Ich erwachte. Wärme durchflutete mich. Wo war ich? Langsam öffnete ich die Augen - und blickte in Fins Gesicht. Ganz nah neben mir. Er hatte die Augen geschlossen, atmete ruhig. Seufzend wandte ich den Blick von seinen schönen Lippen ab und sah mich um. Wir befanden uns im Wohnzimmer des Adlerhorsts. Wie waren wir hier her gekommen? Ich schüttelte irritiert den Kopf. Das letzte, an das ich mich erinnern konnte war eine schwere Hand auf meiner Hüfte. Ein bedrängendes Gefühl. Eine Bewegung in meinem Augenwinkel ließ mich zusammenzucken. Ich riss den Kopf herum. Und stuzte. Da saß der Pferdeblüter mit den roten Haaren und guckte mich aus großen Augen an. Er schien vom Sessel gefallen zu sein, auf dem er genächtigt hatte. Überraschender Weise begann ich daraufhin zu lachen. Auch der Junge grinste zurück. Ich schwang die Beine von der Couch und streckte ihm die Hand entgegen. "Also. Du bist Luk, hm? Ich bin Simona, aber du weißt ja schon dass ich Mona genannt werde." Luk nahm meine Hand und schüttelte sie. "Tja, genau so siehts aus. Hi nochmals, Mona. Ich bin gestern mit euch hierher gekommen. Ich hoff', es stört dich nicht dass ich hier geblieben bin. Aber Fin erschien mir ziemlich erledigt." Luk machte es sich, den Rücken an den Sessel gelehnt, auf dem Holzboden bequem. Und auf meine Fragen hin erzählte er mir alles, was gestern Nacht geschehen war. Mir fiel die Kinnlade auf die Füße. Die Prügelei mit Tyrell, die Aktion mit dem Sprinter. Ein Blick auf Fin bestätigte mir, wie fertig er war. Kratzer im Gesicht, einen verbissenen Zug um den Mund, wirres Haar. Ich könnte sogar wetten, ihn ab und zu knurren zu hören. Und das alles nur, weil ich nicht auf mich aufpassen konnte. Das schelchte Gewissen nagte an mir und meine Brust schnürte sich zu. "Das - das wollte ich nicht.", brachte ich hervor und sah Fin weiter an. Vorsichtig legte ich eine Hand auf seine und strich über die vielen winzigen Narben an seinem Handgelenk. "Es tut mir leid." Das war sowohl an Luk als auch an Fin gerichtet. "Ach, mach dir da mal keinen Kopf. Ich hab ihn schon schlimmer gesehen. Und wenigstens hat Tyrell mal ne ordentliche Abreibung kassiert!", redete Luk mir gut zu und trommelte mit den Fingern auf das Sesselpolster. Ich beschloss, ihm zu glauben, trotzdem nahm ich meine Hand nicht wieder von Fins herunter. "Du bist also Frays Tochter, was?", ergriff Luk das Wort. Ich nickte etwas verlegen. Jetzt war es sowieso zu spät irgendwas zu leugnen. Luk verschränkte die Arme und musterte mich grinsend. "Artemis hat euch immer als unsympathische, nichtsnutzige Verräter hingestellt. Gut, dass ich ihm sowas nicht abkaufe. Also mach dir keine Sorgen, ich erzähle ihm nichts hiervon.", erklärte Luk und mir fiel ein gigantischer Stein vom Herzen. "Aber was will er eigentlich von uns? Er sagte irgendwas, dass er Dad kenne und irgendein Zwacker oder so -"
"Zwicker.", unterbrach er mich. "Was?"
"Artemis hat Zwicker gesagt. Das ist ein Bekannter von ihm. Lächerlicher Spitzname, ich weiß. Aber der scheint dir schon begegnet zu sein."
"Kennst du ihn?", wollte ich wissen. Bedauerndes Kopfschütteln. "Ich kenne Gott und die Welt, allerdings kann man nie genau wissen wer hier unter den Naturseelen einen Zweitnamen hat. So bleiben die Leute hier oft anonym." Ich verzog den Mund frustriert. "Und was wollte Artemis mit ... Unrein? Und was meintest du mit Dads wahrer Liebe?" Luk beugte sich leicht nach vorn. "Glaubst du, deine Fähigkeiten kommen von Ungefähr? Dein Dad stammt aus einer Rehblüter-Famile, er hat nur leider keine Magie. Und ich möchte wetten, dass er noch nicht mal allzuviel über die Gene, die in seinem Stammbaum vorhanden sind, weiß." Das haute mich aber nun echt um. Meine Augen weiteten sich. "Warte ... also hat Paps keine Fähigkeiten und keine Ahnung was hier läuft?"
"Vielleicht spürt er ab und zu etwas, aber er wird wohl nie Hufe statt Füße haben, ja." Ich nickte. "Aber Artemis sagte, er sei bereits hier gewesen ... Kann's vielleicht sein dass ... Mein Dad hat hier gelebt, oder?" Die Erkenntnis war schneller zu verkraften als gedacht. "Er sagte, er wolle wegen der Arbeit hierher ziehen. Aber in Wirklichkeit hat er einfach seine Heimat vermisst.", schloss ich. Ich dachte an den Mann mit dem bereits grau melierten Haar, den braunen Augen und der hohen, breiten Statur. Oh ja, mein Dad gehörte hier her. Warum war mir das nicht schon eher aufgefallen? An der Art, wie er den Jeep so sicher über die engen Straßen gleiten ließ, wie er hier mit dem Menschen sprach und der stehts etwas trübe Blick wenn er etwas auf Norsk hörte. Zwar hatte er nicht den weg zum Krankenhaus gewusst, aber das konnte er in all den Jahren schließlich auch einfach vergessen haben. Erstaunt über all die neuen Erkenntnisse ließ ich mich zurück in die Polstet sinken. "Woah. Das nenn ich mal eine Story."
"Gut kombiniert, Sherlock." Das entlockte mir ein Grinsen. Sherlock, genau wie Paps es immer sagte. Bevor ich noch etwas sagen konnte regte sich die Couch neben mir und im nächsten Moment öffnete Fin blinzelnd die Augen. Als sein Blick meinen traf flatterte meine Brust. "Hey.", sagte er leise ohne wegzusehen. "Hi." Ich rutschte und Fin setzte sich langsam auf. "Wie geht's dir?", fragten Luk und ich aus einem Mund. Fin hob die Arme und streckte sich genüsslich, wobei ein schmaler Streifen Haut unter dem Saum des Shirts zum Vorschein kam. Erneutes Flattern. Ich schluckte und guckte schnell weg. "Mir? Nicht so wichtig." Er stand auf und sah mich ernst an. "Ist alles okay bei dir?" Okay, das Flattern wurde stärker. "Jaja! Ist schon okay.", wiegelte ich ab und wechselte schnell das Thema. "Will jemand Kaffee?", warf ich noch schnell in den Raum bevor ich durch die Tür in die Küche huschte. Einstimmiges Ja von den beiden Jungs.
Na also, ging doch.Nach dem schnellen Frühstück verabschiedete sich Luk und somit blieben Fin und ich allein zurück. Da Dad schon gestern Abend zur Arbeit gefahren war und erst in zwei Stunden wiederkam, hatten wir genügend Zeit alles nochmal in Ruhe durchzugehen was alles so geschehen war. Fin wusste ebenfalls nichts von einem Zwicker, außerdem nahm er die Info zu Dads neu erschlossene Herkunft gelassen auf. Als ich ihn nach den Vorfällen auf der Feier fragte, blockte Fin jedoch vehement ab. Ich sah, dass er sich für etwas schämte. Also griff ich quer über den Küchentisch hinweg nach seiner Hand. Nun flackerte sein Blick leicht, seine Schultern hoben sich überrascht. "Erzähl's mir. Bitte." Von unten herauf sah Fin mich an. Und dann erklärte er. Und mir rutschte vor Scham und Wut über mich selbst das Herz aus der Brust. Oh Gott, was tat ich nur immer?
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Woodchild - BEENDET
FantasiaSimona Frey ist gerade dabei, ihren Platz im Leben zu finden, und hat es schon fast geschafft. Aber dann - kompletter Umbruch. Sie und ihr Vater ziehen nach Norwegen. Anfangs ist Mona alles andere als begeistert. Doch dann lernt sie Leute kennen, d...