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Ich verzog das Gesicht. Und das obwohl meine Rippen schon seit langen im Vordergrund standen. So wie ich es auch wollte. Ich würde nur noch diesen Bauch loswerden müssen. Dann wäre ich endlich dünn genug.
Denn so konnte es nicht weitergehen.
Ich musste etwas unternehmen.Ich war viel zu fett.
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Seufzend ließ ich meine Tasche in die Ecke fallen und legte mich selbst auf mein kleines Sofa. Ich spürte wie mein Magen sich schmerzhaft verkrampfte. Verdammt, ich hatte doch heute Morgen erst etwas gegessen, so schnell konnte ich doch gar nicht wieder hungrig sein. Doch mein Magen war da anderer Meinung. Mühevoll richtete ich mich auf, kurz wurde mir schwarz vor den Augen, doch ich schüttelte mich kurz, spannte meinen Bauch an und lief weiter. Das passierte mir in letzter Zeit immer häufiger, seltsam, dabei achtete ich immer darauf viel Wasser zu trinken. Langsam schlürfte ich zu meinem Kühlschrank. Gähnende Leere schlug mir entgegen es waren nur noch ein paar Karotten eine halbe Dose Magerquark und eine Gurke in ihm. Naja, eigentlich war auch nachdem ich einkaufen war kaum mehr drinnen, aber dennoch musste ich vermutlich bald wieder einkaufen gehen. Wie ich das hasste, so viele Lebensmittel, so viele Gerüche. Mir wurde jedes Mal schlecht, wenn ich allein schon sah was manche Leute so in ihrem Einkaufswagen hatten. Weniger, weil ich es widerlich fand das sie so etwas essen, sondern eher, weil ich mir nicht vorstellen konnte selber so viel zu essen. Ich schüttelte mich. Allein schon vom daran denken wurde mir wieder schlecht.
Nach kurzem Zögern griff ich mir eine kleine Karotte. Das musste fürs erste reichen, um meinen Körper zu beruhigen. Ich setzte mich an meinen Esstisch, der wenn man so drüber nachdachte, eine wirklich unnötige Anschaffung war. Noch immer befand sich die Rübe in meiner knochigen Hand. Nachdenklich drehte ich sie. Wenn ich diese Karotte jetzt essen würde, müsste ich auf mein Abendessen verzichten, sonst wären das für heute zu viele Kalorien oder ich machte noch etwas mehr Sport als sonst. Oder ich verzichtete einfach jetzt auf die kleine Zusatzmahlzeit.
Ein weiterer Schauer jagt über meinen Körper und mein Magen krampfte sich erneut zusammen. Okey, vermutlich war sie nicht zu essen keine Option.
Ich schloss die Augen. Obwohl mein Magen verlangend knurrte, wurde mir dennoch speiübel als ich die Karotte näher an meinen Mund heranführte. Und trotzdem biss ich schließlich ab. Mit geschlossenen Augen würgte ich das Gemüse herunter, nur darauf fixiert es nicht direkt wieder auszuspucken. Ich hasste Essen.
Jetzt lag ich weitere 10 Kalorien über meinem Tagesziel. Und das obwohl ich weiter abnehmen wollte. Mein Magen rumorte und krampfte aufgrund der Nahrung. Doch ich würde mich nicht übergeben, schließlich war ich ja nicht krank und hatte auch definitiv keine Essstörung. Mir ging es gut. Zumindest mehr oder weniger. Wenn ich mich ein wenig ablenkte, würde es schon wieder passen. Und am besten konnte ich mich definitiv mit Sport ablenken. Ein wenig Sport half mir immer, vor allem könnte ich so mein Tagesziel doch noch erreichen.
Entschlossen richtete ich mich auf, kramte meine Sportkleidung heraus, zog mich an und lief los. Wenn ich joggte, bekam ich meinen Kopf immer frei.
Die Leute, and denen ich vorbeilief, bedachten mich mit argwöhnischen Blicken. Vermutlich lag es daran, dass ich in einer dicken Jogginghose, Hoodie und Jacke joggen ging, obwohl es noch sehr warm war, für Ende November. Die meisten liefen in T-Shirts rum. Und auch mir war ziemlich warm. Der Schweiß lief meine Stirn hinab, fünf Minuten nachdem ich auf den Weg gegangen war, aber so verbrannte man am meisten Kalorien und keiner konnte sehen wie hässlich ich war. Keiner hatte die Möglichkeit meinen Körper zu sehen. Und das war gut so.
Wie immer ignorierte ich die Blicke, die sich in meinen Rücken bohrten, erhöhte meine Geschwindigkeit, als könnte ich alles Schlechte hinter mir lassen. Ich lief zu Höchstformen auf, während die Musik in meinen Ohren dröhnte und mein Atem bereits keuchend ging. Auch das war ich gewohnt. Und ich liebte dieses Gefühl. Diese absolute Erschöpfung, die sich nach einem Sprint in einem breit machte. Nichts war mehr von Bedeutung. Die Erschöpfung nahm jeden Zentimeter meines Körpers ein. Verdrängte jedes andere Gefühl. Ich fühlte mich frei.
Doch dann wurde meine Sicht plötzlich unscharf und bunte, leuchtende Flecken bildeten sich in meinem Blickwinkel, als hätte ich zulange ins Licht geschaut. Ich taumelte, stützte mich zitternd an einem Baum ab und rang nach Atem. Fuck, nicht schon wieder. Übelkeit stieg in mir auf und dieses Mal konnte ich sie nicht zurückdrängen. Mein spärliches Mittagsessen trat wieder nach draußen. Keuchend und würgend hing ich mitten in einem Park, an einem Baum. Ich hatte wohl ein neues Level an Demütigung erreicht.
Eine Hand berührte meine Schulter und reichte mir ein Taschentuch. Dankbar nahm ich es entgegen und wischte mir die Magensäure von den Lippen. Ich hasste es mich zu übergeben. "Alles Okey mit ihnen?", erkundigte sich eine warme, sanfte Stimme. Ich blickte auf und sah peinlich berührt in das Gesicht einer jungen Frau. Sie hatte eine großartige Figur. Sie war wunderschön, nicht so hässlich und fett wie ich. Beinahe entfleuchte mir ein gehässiges "Ja klar", doch ich hielt mich zurück und zwängte mir ein Fake Lächeln, das ich dank meines Jobs bereits perfektioniert hatte, auf mein Gesicht. Da ich sie sonst vermutlich nie loswerden würde erwiderte ich betont fröhlich: "Ja, ja alles ist super. Ich bin nur etwas erschöpft. Da war ich wohl etwas zu euphorisch." Sie sah mich immer noch kritisch an. "Wirklich mir geht es gut, danke der Nachfrage und für das Taschentuch. Ich muss jetzt aber auch schon wieder weiter", wimmelte ich sie ab. Was sollte diese übertriebene Fürsorge? Sonst kümmerte sich schließlich auch niemand um mich, ich schaffte das schon allein. Ich hatte es immer allein geschafft.
Sanft schob ich ihre Hand von meinem Arm, lächelte ihr noch einmal zu, um dann eilig weiter zu laufen. Ich musste einfach noch weiterlaufen. Ich konnte noch nicht aufgeben. Musste weitermachen. Die Kalorien mussten wieder weg. Die Karotte hatte meinen Körper zwar wieder verlassen, aber die Kalorien könnten sich immer noch in meinem Körper befinden.Doch dieser wollte nicht mehr. Wollte nicht mehr weiterlaufen, war zu erschöpft, um wieder in meinen Rhythmus zu finden.
Ich war fertig.

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Bone Mate
Hombres LoboEine von der Angst und dem Mobbing zerbrochene Frau. In einem Teufelskreis gefangen, kaum einer schafft es diesem zu entfliehen. Sich der Opferrolle zu entwinden. Ist es überhaupt möglich? Wird sie es schaffen? Wird sie eine der wenigen sein die die...