Das Dorf umfasste einige Hütten, umschlungen von Pflanzen und Ranken, ein paar Meter von der Erde entfernt. Auf dem mit Wurzeln und Laub bedecktem Boden sammelten sich die einheimischen Söldner. Lautes Gerede voller Banalitäten und Drohungen stießen sie sich gegenseitig an den Kopf, gebündelt mit Angeberei und dümmlichen Geplapper. Abrupt verstummten die Plaudereien, als sie die königliche Garde mit Karej im Dorf erblickten. Sie staunten nicht schlecht den Prinzen sogar höchstpersönlich zu sehen. Die Begeisterung hielt sich jedoch beiderseits in Grenzen. Lauter flüsternder Stimmen gingen nun von den Kopfgeldjägern aus, während sie die kommenden Krieger musterten.
„Was starren die uns alle so an? Hab ich 'n Blatt in den Haaren?" fragte Isaac bedächtig.
Lucius blickte vorsichtig nach hinten: „Seid einfach ruhig und folgt Karej."
Norlan nahm seinen Helm wieder ab. Die frische Waldbrise wurde von dem Geruch mancher Männer so verhüllt, dass er ihn abnehmen musste, um nicht noch stickigere Luft einzuatmen. Irgendwie schienen ihn diese Männer mit Verachtung nachzusehen. Aus dem Gewisper hörte er Sätze wie „Der ist bei der königlichen Garde? Junge, der Typ ist nicht mal halb so alt wie ich!" oder „Guck' dir mal den Dürren an. Blind mit einer Hand würde ich den zerquetschen.". Doch das war nicht das Einzige, was ihm auffiel. Darüber hinaus konnte er keine einzige Frau unter ihren Reihen ausfindig machen.
Sehr zum Leidtragen von Fina, welche von allen Seiten, wie etwas Unnatürliches beäugt wurde. Manche der Männer gafften sie regelrecht an und begannen zu erzählen, was sie mit ihr am liebsten alles tun würden.
„Scheiß Hinterwäldler." rutschte es aus ihr heraus. Zum Glück hatte es jedoch keiner der Anwesenden gehört. Während die Truppe Karej durch das ganze Lager folgte, kamen ihnen immer wieder spottende Söldner entgegen, welche sich wohl gegen das Königreich verschworen hatten. 'Niederträchtige Kriegsverbrecher' nannten sie sie und spuckten neben ihnen auf den Boden.
Vorbei an gigantischen Bäumen und knarrenden Hütten gingen sie zu einem Haus, was größer und gepflegter, als alle anderen war. Beim Anblick von Karej öffneten die Wachen die Tür des stattlichen Hauses. Drinnen im Eingangsflur empfing ein kleines Mädchen spielend die Ankömmlinge: „Karej, da bist du ja! Wen hast du denn da mitge- Anna?!"
„Ysa?" fragte Anna aufgeregt.
Mit offenen Armen sprang sie auf Anna zu und klammerte sich an ihr: „Da bist du ja, Cousinchen!"
Das einst quengelnde Kleinkind hatte sich im Laufe der drei Jahre ganz schön verändert dachte sie. Von blond- zu braunhaarig und ihre ausgefallenen Milchzähne waren nun zu einem strahlenden Lächeln neu gewachsen. Trotz der Umstände hier ging es ihrer kleinen Cousine wohl recht gut.
„Ysa, du bist es wirklich! Man sieht dir sofort an, dass du gewachsen bist!" umarmte Anna sie glücklich.
„Natürlich, ich bin ja auch schon groß, ganze 8 Jahre alt!" bestätigte Ysa.
„Darf ich vorstellen, Ysa Skargengrad, Tsondos und meine Schwester." sagte Karej.
„Aha und sie ist hier wirklich in Sicherheit?" fragte Isaac skeptisch.
Der Assassine nickte: „Die Jungs wissen, dass sie niemand anrühren darf. Sonst würden sie die schlimmsten Qualen erleben, die sie sich vorstellen können. Leider musste ich diese Maßnahme schon mal ergreifen."
„Wie sieht diese Maßnahme denn aus?" fragte Norlan neugierig.
„Das sag' ich dir lieber nicht. Kommt, ich führe euch zu Tsondo." sagte Karej und ging mit schweifender Handbewegung den Flur entlang, die anderen folgten ihm. Derweil unterhielten sich Anna und Ysa über ihre Vergangenheit und tauschten sich über ihr Leben aus. Am Ende des Flurs erhellten lediglich zwei Kerzenständer die recht schlichte Tür zum Aufenthaltsort des Anführers.
Karej ließ seine Hand auf die Türklinke nieder und blickte über die Schulter zu Lucius hinter ihm: „Prinz, ihr werdet nur reden, wenn Tsondo es euch gewährt, klar?"
Trotz des geringen Respekts, nickte Lucius einfach finster dreinschauend.
Daraufhin öffnete Karej langsam die Tür. Ein lautes Knarren erfüllte den recht leeren Raum. Ein paar Felle, Waffen, aber auch ein Gemälde schmückten ihn. Kerzen erhellten wiederum nur ein paar Flecken der Räumlichkeit. In ihrem schwachen Schimmer konnte man das zerschlitzte Gemälde des vermummten Anführers sehen. Es zeichnete sich dort ein Mann mit kalten Gesichtszügen, dessen rote Haare dennoch gepflegt zu einem Zopf zusammengebunden waren. Seine kalten blauen Augen schienen die Gäste gerade zu anzustarren.
Die Gruppe näherte sich dem thronähnlichen Sessel der zum Kamin ausgerichtet stand. Das Feuer des knisternden Holzes zeigte nur den Schemen eines Mannes der mit seinem Arm auf der Lehne seinen kapuzenüberzogenen Kopf stütze.
„Bruder, schön dich wiederzusehen." begrüßte ihn Karej.
„Was willst du?" entgegnete Tsondo harsch.
Karej trat still zur Seite: „Ich habe hier Gäste für dich. Sie wollen ein Bündnis mit uns."
Lucius trat derweil hervor: „Lucius von Dyarach, ich bitte um besagtes Bündnis zur Bekämpfung von-"
„Xobar. Ihr..." Tsondos Gesicht war hinter einer Eisenmaske versteckt. Ihre leeren Augenhöhlen starrten den Prinzen mitten in die Seele. Er erhob sich von seinem Sitz und stellte sich Lucius frontal gegenüber: „Ihr wollt also wirklich Söldner anheuern? Die königliche Armee ist wohl ziemlich im Straucheln, was?"
Langsam setzte Tsondo einen Schritt nach dem anderen. Das Echo davon hallte im fast unmöblierten, ruhigen Zimmer. Still stand Lucius dem Anführer derer, die er so verachtete gegenüber. Norlan wunderte sich über das ruhige Verhalten von Lucius. Er war zu still. Hatte er etwa...Angst?
„Ihr seid doch nichts weiter, als Mörder die jeden abschlachten die ihnen in die Quere kommen. Ihr seid nicht anders als wir. Das Einzige, was uns voneinander unterscheidet, ist der...wie soll ich sagen?...Bestechungsgrad?" sagte der Vermummte und blickte Lucius tief in seine voller Unsicherheit erfüllter Augen.
„Kein Wunder, dass ihr ein Bündnis sucht. Gleich und Gleich gesellt sich gern. Krieger sind Krieger, Mörder sind Mörder, egal, in welchem Stand sie sich befinden. Ist es nicht so?" Tsondo kehrte Lucius respektlos den Rücken zu und schaute auf das wärmende Kaminfeuer. Regungslos stand Lucius da, erfüllt von Zorn und Demut. Er musste sich jedoch beruhigen, auch, wenn es ihm all seine Geduld kosten würde: „Dieser Vergleich ist stupide. Es ist etwas anderes für sein Land und seine Bewohner zu kämpfen, als nur für bloße Münzen."
Lachend drehte sich Tsondo wieder zu dem Prinzen: „Ach, ist es das? Gehört es denn auch zum Schutz von Land und Leute, Unschuldige zu töten?" schlagartig ging sein Blick zu Isaac rüber, welcher ihn angespannt anschaute.
„Was meint er damit, Isaac?" fragte Lucius ruhig, doch der Befragte schwieg.
Tsondo kicherte hämisch: „Ach, ihr wisst es gar nicht? Hahaha, dieser Mann ist ein kaltblütiger Mörder!" Er zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Isaac.
Der gesamte Trupp schwieg während Lucius erschrocken zu ihm sah: „Isaac, was ist hier los?"
Isaacs Kopf senkte sich. Er hatte es so lange niemandem erzählt und nun entlarvte ihn ein verdammter Söldner. Beim Anblick Annas jungen Augen konnte der doch so willensstarke Krieger, nicht mehr widerstehen: „Ich...es stimmt." Er hob seinen Kopf wieder und starrte in die Flammen des Kamins, als wären es die von seiner wohl schlimmsten Tat die er je begangen hatte: „Ja...ich habe sie getötet. Alle."
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Kylak's War
FantasyDas Schicksal einer Welt liegt im Herzen eines Helden ~ Der Krieg verwandelt das einst so schöne Reich Dyarach voller Magie, fremdartigen Kreaturen und ungeahnten Möglichkeiten in ein Schlachtfeld voller Elend, Blut und Tod. Als Auserwählter einer P...