Kapitel 19: Verleumdung

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Wilhelm behielt jeden einzelnen Schritt des Assassinen im Blick. Er vertraute diesen Söldnern nicht. Hatte er nie. Auch Isaacs Aufmerksamkeit galt den geschmeidigen Bewegungen des Auftragsmörders. Solche Leute verachtete er innerlich. Die anderen Assassinen waren schon lange verschwunden, doch er wusste, dass sie auch jetzt noch mit Karej nicht allein unterwegs waren. Er fühlte sich abermals beobachtet.

Karej blickte den Prinzen ungläubig an, während er sie direkt zu ihrem Lager führte: „Hätte nie gedacht, dass ich euch mal höchstpersönlich zu Gesicht bekomme."

„Hätte auch nie gedacht zu einem Ort, wie diesem zu reisen." entgegnete Lucius höhnisch.

„Und meine Cousine wiederzusehen, hätte ich auch nicht gedacht." sagte er und blickte zu Anna. Die dunklen Vermummungstücher verdeckten die Hälfte seines Gesichts bis über die Nase, sodass man nur an seinen zusammengekniffenen Augen ein Grinsen vermuten konnte.

Anna lächelte zurück. Auch sie hätte nicht gedacht ihren geliebten Cousin je wiederzusehen, nachdem sie zur Ausbildung als Magierin in den Süden gebracht worden ist. Drei Jahre waren sie getrennt gewesen und nun war sie noch aufgeregter die anderen zu treffen: „Karej, sag mal, warum seid ihr zu den Assassinen gegangen? Und wo sind Ysa und Tsondo?"

„Man tut, was man tun muss. Ysa ist im Lager und Tsondo kam gestern erst wieder zurück, aber frag' mich nicht woher er kam. Er war ein paar Jahre vor uns dem Stamm beigetreten und überzeugte mich, durch die riesige Menge an Gold, die wir bekamen sollten, also sind wir ihm gefolgt. Ich weiß es klingt naiv, aber wir hatten keine andere Wahl durch meinen geringen Sold als Kampfausbilder nachdem Vater verstorben war."

Norlan wurde jetzt erst bewusst, dass Anna nie über ihre Eltern gesprochen hatte, doch hielt es für weiser für's Erste den Mund zu halten.

„Das ist sowas von typisch für ihn. Tsondo ging immer nur dem Gold hinterher." seufzte Anna.

Lucius blickte skeptisch zu Karej: „Tsondo? Ihr meint den Tsondo Skargengrad?"

Karej nickte zustimmend: „Ja, er ist mein Bruder."

„Und mein ältester Cousin!" rief Anna zwischen den beiden.

Der große Anführer der Söldnerbewegung war der Cousin eines Mitgliedes der königlichen Garde. Sowas hatte Lucius definitiv nicht erwartet. Trotz seiner Zweifel, versuchte er dem stellvertretenden Anführer ein paar Informationen zu entlocken: „Wurde euer Lager bereits auch angegriffen?"

„Nichts weiter, als von ein paar Banditen, das Übliche eben. Keine große Herausforderung bis jetzt." sagte Karej entspannt.

„Denn nehme ich mal an ihr seid euch der Gefahr durch Xobar noch nicht bewusst?" fragte er nachhakend.

„Doch, doch, mir ist dies durchaus klar, jedoch bin ich mir nicht sicher, ob Tsondo unsere Ansichten eines Zusammentuns teilt."

„Ihr denkt also, er wäre nicht bereit dazu?" fragte Fina aus dem Hintergrund.

Karej drehte seinen Kopf nach hinten zu ihr rüber: „Mein Bruder verhält sich in letzter Zeit sehr...seltsam. Kaum ist er bei uns im Lager, keiner weiß genau wo er jedes Mal hinreißt. Ich habe nur kurz bevor ich euch getroffen habe, davon erfahren, dass er wieder zurückgekehrt sei. Das Letzte Mal, als ich ihn sah, ist schon ein paar Tage her."

Isaacs Zweifel türmten sich immer mehr zu einem großen Haufen an Unsicherheit auf. Er wusste, dass hier irgendetwas faul war, doch vielleicht war es auch nur sein Magen, der mal wieder um eine Mahlzeit flehte.

„Sagt, habt ihr eine Ahnung, wo er hingereist sein könnte?" fragte der Prinz.

„Ich habe leider überhaupt keine Ahnung, warum er so oft unser Lager verlässt. Doch ihr müsst wissen, dass er dem Königreich sehr kritisch gegenüber steht. Das führte sogar zu eine Spaltung unserer Männer." sagte Karej mit gesenktem Haupt.

„Spaltung?" entfuhr es Anna.

„Ja, so ist es. Männer, die ihren Prinzipien als Söldner treu geblieben sind, haben ein neutrales Verhältnis zu eurem Hause und dem des Xobar. Doch Tsondo verbreitet seine Denkweise an immer mehr von uns. Viele Männer sind dem Königreich gar feindlich gesinnt und würden ohne zu zögern für Xobar arbeiten. Doch niemand wagte es unsere Regeln zu brechen, möchte ich anmerken."

Lucius hatte ihn genau da, wo er ihn haben wollte und führte seine linke Hand versteckt nach hinten griffbereit zu seinem Bogen. Ruhig führte er das verhörähnliche Gespräch fort: „Seid ihr auch in der Lage dies zu beweisen?"

Karej schwieg. Er wusste, was der Prinz ihm damit anhängen wollte. Kurz schloss er die Augen und blieb stehen: „Ihr denkt einer von uns könnte euren Vater ermordet haben?"

Die Sehne seines Bogens bog sich stark, mit zwei Fingern richtete er den Pfeil direkt auf Karejs Kopf: „Dessen bin ich mir schon so gut wie sicher. Niemand hätte die Gewandtheit an unseren Wachen vorbei, in die Audienzhalle zu kommen. Es sei denn, er hätte sich lautlos und heimlich da rein geschlichen..."

„Lucius, nicht!" versuchte Anna ihn davon abzuhalten, doch Fina ließ ihre Hand beruhigend auf ihre Schulter fallen. Die Magierin kämpfte innerlich mit sich selbst, doch auch sie wusste, dass es zu gefährlich war jetzt einzugreifen.

Karej nahm seine Kapuze ab, die bis eben sein Haupt schattierte. Rostrote Haare glänzten im gebrochenen Licht der Mittagssonne. Unter seinem Tuch zeichnete sich wieder ein Lächeln ab: „Hahaha, mein Prinz, ihr seid ganz schön voreilig, wenn ich das so sagen darf."

Seine grauen Augen verkniffen sich zu einem Blick, der bereit war den Kopf des Assassinen mit nur einer Bewegung zu durchbohren, doch er hielt inne: „Wie meinst du das?"

Karej stellte sich dem Prinzen frontal mit verschränkten Armen gegenüber: „Ich habe ein halbes Dutzend Leute, welche euch allesamt mit einem Mal töten könnte. Denkt ihr nicht, es wäre ganz schön dumm, euch noch nicht umgebracht zu haben? Lasst los und euer Schicksal ist besiegelt."

Lucius floss der Angstschweiß von der Stirn. Wie konnte es ein einfacher Söldner wagen, den Prinzen des Reiches derartig zu verspotten? Sein angestrengter Blick wanderte in die Runde. Alle hatten ihre Hände dicht bei ihren Waffen und erwarteten den Kampf, doch wenn Karej wirklich Recht hatte, würden auch sie mit einem Pfeil im Kopf niedersinken.

Anna blickte ihn besonders tief in die Augen. Sie verrieten ihm, dass es klüger war jetzt aufzuhören, ehe er sie alle in Gefahr brachte. Als ob sie ihm flüstern würde: „Tu das nicht..."

Langsam senkte er seinen goldenen Bogen und atmete aus.

„Na also, ihr habt es verstanden! Ich wusste, ihr würdet nicht loslassen." sagte Karej und ging emotionslos weiter.

Mit weit aufgerissenen Augen blickte Lucius auf den Boden. Wenn er gelogen hätte, wären sie sicherlich allesamt schon längst tot und würden den Hon blutrot färben. Er schaute auf und sah in Annas erleichtertes Gesicht. Schweigend folgte er weiter dem Assassinen auf dem dünnen Pfad.

In einiger Entfernung sahen sie schon die hölzernen Baracken, ähnlich wie Baumhäuser aus dem Geäst der Waldriesen hervorragen.   

Kylak's WarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt