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Denn nach dem es ihnen nicht mehr ausgereicht hatte mich verbal zu attackieren, widmeten sie sich meinem Körper. Dem Körper, der schon seit Jahren nicht mehr privat war. Den jeder kannte. Den jeder verabscheute. Mich eingeschlossen. Denn sie hatten recht. Sie hatten alle recht.

Ich war hässlich.

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-Fünf Jahre später-
Ich richtete mich auf. Müde strich ich mir meine wirren Haare aus dem Gesicht und wischte mir den Sabber mit dem Handrücken vom Mundwinkel. Gerade hatte mein Wecker geklingelt und mich damit aus meinem tiefen Schlaf gerissen. Ich gähnte einpaar mal herzhaft. Mühsam und schleppend stand ich auf. Mein ganzer Körper knackste und schmerzte.  Dennoch zog ich mir schnell das bereits am Abend hergerichtete Outfit an, eine einfache Jeans und eine Bluse, an. Beides hing etwas locker an meinem Körper. Hatten sie jedoch einst gepasst. Doch das war ich gewohnt. So war es mit fast allem was ich besaß.
Mit verquollenen Augen kämmte ich meine leicht rötlichen, platten Haare. Wieder hatte ich einen dicken Knäul davon in der Hand, nachdem ich fertig war. Wie jeden Morgen. Dies merkte man auch ein wenig an meinem Deckhaar, welches immer dünner wurde. Leider. Doch so war mein Körper. Zerstörte sich immer weiter selbst. MIt meiner Hilfe.

Kurz darauf richtete ich mir mein Frühstück.  Also wenn man es denn als Frühstück bezeichen könnte. Ich aß zwei Scheiben Knäckebrot mit etwas Magerquark darauf und trank Wasser. Hätte ich das wirklich essen sollen? Waren das nicht schon wieder zu viele Kalorien? Das dürfte mir einfach nicht passieren. Ich musste weiter abnehmen. Das schuldete ich mir selbst. Ich durfte nicht aufgeben. Niemals. Und dennoch. Ich sollte es weiter reduzieren. Ich sollte weniger essen. Zu langsam war mir der Fortschritt meines Körpers. Und obwohl ich stetig abnahm, war ich dennoch immer unzufrieden mit mir.  Ich sah einfach scheiße aus. Nichts was ich machte änderte daran etwas. Ich nahm ab um meinen überfüllten Verstand dünner werden zu lassen. Um mich wohlzufühlen. Doch wenn ich abnahm, wurde mein Haar dünner, meine Knochen schmerzten und Gesicht wurde immer hagerer. Aber meine summenden Gedanken verstummten. Zumindest für einige Momente. Wenn ich zunahm, hingegen, konnte ich meine Gedanken nie ausschalten. Ich wurde immer und immer wieder von mir selbst an meine Schwäche erinnert. An mein Versagen. 

Und da ich seit Jahren alleine lebte, fiel es auch keinem auf, das ich immer dünner und dünner wurde. Immer schwächer und schwächer. Und meine Gedanken immer leiser und leiser.

Als ich fertig war knurrte mein Magen, nach mehr verlangend, doch ich ignorierte ihn. Wollte nicht mehr essen. Konnte nicht mehr essen. Wenn ich auch nur daran dachte, wurde mir augenblicklich speiübel. Es war für mich schlicht und ergreifend unmöglich mehr zu essen.

Jeden morgen radelte ich zur Arbeit. Auch heute. Zum einen hatte ich kein Auto, da es unnötig war in einer Großstadt Auto zu fahren, schließlich gab es ja genug Alternativen. Und zum Anderen konnte ich dadurch noch weiter abnehmen. Ich war zu dick. 40 kg bei 1,70m Körpergröße waren viel zu viel. Meine Gedanken noch viel zu laut. Mein Ziel waren 30 kg, wenn nicht sogar noch weniger. Ich hatte sogar schon von Menschen gehört die nur noch 18 kg wogen. Es war einfach beeindruckend, wie viel manche Personen einzig und alleine mit Willenskraft erreichen konnten. Ich wollte einer dieser Personen sein. Wollte diese WIllenskraft aufweisen können. Und ich wusste auch, dass es viele Frauen mit 60 kg in meiner Größe gibt die wunderschön waren, doch bei mir war das nicht so. Ich hatte immer dieses kleine Bäuchlein das nicht weggehen wollte. Das mich immer daran hinderte so auszusehen wie ich es wollte.  Auch jetzt war es immer noch zu sehen. Ich war einfach immernoch zu dick. Und das dürfte ich einfach nicht sein. Ich dürfte nie wieder dick werden. 

Nie wieder.

Ich arbeitete in einem Büro, als Assistentin.  Und das, obwohl ich ein Studium in Wirtschaftwissenschaften meisterhaft abgeschlossen hatte. Etwas anderes hätte ich nie zugelassen. Trotz dessen, wurde ich nur zur Assistentin eines eher kleinen Unternehmens, mit einem ignoranten Chef. Doch das war schon in Ordnung. Mehr war ich schließlich nicht wert. Dass hatte ich früh lernen müssen. Ich sortierte Papiere, brachte Kaffee, bereitete Präsentationen vor, machte Termine aus, buchte Hotelzimmer, ging mit auf Geschäftsessen und so weiter. Es hatte also auch Vorteile. Das versuchte ich mir zumindest immer wieder einzureden. Obwohl ich sogar auf die positiven Seiten meist verzichten musste. Lieber ließ sich mein Chef von anderen begleiten, als von mir. Von Jasmin, beispielsweise. Doch ich verstand es. Er wollte die Kunden nicht vergraulen, indem sie dachten, dass bei ihm alle Mitarbieter so aussahen wie ich. Und ich vergraulte jeden. Meine Rippen zeichneten sich unter der Kleidung deutlich ab. Genauso wie mein Bauch. Meine Beine wirkten wie Grashalme, die ebensoleicht wie diese, vom Wind niedergedrückt werden konnten. Meine Haare wirkten immer strohig, meine Augen immer matt und leblos und meine Wangen waren so eingefallen wie die einer Leiche. Alles in allem sah ich mehr Tod als lebendig aus. Ich wirkte krank. Leblos. War eine Schande für jeden. Natürlich wollte niemand, dass ein Scheusal wie ich, eine Firma representierte.
Niemand wollte und konnte mich auch nur eine Sekunde länger betrachten, als dringend notwendig. Niemand wollte sehen, wie zerstört ich war. Wie krank ich war. Und niemand wollte mir helfen. Lieber schauten sie weg. Alle. Ignorierten, was sie alle mit mir gemacht hatten. Was mir durch sie und durch meinen Körper alles verweigert wurde.


Denn das wurde es.
Niemand wollte einen Krüppel wie mich lieben. Niemand wollte meine meine Karriere fördern. Nur wegen meinem Körper stagnierte sie.

Nur wegen ihm.

Weil ich so aussah, wie ich eben aussah. Weil mein Körper war, wie er eben war.

Niemals würde ich Erfolg haben. Und das nur wegen ihm.
Wegen meines Körpers.

Ich hasste ihn.

Bone MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt