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Niemals würde ich Erfolg haben. Und das nur wegen ihm.

Wegen meines Körpers.

Ich hasste ihn.

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"Lune, kommen sie her!", ertönte die genervte Stimme meines Chefs durch die Sprechanlage. Er nannte mich immer bei meinem Vornamen, anfangs fand ich das noch ziemlich ungewöhnlich, aber irgendwann wurde mir bewusst, dass mir so viel Respekt nicht zustehen würde. Gut, vielleicht machte er es nicht mit Absicht, schließlich nannte er jeden im Büro beim Vornamen. Aber wer wusste das schon.

Mein Herzschlag dröhnte mir bis in meinem Kopf. Ließ meine Gedanken zu einem panischen Brei verschwimmen. Ich hatte bestimmt etwas falsch gemacht. Nichts konnte ich. Wahrscheinlich musste ich zu ihm, damit er mich kündigen konnte. Schließlich war ich unfähig. Zu nichts zu gebrauchen. Mit langen Schritten lief ich zu seinem Büro, er mochte es nicht, wenn man zu lange brauchte, klopfte an die hohe Milchglastür und trat hinein. Vielleicht zum letzten Mal. Er saß auf einem schwarzen, ledernen Bürostuhl hinter einem riesigen Schreibtisch. Alles wirkte bedrohlich und einschüchternd. Und kalt. So unfassbar kalt. Er musterte mich nicht einmal, sondern konzentrierte sich weiterhin auf seinem Computer, auf dessen Tastatur er geschäftig weitertippte.

Arroganter Sack.

Aber vielleicht meinte er nicht böse. er war bestimmt nur sehr auf seine Arbeit fokussiert, wie immer. Manchmal fragte ich mich ob der Mann überhaupt ein Privatleben abseits der Arbeit hatte. Doch vermutlich nicht.

"Was kann ich für sie tun Mr. McCartney ?" Nervös biss ich mir auf die Lippe. Kurz hob er seinen Blick von dem Bildschirm und betrachtete mich abwesend.

Ich hasste das hier. Dieser Moment, wenn man vor anderen Personen steht, sie einen betrachten und sich eine über einen bildeten. Es gab für mich fast nichts Unangenehmeres. Kaum etwas, was mich so verunsicherte, wie eben diese Momente.

Laut hallte seine kalte Stimme durch den Raum. "Heute Abend ist wieder ein Geschäftsessen, mit Kunden, die noch relativ jung sind etwa, in ihrem Alter, und haben ihr Geschäft erst vor kurzem übernommen haben. Da kann ich einen guten Deal rausschlagen. Die raffen es vermutlich eh nicht, wenn ich sie über den Tisch ziehe. Das ist eine beeindruckende Chance für uns. Da könnte eine Menge Profit für uns rausspringen, wenn wir es geschickt anstellen. Normalerweise würde ich sie mitnehmen, da sie ja meine erste Assistentin sind, allerdings hoffe ich das ich die Kunden mit dem Anblick von Jasmin weiter ablenken kann. Umso weniger sie sich auf mich und den Deal fokussieren, umso besser. Und zudem möchte ich das unsere Firma ausreichend repräsentiert wird, falls der Deal schiefläuft und es doch nur zu einer Zusammenarbeit kommt. Und das wird sie durch ja leider nicht so wirklich. Oder, da stimmen sie mir doch zu?" Mein Herz krampfte unangenehm und ich fing wieder an zu zittern. Tränen traten mir in die Augen und Gefühle der Erleichterung als auch der Trauer durchfluteten mich. Ich wurde nicht gefeuert und ich hatte nichts falsch gemacht. Und dennoch. Erneut wollte man mich nicht dabeihaben. Lieber entschloss man sich jemand unqualifizierten auf wichtige Kunden loszulassen, als mich zu präsentieren. Wieder durschnitt seine Stimme die Stille. "Ich meine, das können sie mir ja wohl nicht übelnehmen. Sie schauen aus als würden sie gleich zusammenbrechen. Achso, ja und deswegen müssen sie dann heute auch noch die restlichen Aufgaben von Jasmin übernehmen, sonst haut das zeitlich nicht so ganz hin."

Bitter schluckte ich meine aufkommenden Tränen wieder herunter. Jetzt noch schwächer zu wirken als ich sowieso bereits war, konnte wohl kaum von Vorteil sein. Und er hatte ja recht. Jasmin war bildhübsch und hatte viel mit ihrer Namensschwester aus dem Disneyfilm gemeinsam. Die schlanke, aber kurvige Silhouette, Die großen dunklen Augen, die vollen schwarzen Haare und auch den orientalischen Touch. Nur nach der Freundlichkeit und der Intelligenz suchte man bei ihr leider meilenweit vergebens.

Mechanisch nickte ich. "Sonst noch was Sir?" "Sortieren Sie bitte diesen Ordner Alphabetisch und sagen sie den Termin morgen um 11 Uhr ab. Ich habe besseres zu tun als mehrere Stunden meines Vormittags mit diesem Möchtegern Affen zu verschwenden", er blickte wieder auf, musterte mich mit gerunzelter die Stirn. Panik wuchs in meinem Inneren an. Wieso sah er mich so an? Hatte ich doch etwas falsch gemacht? Würde er mich doch noch feuern?

"Sag mal, sind sie eigentlich schwanger? Ich frage mich das schon eine Weile, schließlich muss ich darüber Bescheid wissen, ob ich mir bald einen Ersatz suchen muss. Und ich meine bei der Kugel, die sich da unten bei ihnen breitmacht, wäre das nicht undenkbar, oder?" Mir klappte der Mund auf und jede mögliche Antwort blieb mir im Hals stecken. Also schüttelte ich nur fassungslos den Kopf. "Oh, aber die Möglichkeit hätte ja bestanden. Obwohl. Vermutlich fallen sie auseinander, wenn da mal einer kräftig zustößt, oder?" Er lachte dunkel auf. Der Laut ging mir durch Mark und Bein, weswegen es mich leicht schüttelte und ich peinlich berührt zu Boden sah. Doch das bekam er schon überhaupt nicht mehr mit. Zu sehr war er wieder von seinem Bildschirm abgelenkt und winkte mich nach draußen.

"Sie können jetzt gehen. Aber vergessen sie nicht den Ordner. In spätestens einer Stunde brauche ich den sortiert zurück." Schnell griff ich mir das erwähnte Objekt, nahm meine Beine in die Hand und floh aus diesem Höllenraum. Keine zehn Pferde würden mich jetzt wieder da reinbringen. Zu groß war die Blamage, der mich mein Boss gerade ausgeliefert hatte.

Als ich dann zurück an meinem Schreibtisch war hallten mir immer noch seine Worte im Kopf nach, weswegen ich meinen Fokus nicht bei meiner Arbeit behalten konnte, sondern mein Blick andauernd zu dem Spiegel neben meinem Tisch schwenkte. Ich wollte nicht hineinsehen. Nicht wahrhaben, wie recht er hatte. Wie zerstört ich aussah. Doch es half nichts. Ich stand auf, ging vor den Spiegel und zog meine Bluse enger an meinem Körper fest, um meinen Bauch betrachten zu können. Ich sah was er meinte. Und er hatte recht, mal wieder. Man sah immer noch diese komische Wölbung an meinem Unterleib. Ich verzog das Gesicht. Und das obwohl meine Rippen schon seit langen im Vordergrund standen. So wie ich es auch wollte. Ich würde nur noch diesen Bauch loswerden müssen. Dann wäre ich endlich dünn genug.

Denn so konnte es nicht weitergehen.
Ich musste etwas unternehmen.

Ich war viel zu fett.

Bone MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt