Wunderkind, der Rabe und Q

27 7 2
                                    

Am nächsten Morgen fuhr mich Dad zur Schule. Die Anderson Akademie war ein zweistöckiges Gebäude mit einem kleinen Flügel und viel Beton und wenig Fenstern. Zugegeben, es war ganz nett. Der Schulhof, über den ich gerade eben stolperte, war weitläufig und hübsch gestaltet. Viele Buchen standen auf dem Rasen und Bänke bote Sitzgelegenheiten. Ich sah auf die Uhr.
07:45 Uhr
Nunja. Es war noch nicht viel los. Lediglich ein paar Kids standen in Grüppchen herum und tuschelten - vermutlich über die komische Neue mit den pinken Haaren. Seufzend ließ ich mich auf eine Bank fallen und zog die Knie zum Kinn. Meine Tasche stellte ich neben mir ab. Uff. Das würde hart werden. Ich konnte ja noch nicht mal Norwegisch ... also Norwt ... oder wie hieß das nochmal? Oh Mann. Zwar hatte ich mir ein paar Wörter und Sätze durch Google und Bücher verinnerlichen können, trotzdem war ich unsicher.
"Hi" Ich hob den Kopf. Ein Mädchen mit violetten Haaren stand vor mir, die Schuluniform, die ich auch trug, perfekt sitzend. "Bist du neu hier?" Ich verstand gerade so was sie von mir wollte. "Ja. Ich bin Mona." Grinsend hielt sie mir die Hand hin. Ich nahm sie.
"Ich bin Jenny Raven Mick. Cool, dass ich nicht mehr die einzige mit einer ungewöhnlichen Frisur bin." Ich lachte. "Also.", flötete Jenny und setzte sich neben mich. "Woher kommst du?"
"Deutschland."
"Woah.", machte sie. "Ist 'ne ganze Weile weg von hier. Wann seid ihr hergezogen?" Sie lockerte ihre blaue Krawatte und rieb sich die Lackschuhe an den Kniestrümpfen sauber. Sie schien ziemlich stolz auf diesen Fummel zu sein. "Vor einer Woche. Mein Dad und ich wohnen in dem kleinen Haus am Rand der Stadt." Jenny riss die Augen ungläubig auf. "Sag bloß, der Adlerhorst?" Ich hob die Hände. "Warte warte, langsam, so gut kann ich die Sprache noch nicht." Sie verstummte. "Ups, sorry. Sprichst du englisch?" Ich nickte.
So unterhielten wir uns also auf Englisch. "Also warte, wie hast du unser Haus gerade genannt?"
"Der Adlerhorst. Früher, als das hier noch ein kleines Dorf war, wohnte dort der Bürgermeister, der Hahn im Hühnerstall eben. Nicht pervers denken, jaja. Naja und deshalb nennt es jeder so. Keine Ahnung wie aus nem Hanhn ein Alder wird, weiß ich auch nicht. Egal. Es steht schon ziemlich lange leer."
"Warum denn? Es ist wirklich hübsch.", wollte ich wissen. Das fragte ich mich wirklich. Diese Frage schien Jenny nicht kalt zu lassen. Bedächtig sah sie sich um, dann beugte sie sich zu mir. "Es ist so ... es heißt in den Wäldern hier spukt es. Du weißt schon, Geister, komische Gestalten, halb Tier, halb Mensch, oder merkwürdige Vorkommnisse nachts. Deshalb sieht man hier, sobald die Sonne untergegangen ist, kaum jemanden auf den Straßen. Im Winter ist es besonders schlimm, da es hier teilweise tagelang dunkel bleibt. Und euer Haus steht nichtmal in der Stadt, sondern total frei und ungeschützt. Deshalb fürchtet sich jeder davor dort einzuziehen." Die Farbe wich mir aus dem Gesicht. "Du meinst ... warte, wurden diese Wesen schon jemals gesichtet?" Jenny spielte an ihrem Lippenpiercing herum. "Manche sagen, sie hätten ganze Herden an Zentauren oder sowas gesehen als sie im Wald waren. Andere hören ab und zu das Heulen von Wölfen, obwohl es die hier in der Nähe nur selten gibt. Sofort dachte ich an den Vorfall mit Fin im Gebüsch, als die angeblichen Reiter uns passiert hatten. Konnte es sein dass -
Es klingelte zur ersten Stunde. Jenny Raven Mick und ich fuhren gehetzt auseinander und sahen uns gleichzeitig nach möglichen Spitzeln um, die uns belauscht haben könnten. Als wir niemanden in unserer Nähe stehen sahen, richteten wir uns erneut im selben Moment auf - sahen uns an und begannen zu lachen. "Gehen wir rein? Welchen Kurs hast du als erstes?", sagte Jenny, während sie ihren Rucksack schulterte. Ich zog den Stundenplan aus der Tasche - "Ääh ... Englisch?" Ich konnte die Wörter nur mäßig entziffern. Jenny sah mir über die Schulter. "Japp. Das ist im ersten Stock. Komm, sonst tickt die Alte wieder völlig aus."

Mit Der Alten meinte Jenny Frau Hansen. Eine knochendürre, platinblondhaarige entweder 20 oder 60jährige Dame im Hosenanzug. Ihr strenger Blick glitt über mich hinweg als Jenny mich ins Zimmer zerrte. "Ah.", gab die Hansen langgezogen und so knarrzend und quietschend wie eine Tür, die schon lange kein Öl mehr gesehen hatte, von sich. "Unsere neue Schülerin." Auf englisch fuhr sie fort: "Wir werden uns auf Englisch unterhalten. Du wirst Extrastunden bei einem Nachhilfelehrer erhalten, um unsere wunderbare Sprache zu lernen. Immer Dienstags und Donnerstags. Eine Stunden zum normalen Unterricht zusätzlich. Dein Vater hat alles so eingerichtet und es wird nicht gedulden, dass du sie versäumst.
Außerdem findet in drei Wochen ein Winterball statt. Du solltest dir also ein Kleid anschaffen." Erneut musterte sie mich abschätzig. "Ach das hier geht schon.", witzelte ich und zog den Saum meines dunkelblauen Sweatkleides lang, das ich mit schwarzer Strumpfhose, roten Allstars und wie üblich meinen vielen Ketten und Piercings kombiniert hatte. Mein Haar hatte ich zu einem lockeren Zopf geflochten der mir über die Schulter fiel. Frau Hansen lachte jedoch nicht über meinen Scherz. "Das glaube ich wohl kaum. Aber wenn Sie unsere schöne Tradition mit solchen ... Klamotten verschandeln möchten, bitteschön." Ein kaltes, spöttelndes Lächeln zierte ihre schmalen Lippen. Das reichte mir schließlich. "Naja, das lässt sich einrichten. Ich bin übrigens Simona Fray, schön, Sie kennenzulernen. Ihr Anzug gefällt mir übrigens - ich glaube, mein Vater besitzt den selben.", gab ich noch viel legerer von mir als ich es für möglich gehalten hatte. Dann drehte ich mich zu Jenny um, die hinter mir gestanden und alles mit angehört hatte. Sie guckte mich mit ungläubig geweiteten, riesigen Augen an. Ich legte den Kopf schief. "Setzten wir uns?", schlug ich vor und umklammerte den Gurt meiner aus ausgefranstem schwarzen Stoff bestehenden Tasche fester. Eigentlich nestelte ich gern an den Aufnähern herum, aber an die kam ich gerade nicht heran. Jenny nickte, und ich folgte ihr bis in die vorletzte Reihe, in der ich mich neben sie fallen ließ. "Boar. Du hast's drauf, Kleine!", kam es von der Seite. Ich wandte mich nach links. Neben uns saß sein sportlicher Junge mit schwarzen Haaren die zu einem lässigen Undercut gestylt waren und dunklen Augen. Seine Haut war ziemlich hell, beinahe bleich. Bevor ich den Mund aufmachen konnte schwang sich Jenny von ihrem Stuhl hoch und setzte sich auf unseren Tisch. Damit hatte sie die ungeteilte Aufmerksamkeit. "Ja! Mensch, hast du 'ne Ahnung dass du es gerade der Schulhexe schlechthin gezeigt hast?! Das hat noch nie jemand gebracht." Ich sah die zwei an und mein Mund stand wahrscheinlich ein ganzes Stück offen. "Ich ... mochte eben nicht wie sie mit mir geredet hat." Daraufhin glotzten mich der Junge und Jenny einfach nur an. "Was denn?", hakte ich bereits leicht gereizt nach. Langsam nervte mich das ständige Starren. Absolut jeder starrte.
"Du ... woah. Halleluja. Jenny, du hast mal wieder 'nen echt Guten Riecher gehabt. Wie heißt das Wunderkind?"
"Ich bin Mona.", grinste ich. Wunderkind? Daran könnte ich mich gewöhnen. Der Typ gab mir mit einem schiefen Grinsen seine lange, große Hand. "Nenn mich Quentin. Q. Quantum Trost. Queen. Wie es dir beliebt.", plapperte er. Ich lachte. "Cool." Mein Blick wanderte an ihm herab ... Oh Gott. Mein Mund klappte bis auf die Tischplatte. "Du stehst ja auf Nirvana!", brüllte ich beinahe, die Fassungslosigkeit nur so aus mir heraus. Konnte das sein?! Er trug das berühmte schwarze T-Shirt mit dem gelben Smiley! "Ja, schätze schon. Ich mag Kurts Stimme und seine Aussagen." Ein schelmisches Grinsen schob sich auf mein Gesicht. "Geht doch. Endlich ein Bruder." Ich streckte ihm die Faust hin - er stieß dagegen. "Seit wann hören Mädchen Grunge?" Quentin stützte das Kinn in seine Handfläche. Mit zuckenden Schultern hob ich meine Tasche auf um Schreibzeug und Block herauszuangeln. "Schon seit ich zwölf bin oder so."
Wahrscheinlich hätte ich mich mit Q noch Stunden ohne Punkt und Komma unterhalten, da klingelte es zur ersten Stunde.

"Mona! Hey, stopp!" Ich blieb stehen und drehte mich um. Jenny und Quentin kamen auf mich zugerannt. Jennys Rock, der meinem glich, war plötzlich irgendwie kürzer und ihre weise Bluse war etwas weiter geöffnet. Die Krawatte lag locker auf ihren Schultern. Auch Q's Jacket war verschwunden und der Schlips gelockert. Sie hatten die Lackschuhe gegen Sneaker und Boots getauscht. "Wo hin denn so schnell?", wollte Q wissen sobald sie bei mir angelangt waren. "Äh ... Wahrscheinlich nach Hause.", spekulierte ich. Jenny lachte. "Aaaach, sicher? Musst du heim oder hast du noch Zeit?"
"Zeit für was denn?" Beide zuckten synchron die Schultern. "Bisschen in die Stadt. Es gibt da coole Läden; Café's, Büchereien, Musikläden -"
"Okay, bin dabei. Los! Worauf wartet ihr noch?!"

Heeey, ich dachte ich schreibe hier auch mal ne kurze Info für die Leute die bereits fleißig an Woodchild lesen.
Wenn ihr es für eine gute Idee haltet würde ich ein "Zusatzbuch" hochladen, in dem ich Steckbriefe, Zeichnungen von mir und von Künstlern, die ich auf Pinterest entdeckt habe einbaue, damit ihr einen besseren Überblick von meinem Buch bekommt.
Falls es euch interessieren würde:
Einfach kommentieren ^^
Außerdem danke ich auch natürlich für die lieben Kommis und Votes, ich dachte nie dass das so toll ist! *-*
Bis bald, eure
@alaskabluestorys

Woodchild  -  BEENDET Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt