×
Dennoch nickte ich mit leicht gesenktem Kopf und verließ mit Tränen in den Augen den Raum. Doch er hatte recht.
Ich war hässlich.
×
Eilig bürstete ich meine Haare und band sie zu einem hohen Dutt, dabei fielen schon wieder ein paar Haare aus. Ich hatte das Gefühl, dass auch das in letzter Zeit immer mehr wurden. Vielleicht sollte ich ein paar Vitamine nehmen um dem entgegen zu wirken. Schließlich wollte ich nicht bereits mit Mitte zwanzig kahlköpfig sein. Doch darum musste ich mich ein anderes Mal kümmern. Jetzt hatte ich dafür keine Zeit mehr.
Zu wichtig war es mir, pünktlich einzutreffen. Ich durfte mir keine Fehler erlauben. Das war meine erste Chance. Und es sollte nicht die letzte sein.
Noch ein letztes mal strich ich über die rotbraune Fläche, um sie zu glätten und auch die letzten verwirrten Härchen zu befestigen. Meine Hände zitterten. Vermutlich vor Nervosität. Oder wegen meiner fehlenden Energie. Schon seit Tagen fühlte ich mich noch langsamer und müder, wie sonst. Es war, als hätte mir der Vorfall ,letztens im Park, auch das letzte Fünkchen Energie gerraubt. Als wäre ich einfach leergepumpt.Ein letztes Mal schaute ich in den Spiegel, um mich zu vergewissern, dass alles so saß wie es sollte. Und ich muss zugegeben, dass es besser geklappt hatte, als ich erwartet hatte. Ich würde sogar behaupten das ich heute einigermaßen gut aussah. Meine Augenringe waren abgedeckt, die eingefallenen Wangen wirkten, als wären sie so gewollt und auch die weiße Bluse schien zu dem Anlass zu passen, während sie dennoch genug meiner Figur versteckte. So würde ich nicht auffallen. Mein Boss würde gar nicht meckern können.
Zufrieden lächelte ich mich an.
Zufrieden, schon seltsam, so hatte ich mich das letzte Mal in der 6. Klasse gefühlt, als meine Oma mir ihren berrühmten Apfelkuchen gebacken hatte und wir ihn zusammen auf Ihrer Terrasse gegessen hatten. Kurz bevor sie gestorben war.Kritisch betrachtete ich mich weiter. Mein Bauch zeichnete sich doch wieder ein wenig ab. Zwar nur wenn ich die Bluse ganz eng an meinen Körper zog, aber dennoch. Es störte mich. Was war, wenn die Bluse während des Essens verrutscht und mich so bloßstellte?
Und wieso lagen meine Haare wieder so unfassbar platt an? Wieso konnte ich nicht etwas mehr wie Jasmin aussehen. Und mein Lidschatten ließ meine Augen winzig klein und dunkel wirken. Wie schwarze Steine, die leblos in ihrer Höhle saßen. Verdammt. Ich war genauso hässlich wie auch sonst. Ich wirkte einfach leblos, tot. Aber zum Umziehen hatte ich nun wirklich keine Zeit mehr. Mein Taxi musste jeden Moment da sein. Ich dürfte heute auf keinen Fall zu spät kommen. Schließlich wollte ich zumindest heute einen guten Eindruck hinterlassen.
Schnell schaltete ich alle Lichter aus, schlüpfte in meine dunklen Pumps, nahm meinen Mantel und meinen Schlüssel und verließ eilig meine Wohnung.Mein Atem stieg in einer weißen Nebelschwade vor meinem Gesicht auf. Es war verdamt schnell abgekühlt in den letzten Tagen. Alles um mich herum war gefroren und funkelte. Der Boden, das Gras, die Bäume. Selbst die Luft. Eigentlich mochte ich den Winter nicht, aber wenn es so richtig kalt war, dann war es wirklich wunderschön. Elegant, magisch und wunderschön.
Ich lächelte spötisch. Nicht so wie ich.Meine Gedanken wurden von einem vorfahrendem Taxi unterbrochen. Na endlich, es hatte sich schließlich auch um 10 min verspätet. Vermutlich würde ich deswegen zu spät kommen, bei meinem Boss in Ungnade fallen und gefeuert werden. Was würde ich dann nur machen? Eilig stieg ich ein, ich konnte auch im Auto weiter Panik schieben und musste mir so wenigstens nicht den Arsch abfrieren. Hektisch gab ich dem Taxifahrer die Adresse und hoffte nur, dass ich pünktlich ankam.
Um fünf vor Acht hielt das kleine gelbe Auto vor dem Delis, zumindest hatte ich einmal Glück mit dem Verkehr gehabt. Eilig gab ich dem Taxifahrer sein Geld und ging dann -so schnell es mit den Absätzen eben möglich war- zum Eingang, wo bereits mein Chef wartete. Schon wieder sah er genervt aus.
"Da sind sie ja endlich, die Kunden warten bereits. Wie sehen sie denn eigentlich aus? Ich hatte Kleid gesagt." Naja eigentlich war "Zieh eine Burka an" sein genauer Wortlaut gewesen. "Jasmin kommt immer mit einem Kleid. Und so soll das auch sein. Sie können hier doch nicht einfach nur in einer Hose auftreten. Das ist absolut inakzeptabel. Man kann doch ihre Figur komplett sehen. Was sollen den die Kunden denken wenn sie dich sehen? Sollen die denken das ich meine Arbeiter so schlecht bezahle das sie sich weder richtige Kleidung noch etwas gescheides zum Essen leisten können?" Naja also reich würde ich von der Arbeit definitiv nicht werden, aber was hatte das denn bitte mit meinem Essen zu tun? Ich aß doch sowieso schon viel zu viel. Er hatte es doch selbst gesagt. Ich sah aus als wäre ich schwanger.
"Aber jetzt muss es halt so gehen, schließlich sind sie ja schon zu spät dran. Also seien sie da drinnen einfach leise und reden sie nur wenn sie aufgefordert werden. Bei ihnen kommt sowieso nichts gescheides raus wenn sie den Mund aufmachen. Und hören sie gefälligst gut zu, bis morgen müssen sie mir dann einen Bericht schreiben." Das heißt das ich heute noch eine lange Nacht haben würde. Super. Ich war doch sowieso schon die Ganze Zeit müde. "Und essen sie gefälligst nur eine Kleinigkeit, ich habe keine Lust auf dauerhaftes rumgeschmatze. Und jetzt kommen sie endlich."
Ich fühlte mich unwohl, dumm und nutzlos. Ich hatte nicht einmal daran gedacht, dass ich etwas essen musste. Vor anderen Leuten. Und das hatte warscheinlich unfassbar viele Kalorien.Ich war so dumm.
DU LIEST GERADE
Bone Mate
WerewolfEine von der Angst und dem Mobbing zerbrochene Frau. In einem Teufelskreis gefangen, kaum einer schafft es diesem zu entfliehen. Sich der Opferrolle zu entwinden. Ist es überhaupt möglich? Wird sie es schaffen? Wird sie eine der wenigen sein die die...