Die kalte Wintersonne schob sich zwischen den Bäumen hervor. Der frühe Morgen verwandelte sich, je mehr wir schleppten und räumten, immer weiter in einen schönen Vormittag. Die kühle Luft des noch jungen Winters tat mir gut und das wenige, jedoch klare Sonnenlicht hielt mich wach. Obwohl wir hier in Norwegen waren, wurde es schneller hell als ich gedacht hatte.
Da mittlerweile auch die anderen Transporter die lange Fahrt von Deutschland bis hier her hinter sich hatten, und somit viele Leute mithalfen den Umzug so schnell wie möglich über die Bühne zu bringen, ging alles relativ schnell. Das Haus füllte sich, und als der letzte Sprinter vorfuhr und wir ihn mit vereinten Kräften ausluden, gerieten meine Kraftreserven bereits deutlich ins Wanken. Der Pulli klebte mir am verschwitzten Leib und so langsam bereute ich es zutiefst, mich für einen so verflucht kurzen Rock entschieden zu haben. Da ich wohlgemerkt das EINZIGE Mädchen war, verbrachte ich die Hälfte der Zeit damit meine Klamotten so gut es ging nicht verrutschen zu lassen.
Was aber nicht hieß, dass ich eine Behinderung wäre. Die meisten der Packer behandelten mich gerecht und respektvoll und sahen mich als weitere helfende Hand an. Das war mehr als angenehm, gäbe es da nicht vereinzelte Sticheleien die auf mein Geschlecht oder mein Aussehen anspielten. Kam so ein Spruch, war derjenige meist sofort bei mir abgeschrieben.Ich stieg auf die Ladefläche des Transporters, handtierte zwischen Möbeln, Kisten und Säcken herum, bis ich mit zwei Schachteln beladen gerade aus dem Wagen klettern wollte ... "Brauchen wir etwas Hilfe, Schnecke?" Beinahe wäre ich auf dem nassen Trittbrett ausgerutscht vor Schreck. Einer der Arbeiter kam auf mich zugestapft. Breite Schultern, aschblondes Haar, grünblaue Augen, die nochdazu unheilvoll funkelten. Augenblicklich verengten sich meine Augen zu Schlitzen. "Keine Ahnung wie's bei dir aussieht mit Hilfe benötigen, aber ich komme ganz gut allein klar.", antwortete ich knapp. Der Typ sprach Deutsch mit Akzent und war nun bei mir angelangt. Ich sprang aus dem Wageninneren, packte die Schachteln fester und wollte mich schon an ihm vorbeidrängeln, da hob er eine Hand und legte sie an meine Wange. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Der Mann, an die zwanzig vielleicht, leckte sich die schmalen Lippen. Ich drehte den Kopf so weit es ging zur Seite, wollte schon ausweichen, als er den zweiten Arm bereits an meine Hüfte legte. "Hier geblieben!", entwich es ihm. Mir stockte der Atem. Das war kein simples Knurren, das war der Laut eines wilden Tiers das kurz davor war seinen Trieben nachzugeben ...
"Tyrell!", durchdrang es die zum Zerreißen gespannte Stille. Ich hörte schnelle Schritte, sah wie das Glitzern aus den Augen des Kerls vor mir verschwand, und spürte im gleichen Moment wie eine fremde Hand an der von dem Typen riss, der anscheinend Tyrell hieß. Dann war ich frei und eine unglaubliche Last wich von meiner Brust. Ich stolperte und landete auf dem Boden. Ich blinzelte die Sterne vor meinem inneren Auge fort. Dann sah ich, wie mir jemand die Hand entgegen streckte. Es war Fin. "Komm hoch, Mona, alles okay.", raunte der junge Norweger. Mit beiden Händen ergriff ich Fins Hand und stand daraufhin - sehr, sehr nah an Fin wohlgemerkt. Erneut verkrampfte sich mein Magen, jedoch war es dieses Mal ein angenehmes Kribbeln im Bauch. Beide hielten wir die Luft an. Bis ein leises Stöhnen uns aus unserer Trance riss. Ich nahm Abstand von Fin. Einige Meter neben uns kniete Tyrell auf dem schneebedeckten Boden und hielt sich den Kiefer. Ein dünnes Blutrinnsal lief ihm aus dem Mundwinkel. Wie ... hatte Fin ihm etwa ... "Mensch, Alter, was soll der Scheiß!", brüllte Tyrell aufgebracht. Neben mir baute sich Fin zu seiner vollen Größe auf. "Das hab ja wohl ich dich zu fragen!", konterte er scharf und kurz glaubte ich den eigentlich stärkeren und älteren Mann zusammenzucken zu sehen.
Kurz blieb es mucksmäuschen Still. Wir waren allein auf dem Hof und der Lieferwagen bot uns Schichtschutz, weshalb uns die anderen von drinnen nicht bemerkten. Hätten Blicke töten können, Tyrell wäre auf der Stelle tot umgefallen. Fins Augen hefteten sich unerbittlich auf den sich langsam erhebenden Mann. Der wischte sich das Blut von der Lippe und wandte sich mit einem verschleierten, fasziniereden Blick in meine Richtung und einem aufmüpfigen Knurren zu Fin von uns ab. Dann marschierte er zurück zum Haus.
Ich blieb mit Fin allein, dem Kerl den ich vor wenigen Stunden noch als Macho und Arschloch bezeichnet hatte, und der mich eben aus einer ungewöhnlichen Situation befreit hatte. Ich schluckte.
Seit der Begegnung in meinem Zimmer hatten wir nicht mehr viel gesprochen, trotzdem glaubte ich in diesem Moment sehr viel in seinen in die Ferne gerichteten Augen lesen zu können. Als würde ich ihn schon ewig kennen und unendlich viel Gesprächsstoff zwischen uns bereits ausgetauscht worden wäre ... Ruckartig wandte Fin sich mir zu. Ich zuckte zusammen. "Sorry, ich wollte nicht Starren." Fin sagte kein Wort, sah mich einfach nur an. Seine Augen hatten einen unnatürlich schönen Grünton mit türkisen Elementen und braunen Sprenkeln um die Pupille. Es war ein fesselndes Gefühl seinen Blick so lange zu erwidern. "Was hat er zu dir gesagt?", fragte er nach einer gefühlten Ewigkeit und bückte sich, um die zwei Schachteln aufzuheben, die ich im Eifer des Gefechts hatte fallen lassen. Er klemmte sie sich lässig unter den Arm. Das ausgewaschene T-Shirt spannte über seinen Schultern als er sie leicht kreisen ließ. Schnell wandte ich den Blick ab, begann vor ihm hin und her zu gehen und widerzugeben, was Tyrell von sich gegeben hatte. Selbst jetzt sah ich noch die Aggression in seinen Augen und spürte seine Hände viel zu fest zupacken. Wut quoll in mir hoch, ich hätte am liebsten geschrien. Doch für's erste reichte es mir immer schneller und lauter zu sprechen und dabei fester und fester mit den Füßen aufzustapfen. Anscheinend kapierte Fin dass ich kurz davor war hochzugehen wie ein Silvesterknaller, denn er stellte sich mir in den Weg so dass ich verhindert war weiter zu trampeln. Beinahe wäre ich ihm auf die Füße gestiegen, verdammt. Wütend riss ich den Kopf hoch. Okay, Mona, es ist nicht seine Schuld, du solltest ihm dankbar sein, anstatt die Wut an ihm auszulassen., versuchte ich mich zu beruhigen, was nicht viel brachte. "Geh weg. Danke für die Hilfe aber geh einfach. Ich hab alles gesagt und jetzt wär ich gern allein.", zischte ich. Fin hob eine Augenbraue. Hey, das war ja wohl mein Markenzeichen ... "Du solltest zusehen ins Warme zu kommen. Deine Stimme ist schon ganz rau und du holst dir sonst noch ne dicke Erkältung."
"Mir ist warm! Was soll das? Bist du etwa mein Papi oder was?!"
"Nein, Simona, das bin immer noch ich und ich gebe dem jungen Mann recht. Würdest du also ins Haus gehen und uns den Rest hier erledigen lassen?", erklang die Stimme meines Vaters hinter mir. Ich wurde wahrscheinlich ziemlich blass. Hupsi. Wie lange stand er da denn schon? Fin erschien mir ebenfalls etwas geschockt und verlegen. Warum verlegen? Ich drehte mich um. Paps lehnte am Transporter und hatte grinsend die Arme verschränkt. Ich schnaubte frustriert. "Ich ... ich hab ...", stotterte ich, weil ich irgendwas seinem Befehl entgegensetzen wollte.
"Mach einmal was ich dir sage, Kleines, und geh rein."
Überrumpelt von seiner Ansage setzte ich mich in Bewegung und machte mich aus dem Staub - allerdings nicht Richtung Haus.
Der Wind wehte mir letzte angeregte Rufe meines Dads hinterher, die mir befahlen sofort wieder zurück zu kommen, aber ich rannte einfach weiter und weiter dem Waldrand entgegen.
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Woodchild - BEENDET
ФэнтезиSimona Frey ist gerade dabei, ihren Platz im Leben zu finden, und hat es schon fast geschafft. Aber dann - kompletter Umbruch. Sie und ihr Vater ziehen nach Norwegen. Anfangs ist Mona alles andere als begeistert. Doch dann lernt sie Leute kennen, d...