Meine Schuluniform war nett. Sie erstickte zwar auch jegliche Kreativität im Keim, was mir ziemlich gegen den Strich ging, aber wenigstens sah sie einigermaßen gut aus. Dennoch, die Haare durfte man tragen wie man wollte, wie mir Jenny heute morgen gesagt hatte, und das gefiel mir. Mit meinen zu einem eleganten Zopf mit Flechtelementen an den Seiten hochgebundenen Haaren saß ich im Unterricht und schrieb Frau Hansens zäh vorgetragene Informationen ab. Ich versuchte mich zu konzentrieren, doch Jenny neben mir wollte einfach nicht aufhören mit Q über igendein Konzert in Oslo zu quatschen, auf das sie umbedingt wollte. Außerdem war dieser Ball, der in zwei Wochen stattfinden sollte, schlichtweg das Thema in der gesammten Klasse. Das schloss ich zumindest aus all den Gesten und wild glitzernden Mädchenaugen, in denen sich der Traum spiegelte, endlich einmal Prinzessin spielen zu dürfen; und das wenigstens ein paar Stunden lang. Ich grübelte, als ich den Merkeintrag fertig geschrieben hatte, darüber nach ob ich den Ball überhaupt besuchen sollte. Mit wem denn auch? Fin würde wohl kaum mit mir da hingehen, und das würde ich ihm auch nicht antun - die Schule war für ihn schließlich bereits Geschichte. Ansonsten hatte ich an keinem Interesse, höchstens Kurt Cobain hätte gegen meinen Möbelpacker anstinken können, und das auch nur knapp. Plötzlich stieß mich Jenny in sie Seite und ich blinzelte um zurück in die Realität gelangen zu können. "Was?", wollte ich wissen. Jenny fuhr sich mit beiden Händen in die lilanen Haare und verstrubbelte sie ordentlich, dann schlug sie die Beine übereinander. "Sicher dass bei dir wieder alles okay ist? Ich will nicht, dass du nochmal einfach so im Krankenhaus landest." Sie klang ehrlich besorgt und ich zwang mich, nett zu bleiben. "Ja, es ist alles in Ordnung, ich bin bloß müde. Gestern war ein langer Tag.", erklärte ich und rieb mir übers Gesicht. Erst spät Abends waren Fin und ich schlafen gegangen. Er im Gästezimmer, ich in meinem Bett hatten wir beide vergeblich versucht ohne den anderen einzuschlafen, was letztendlich nicht geklappt hatte. Irgendwann mitten in der Nacht hatte es mir gereicht und ich war zu ihm nach unten gegangen, mitsammt Decke und Kopfkissen. Dann hatte ich langsam die Tür geöffnet, und tatsächlich war Fin noch wach gewesen. Er schien mich bereits gehört zu haben - ich fragte mich ob er auch als Mensch das Gehör eines Wolfs hatte und nahm mir vor ihn bald danach zu fragen - und war nicht weiter überrascht als ich mich neben ihn legte. Natürlich passierte nichts zwischen uns, aber am nächsten Morgen erwachte ich dicht an Fin gekuschelt, meinen Arm um seine breite Brust geschlungen. Als ich daran dachte begann mein Herz wie wild zu hüpfen. "Mona? Mona!", zischte Quentin und beugte sich über den Mittelgang um mich sehen zu können. Ich kam ihm ein Stück entgegen. "Hm?"
"Sag, du hast doch heute Nachmittag den Eriksen, oder?" Ich nickte gequält. Ich hatte abaolut keine Lust auf Nachhilfe. "Was stellst du danach noch so an, Wunderkind?" Ich dachte an Fin, doch der musste sich heute um das Rudel kümmern - das war seine ausweichende Antwort gewesen. Was er genau damit meinte, wusste ich nicht. Aber ich konnte ihn sowieso nicht jede Sekunde des Tages beschlagnahmen, schließlich war es auch sein Leben. Also zuckte ich nur die Schultern. "Lust auf lernen? Wir treffen uns in der Stadtbibliothek. Aber gelernt wird die wenigste Zeit, keine Sorge. Die haben 'ne super Comic-Abteilung.", witzelte Q und lachte etwas zu laut, was ihn einen strengen Blick von Frau Hansen einbrachte. "Okay, ich komm' mit. Wo ist die Bücherei?" Quantum Trost beschrieb mir den kürzesten Weg und wir vereinbarten, dass wir uns nach der Nachhilfe bei Eriksen vor der Bibliothek treffen wollten. Ich freute mich, und der restliche Tag verging schneller als gedacht. Letztendlich klopfte ich wie schon vor zwei Tagen an Eriksens Büro und er bat mich herein.
Langsam betrat ich den Raum und sofort spürte ich den stechenden Blick des Lehrers auf mir. Ich streifte den Wintermantel ab, setzte mich und überkreuzte die Beine abwartend. "Also Simona. Ihnen scheint es ja Gott sei Dank besser zu gehen. Dann wollen wir doch mal weitermachen -" Erikse reichte mir einige Blätter und ein dickes Buch. "Mit diesem Wörterbuch sollten Sie sich auch Zuhause einige lapidare Floskeln aneignen können, mit den Arbeitsblättern können Sie üben und das neue Wissen vertiefen. Ich legte das Lernmaterial auf meiner Tasche ab um es später nicht zu vergessen, denn mir gefiel diese Aufgabe. "Und um uns jetzt die Stunde zu vertreiben, dachte ich mir, ich zeige Ihnen die üblichen Rechtschreibregelungen, das Alphabet haben wir ja letzte Stunde schon besprochen. Ich werde Ihnen einige deutsche Sätze diktieren und dann lösen wir sie zusammen, bis perfektes Norsk dabei herauskommt. Also, dann mal los!"
DU LIEST GERADE
Woodchild - BEENDET
FantasySimona Frey ist gerade dabei, ihren Platz im Leben zu finden, und hat es schon fast geschafft. Aber dann - kompletter Umbruch. Sie und ihr Vater ziehen nach Norwegen. Anfangs ist Mona alles andere als begeistert. Doch dann lernt sie Leute kennen, d...