner Tiger mit schwarzen Streifen und zwei Schwänzen. Dazu noch viel größer, als die Tiger, aus seiner Welt. Im Licht glänzten ihre geradezu messerscharfen Krallen. Langsam neigte sich ihr Kopf in seine Richtung und mit einem Schrei stieß Norlan den Lichtball zur Seite: „Zumae Liha!" sodass sie nun ein großes Gebiet erhellte.
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Kylak's War
FantasyDas Schicksal einer Welt liegt im Herzen eines Helden ~ Der Krieg verwandelt das einst so schöne Reich Dyarach voller Magie, fremdartigen Kreaturen und ungeahnten Möglichkeiten in ein Schlachtfeld voller Elend, Blut und Tod. Als Auserwählter einer P...