Kapitel 9.1: Dafür kämpfe ich

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Langsam hob die Kreatur ihre schwere, mit Klauen bestückte Hand. In der Anderen eine weibliche Gestalt, welche verzweifelt versuchte sich aus den Fängen des Biestes zu befreien. Ruckartig stieß das Monster seine Klaue mitten durch ihren Körper, Blut spritze aus ihren Rücken. Sie schrie kurz vor Schreck und Schmerz auf. Ihr Schrei endete abrupt nach dem Durchschlag und wandelte sich zu einem leisen, nach Luft ringenden Röcheln, bevor der Tod sie von ihren Qualen erlöste.

„Neeeeeiiiin!" schrie Norlan mit weiten, tränenden Augen. Plötzlich wurde alles weiß...

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Mit weit aufgerissenen Augen richtete Norlan sich schreiend in seinem Bett auf. Die Minuten verstrichen und er verstand nach und nach, dass dies nur ein weiterer Alptraum war. Sogar in dieser Welt suchten sie ihn Heim. Wer war bloß diese Frau? Er bekam ein komisches Gefühl im Magen, doch beachtete er es nicht weiter. Müde strich er durch seine kurzen, blonden Haare. Einige Sonnenstrahlen traten hinter den Gardinen von Norlans Zimmer hervor. Sanft nahm er die leichte Decke von seinen Beinen, ließ einen ordentlichen Gähner von sich und streckte seine Arme nach vorn. Wenn das so mit den Alpträumen weitergeht, würde er irgendwann verrückt, dachte er sich.

Da sich keine neuen Anziehsachen am Ende seines Bettes befanden und sich schlichtweg kein Kleiderschrank in dem kahlen Zimmer befand, war er wohl gezwungen sich die Sachen von gestern nochmal anzuziehen. Doch noch bevor er überhaupt nach seinem Pullover, der auf dem Holzboden lag, griff, öffnete sich die Zimmertür.

Eine junge Frau mit dunkelgrünen Haaren, die ordentlich zu einem Zopf gebunden waren, trat mit frischen Sachen auf den Armen ein: „Einen schönen guten Morgen, Herr Bricks! Hier, ich hab ein paar neue Kleider für sie." Sie übergab Norlan die Sachen und schob die Gardinen beiseite. Im Glanze des Sonnenscheins erkannte er ihre lebhaften, großen dunkelblauen Augen. Sie trug eine klassische schwarz-weiße Dienerrobe, die bis auf's kleinste Detail sauber hergerichtet war. Ihr Aussehen schien perfekt durchdacht und ordentlich sein.

„Wenn ich mich vorstellen darf: Mein Name ist Gwen Taramon und ich bin die oberste Dienerin der königlichen Familie von Dyarach. Wenn Sie irgendwelche Wünsche haben, rufen sie bitte nach mir." sagte sie mit ihrer hellen, quietschigen Stimme, als ob sie diesen Satz schon dutzende Male vorher gesagt hätte.

„OK danke, Frau..." Norlan hatte ihren Nachnamen vergessen.

„Taramon, aber nennen Sie mich einfach Gwen." lächelte sie. Im Hintergedanken fragte sie sich, was dieses OK zu bedeuten hatte.

„Alles klar, Gwen. Wo soll ich eigentlich zum Training mit Isaac hin?" fragte er sie.

„Natürlich, das wollte ich Ihnen gerade sagen. Zum Training mit Herrn Chrom werde ich Sie hinführen, keine Sorge, aber ziehen Sie sich erst einmal in Ruhe an. Ich erwarte sie auf dem Flur." Mit diesen Worten verließ sie das Gästezimmer. Norlan wartet bis sich die Tür schloss und begann sich die sauberen Klamotten anzuziehen.

Müde und fertig angezogen öffnete er die Tür und folgte sogleich Gwen nach draußen zum Burghof: „Gehen Sie zur Schmiede, Herr Chrom wartet dort auf Sie." sagte Gwen, worauf Norlan gehorchte und schüchtern zur Schmiede ging. Isaac stand bereits, schlagend auf ein glühendes Eisen, am Amboss seiner mächtigen Schmiedewerkstatt und blickte auf zu Norlan: „Ah, da bist du ja! Komm doch mit rein, ich werde dir alles erklären!" rief er ihn mit einladender Handbewegung zu sich.

Norlan gefiel seine lockere Art und ging mit einem Grinsen zur Tür der Schmiede, bei der Isaac wartete: „Guten Morgen, hast gut geschlafen?" fragte Isaac ihn fröhlich und gab ihm die Hand. Norlan gab ihm auch seine Hand: „Ja, mehr oder weniger, aber danke der Nachfrage."

„Na denn ist ja gut!" klopfte Isaac ihn auf die Schulter und bat ihn herein. Es war ein gemütlich eingerichtetes Steinhaus, bestückt mit Holzdach mit Dachziegeln und sogar einem Kamin, der für die starke Wärme im Haus sorgte. Isaac bot Norlan einen Platz am vermeintlichen Esstisch an: „Hier, setz dich doch. Wir müssen zuallererst reden. Ich weiß jetzt zwar alles über dich, aber du nichts über mich."

Gerade als Isaac sich auch an den dunkelbraunen Holztisch saß, hörte Norlan kleine Schritte, welche sich ihm, vom Flur des Hauses aus, näherten und immer lauter wurden.

„...oder besser gesagt Uns." ergänzte er.

„Papaaaa! Mama lässt mich nicht mit deinen Schwertern spielen." schrie ein kleiner braunhaariger Junge mit enttäuschter Stimme und Kurzschwert in den Händen. Isaac lachte: „Kai, hör auf deine Mutter. Irgendwann wirst du ein großer Krieger sein, aber jetzt bist du noch zu jung dafür, mein Sohn." Er nahm den Jungen das Kurzschwert ab und legte es auf den Tisch.

„Kein Wunder, wenn der Vater dauernd seine Waffen überall liegen lässt!" rief eine Frauenstimme. Norlan blickte zum Gang und sah eine erwachsene blonde Frau mit beigen Kleid. Isaac entging bloß ein kleines „Ups"

„Oh, wir haben einen Gast! Schönen guten Morgen, ich heiße Emilia und bin die Frau von diesem alten Bären neben dir." grinste sie Norlan winkend an.

„Hallo, ich bin Norlan-"

„DU bist der Auserwählte, von dem Papa erzählt hat?" unterbrach ihn der kleine Kai. Sein Funkeln in den Augen brachte Norlan zum Schmunzeln. Er nickte, worauf der Junge vor Freude tanzte: „Oh, oh, oh, wollen wir nicht mal zusammen kämpfen? Ich mach dich fertig und dann-"

Kai strotzte nur so vor Kampfbegier, doch seine Mutter unterbrach ihn: „Jaja, ist ja gut Kaichen. Komm, wir lassen die beiden Männer mal lieber in Ruhe reden. Du könntest mir doch beim Garten helfen?"

Der Junge blickte enttäuscht zu Boden, fing sich aber schnell wieder: „Na gut, diesmal lasse ich dich noch ungeschoren davonkommen, aber beim Nächsten Mal werde ich nicht so rücksichtsvoll mit dir sein!" drohte er Norlan. Als Emilia und Kai nach draußen gingen erzählte Isaac weiter: „Haha, das waren, wie du schon gehört hast, meine Frau Emilia und mein 8-jähriger Sohn Kai."

„Dass du eine Familie hast, wusste ich noch gar nicht." sagte Norlan.

„Oh ja, sie sind mein Ein und Alles. Sieh mal." Isaac hob seine Augenklappe hoch. Zu sehen war kein Auge, sondern lediglich nur noch eine grobe Narbe mit heller Haut versiegelt.

„Hätte der Saidorma nur ein bisschen stärker zugestochen, wäre ich jetzt nicht hier. Aber das ist mir egal, denn nur so konnte ich meine Frau beschützen, als sie im Wald nach ein paar Kräutern suchte. Zum Glück war ich nicht weit weg und kam gerade noch rechtzeitig." sagte er und klappte die Augenklappe wieder zurück. Norlan war verblüfft. Dieser Vater war anscheinend bereit alles zu geben, um seine Familie zu beschützen. Dies berührte ihn schon sehr.

„Ha, aber das Vieh hat nicht mit mir und meiner schwingenden Axt gerechnet!" Isaac zeigte in Richtung Kamin, wohin Norlan sich wendete und über dem Kaminsims den Kopf einer echsenähnlichen Kreatur mit messerscharfen Zähnen und roten, glasigen Augen erblickte. Das Monster schien ihn förmlich anzustarren.

„Und deshalb kämpfe ich. Ich kämpfe, damit meine Frau und mein Sohn in Ruhe und Frieden leben können. Dieser Antrieb gab mir in etlichen Kämpfen meine Stärke. Das wollte ich dich bloß wissen lassen, damit du weißt, wofür Ich nicht nur ein Leben als Schmied, sondern auch eines als Soldat führe. Nicht jeder kämpft hier, weil er unbedingt will, weißt du?" sagte Isaac mit einer ungeheuren Ernsthaftigkeit. Norlan nickte respektvoll. Die Ziele dieses Mannes waren mehr als nur der Sieg. Es war auch die sichere Zukunft seiner Familie.

„Aber damit wir diesem Xobar mal gehörig in den Arsch treten können, müssen wir wohl hart trainieren, huh?" rief Isaac voller Tatendrang und hielt Norlan seine kräftige Hand als Zeichen eines Handschlages hin. Er wusste, was auf ihn zu kam. Doch Isaacs Worte motivierten ihn dazu den Grundstein zu setzen. Ab heute sollte sein Training als Krieger beginnen.

Mit einem zuversichtlichen Grinsen schlug er ein: „Jawohl, los geht's!"

Kylak's WarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt