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Vielleicht könnte ich ja einfach morgen viel Sport machen und nichts essen. Ja, so würde das schon irgendwie funktionieren müssen. Ich musste diesen Bauch wegbekommen.

Das war ich mir selbst schuldig.
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Thilo legte seine Unterarme auf dem Tisch ab und beugte sich vor. "Und was machst du so wenn du nicht gerade mit zu Geschäftsessen gehst?" Er wollte wirklich mit mir reden. Ich kam mir vor wie im falschen Film.
"Ähm, ich treibe viel Sport, ich liebe es zu joggen. Dabei bekomme ich einfach immer den Kopf frei. Naja und sonst habe... hatte ich keine Zeit für andere Sachen. Ich habe sehr viel Zeit bei der Firma verbracht." Obwohl ich solche Gespräche eigentlich mied, fühlte ich mich irgendwie wohl. Mein Herz hatte sich beruhigt, meine Hände schwitzen nicht und mein Atem ging auch wieder normal.
"Oh, das ist schade. Aber du sprichst die ganze Zeit in Vergangenheitsform. Hat das einen Grund oder war das nur Zufall?" Unsicher biss ich mir auf die Wangeninnenseite. Wollte ich ihn wirklich mit meinen doch eher unnötigen Problemen belasten?
"Tut mir leid, ich wollte dir damit nicht zu nahe treten. Wir können gerne auch über etwas anderes reden. Warst du schonmal im Krutan Park? Da gehe ich am liebsten joggen. Zumindest abgesehen vom Wald. Aber dort ist es wirklich schön friedlich und nicht so überlaufen wie in den meisten Parks hier."
Zum Glück musste ich darüber nicht weiterreden. Ich wollte nicht bemitleidet werden. Ich wollte einfach diesen Abend genießen und Thilo besser kennenlernen. Zögerlich lächelte ich ihn an.
"Nein, da war ich tatsächlich noch nicht. Ich bleibe lieber in meinem vertrauten Umfeld. Meistens traue ich mich nicht neue Sachen zu wagen."
"Hm, verständlich, da bin ich glaube ich ähnlich. Aber in diesen Park musst du unbedingt mal gehen. Hast du übermorgen Mittag vielleicht Zeit? Wir könnten dort eine kleine Runde spazieren gehen. Ich zeige dir meine Lieblingsrunde und wir könnten einen Kaffee trinken?" Er wollte sich nocheinmal mit mir treffen? Freiwillig? Mir schoss das Blut in die Wangen.

"Das würde mich wirklich freuen. Außer das mit dem Kaffee. Irgendwie kann ich den nämlich nicht ausstehen. Tee liegt mir da schon eher."
"Wie dir schmeckt kein Kaffee? Jeder mag Kaffee?" Lachte er mich an. "Naja, er ist bitter und ich werde immer unfassbar hibbelig davon. Tee ist einfach besser. Es gibt viele unterschiedliche Sorten, er schmeckt immer anders und er ist deutlich gesünder."
Ich lächelte leicht und lehnte mich ihm entgegen. Ich mochte solche Gespräche. Eigentlich komplett unbedeutend aber trotzdem einfach unterhaltsam. Wenn ich mit ihm redete fühlte ich mich komplett. Angekommen. Verstanden. Sicher. Und noch so vieles mehr. Und das obwohl wir nur ein wenig redeten.

Als dann schließlich das Essen kam, bemerkte ich es kaum. Unsere Gespräche vertieften sich, wurden teilweise persönlicher und teilweise noch unbedeutender. Es war einfach, zwanglos und echt. Wir waren so tief ins Gespräch versunken das ich ohne es so wirklich wahrzunehmen meinen Teller leerte. Und ich hatte keine wirkliche Ahnung was ich überhaupt gegessen hatte. Es war mir auch vollkommen egal. Er war hier. Mit mir.
Und er interessierte sich für mich. Obwohl auch er schon lange den Teller leergegessen hatte, saßen wir noch eine Weile dort, redeten und tranken die Flasche Wein. Er erzählte gerade von seiner Familie und wie es jeden Tag beim Frühstück zuging. "Und alle versuchen immer so früh wie möglich unten zu sein um das gute Brot zu bekommen. Du musst wissen, ich habe wirklich viele Geschwister. Es ist wirklich ein Kampf. Jeden morgen. Eigentlich wohne ich nicht mehr zu Hause, aber ich hasse es alleine zu essen. Obwohl, dann müsste ich zumindest nicht mehr jedesmal mit Markus um den letzten Semmel kämpfen. Naja, ich gehe zum Essen trotzdem immer ..."

Und da passierte es. Ich lächelte. Ein ernst gemeintes, vollkommen ehrliches Lächeln.

Ich war zum ersten Mal glücklich.

Bone MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt