Fina stand entgeistert vor dem König: „D-Das ist doch ein Scherz?!"
Zoandrak blickte darauf erzürnt zu Fina: „Keine Widerrede, junge Dame!"
Während Finas Gesicht sich zu einem Ausdruck von Wut formte, drehte sich Lucius in Richtung Tor und musste vor Schadenfreude lachen: „Ha, tja Schwesterchen, denn wünsch ich dir mal viel Spaß mit-"
„Und du wirst ihr dabei helfen, mein Sohn." unterbrach Zoandrak ihn. Lucius drehte sich wieder zum König um: „Warte mal, was?!"
Nun wurde auch Wilhelm hellhörig und wusste, dass er Norlan bestimmt auch etwas beibringen sollte. Innerlich hoffte er, dass dies nur ein Scherz war. Er hatte immerhin besseres zu tun, als einen dahergelaufenen Knaben in die Kunst des Kampfes einzuweisen.
Zoandrak nickte: „Richtig, du wirst deiner Schwester helfen. Sagt den anderen auch noch Bescheid. Norlan, du wohnst ab sofort bei uns, in dem Zimmer, wo du heute erwacht bist, wenn du möchtest."
Norlan nahm das Angebot dankend an: „Natürlich, vielen Dank, Eure Hoheit."
„Gut. Also, wie gehabt: Bildet Norlan mit allen euren Kenntnissen aus. Macht ihn zu einem wahren Krieger und enttäuscht mich nicht!" Mit diesen Worten ging der König zurück zu seinem Thron, begleitend mit einer schweifenden Handbewegung. Lucius war verärgert: „Na toll und nun?" Er blickte Fina fragend an.
„Seufz...Jetzt bringe ich ihn erst mal zu Anna. Du holst Isaac und wir treffen uns denn alle auf dem Hof, verstanden?" befahl Fina ihrem Bruder, der daraufhin nickte und mit Wilhelm durch das Tor schritt. Norlan stand währenddessen einfach nur wortlos da. Es gingen ihm noch so viele Fragen durch den Kopf, sodass er zuerst gar nicht bemerkte, wie Fina ihn an seinen Ärmel zog: „Nun komm mit, Grünschnabel!" forderte sie ihn auf. Er fing sich wieder und ging auf seinen Krücken mit Fina durch das Tor, wodurch nun wieder die Wachen in den Thronsaal traten.
Er folgte ihr durch den großen Flur bis zu einer imposanten Eingangshalle voller Gold, Gemälden, Verzierungen und zwei großen Kronleuchtern an der Decke. Von ihr gingen zwei weitere Gänge nach links und rechts. Fina ging auf den linken Gang zu. Der Abstand zwischen Norlan und Fina vergrößerte sich derweil immer mehr und Norlan versuchte noch den Anschluss zu gewinnen. Wenigstens konnte er von dort aus einen unauffälligen Blick auf Finas Hintern werfen, dachte er sich. Die Wachen, die in ihren schwarz-blauen Rüstungen, wie festgefroren an den Rändern der Halle standen, verfolgten mit ihren kalten Augen jeden einzelnen von Norlans humpelnden, gestützten Schritten.
Als Fina am Gang ankam bemerkte sie die entstandene Entfernung zu Norlan: „Sag mal, soll ich dich tragen oder was? Mach schneller und wehe, du guckst mir noch einmal auf den Arsch, sonst geb' ich dir gleich einen echten Grund zum Humpeln!" schallte ihre Stimme durch die Halle. Sogar die Soldaten zuckten kurz unter ihren schweren Rüstungen zusammen.
Trotz dieser groben und nicht gerade freundlichen Aufforderung, gehorchte Norlan ihr, wenn auch mehr aus Angst statt Höflichkeit und ging schneller zum Gang. Dennoch fragte er sich, wie sie diesen Blick bemerken konnte.
Bei Fina angekommen, gingen die beiden durch einen breiten Flur, der bei einer dunklen Holztür endete. Norlan erblickte im Licht der Kerzen an den Wänden, eine kleine Aufschrift an der Tür, die den Namen Anna trug.
Fina griff seine Schulter und zog ihn an sich heran: „Hör zu, du fässt dort drin nichts an, verstanden?"
„Ja, geht klar." antwortete er. Fina klopfte an die Tür und öffnete sie. Ein Raum voller Bücher, wenn nicht sogar eine ganze Bibliothek offenbarte sich Norlan. In der Mitte des riesigen Raumes war ein hölzernes Podest mit königlichen Verzierungen, darüber eine leuchtende gelbe Kugel, die den ganzen Raum erhellte.
„Anna, ich bin's Fina! Wo bist du? Wir brauchen dich!" rief sie suchend. Eine hohe Stimme kam aus einer der verschachtelten Ecken mit Bücherregalen, des Raumes hervor: „Komme!"
Sie gingen in die Mitte des Raumes, nahe dem Podest. Auf einmal kam eine kleines Mädchen mit bleichem Gesicht und hellblauen Haaren aus einem der Gänge: „Hallo, Fina! Wen hast du mir denn da mitgebracht und warum ist er verletzt?" fragte das Mädchen, welches offensichtlich Anna war. Fina gab dem Mädchen in weiß-gelber Robe, die ihr anscheinend ein wenig zu groß war und leicht über den Boden schliff, die Hand: „Hallo, Anna. Das ist Norlan Bricks. Er ist ein-"
„Du bist ja ein Kylak! Naja genauer gesagt ein Halbkylak und vermutlich knapp nach der Teomohnsphose. Ihr Götter, dass ich mal einen von euch treffe, hätte ich nie gedacht!" unterbrach Anna sie. Norlan blickte nachdenklich: „Hallo, du bist wohl Anna aber was ist eine Teo-irgendwas-phose?"
Das Mädchen ging näher auf ihn zu, musterte ihn mit ihren violett glänzenden Augen und gab ihm die Hand: „Richtig, ich bin Anna, oberste Meistermagierin an der Seite von König Zoandrak von Dyarach. Du bist ein Kylak, weißt aber nicht was eine Teomohnsphose ist? Mann, dein Volk hat ganz schön nachgelassen... Die Teomohnsphose ist die Entwicklung eines Kylaks und vergleichbar mit der Pubertät, des Menschen, bloß, dass hierbei auch die wesentlichen Merkmale eines Kylaks, wie Reflexe, Instinkte oder das Aussehen, wie das Kreuz in deiner Iris, ausgebildet werden."
Norlan war erstaunt. Eine Meistermagierin? Sowas kannte er nur aus Büchern und Filmen. Aber, dass so ein kleines Kind, welches ihm der Größe nach nicht mal bis zur Schulter ging, Meistermagierin und gleichzeitig so schlau sein konnte, wollte er nicht glauben: „Du bist also eine Meistermagierin? Wie alt bist du? Elf?" fragte Norlan neugierig.
„Nein, zwölf Jahre, drei Monate und einundzwanzig Tage, um genau zu sein." grinste sie ihn mit erhobenen Zeigefinger an. Fina stand mit verschränkten Armen da und wurde mittlerweile ungeduldig: „Anna?"
„Ja?"
„Könntest du bitte jetzt zu aller erst Norlan heilen?"
„Aber natürlich, wo tut's denn weh?"
Norlan deutete auf seinen rechten Oberschenkel. Anna legte ihre Hand ganz vorsichtig über den Verband und sprach unverständliche Wörter und Silben, woraufhin ihre Hand grün zu leuchten begann. Ein noch nie gespürtes und komisches Gefühl überfiel Norlans rechten Oberschenkel, bis er auf einmal keine Schmerzen mehr fühlte.
„Na also, so gut wie neu!" sagte Anna fröhlich und nahm ihre Hand von seinem Bein. Norlan blieb die Sprache weg und entfernte wortlos den Verband. Keine Wunde, nicht ein Anzeichen mehr davon. Nein, nicht mal eine Narbe. Sogar wieder normal stehen konnte er! Er testete sein Bein, indem er versuchte normal zu gehen und auch Kniebeuge waren kein Problem. So schmiss er die Krücken auf den Boden, doch hob sie wegen des strengen Blickes von Fina wieder auf.
„W-Wie hast du..." fragte Norlan befangen.
„Na, Magie halt. Weißt du doch oder kommst du nicht von hier? Außerdem, ist deine Rasse nicht schon lange ausgestorben?" fragte Anna mit grübelnder Mine und stützte mit der Hand ihr Kinn.
Gerade als Norlan mit Reden ausholen wollte unterbrach ihn Fina wieder mal: „Erklären wir dir alles gleich, aber wir müssen jetzt auf den Hof. Es ist dringend."
Daraufhin nickte das Mädchen und sie gingen aus der riesigen Bibliothek. Bevor sie die Tür zu machte, schnippste Anna mit ihren Fingern, sodass die Lichtkugel ihren Schein verlor und erlosch.
DU LIEST GERADE
Kylak's War
FantasíaDas Schicksal einer Welt liegt im Herzen eines Helden ~ Der Krieg verwandelt das einst so schöne Reich Dyarach voller Magie, fremdartigen Kreaturen und ungeahnten Möglichkeiten in ein Schlachtfeld voller Elend, Blut und Tod. Als Auserwählter einer P...