Happy Family

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Fin

Ich stand vor dem großen Badezimerspiegel und streifte mir das schmutzige Shirt über den Kopf. Als ich es von mir weghielt reaglisierte ich dass es noch viel schlimmer aussah als ich gedacht hatte. Seufzend öffnete ich den Mülleimer unter dem Waschbecken und warf es hinein. Dann wusch ich kurz meinen Oberköper und mein Gesicht, mit den noch nassen Händen fuhr ich mir durchs Haar und verstrubbelte es. Katzenwäsche musste heute reichen. Ich wollte Mona nicht zu lange allein lassen. Wenn sie mich schon extra fragte ob ich bleiben könne, wollte ich sie nicht enttäuschen. Ich trocknete mich ab und verließ eilig das Bad. Mona hatte gesagt sie wäre im Gästezimmer um das Bett neu für mich zu beziehen, und so ging ich den Flur entlang bis ich den einzigen beleuchteten Raum fand und ihn betrat. Wie angewurzelt blieb ich stehen, überwältigt von diesem Anblick. Mona hatte sich über das Doppelbett gebeugt um das Laken überzustreifen und präsentierte mir so unfreiwillig einen großen Teil ihrer Oberschenkel und ihres schönen Rückens, da das Shirt hoch- und die Socken runtergerutscht waren. Dieser Anblick raubte mir den Atem und es verschlug mir die Sprache. Ich war froh und zugleich enttäuscht dass mich Mona bemerkte, denn sonst wäre ich wahrscheinlich noch tot umgefallen - Obwohl, genau das hätte ich jetzt auch am liebsten getan, denn man sah mir die unbändige Verlegenheit deutlich an. Und Mona war ebenso rot im Gesicht wie ich als sie von Bett stieg und ihre Kleidung zu richten versuchte. Wir standen uns schüchtern gegenüber, mein Herz schlug hektisch, die Nervosität zog mir die Brust zusammen, aber es war ein seltsam gutes Gefühl. Ich fragte mich, wieso Mona mir so auf die Brust starrte, bis mir einfiel dass ich ja vorhin mein Shirt in den Müll gestopft und mir kein neues übergezogen hatte. Somit stand ich halbnackt vor Mona, die anscheinend Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht hatte. "Ähm -", setzte Mona nach einigen Sekunden an. "Brauchst du vielleicht was? Also ich mein ob du was für Obenrum brauchst. Ob du ein T-Shirt brauchst!", stockte sie und pfefferte den letzten Satz hektisch heraus, als sie die richtige Formulierung gefunden hatte. Es brachte mich fast zum Lachen wie süß sie mit den Armen fuchtelte und sich von meinem nackten Oberkörper aus dem Konzept bringen ließ. "Mein Dad hat ein paar kleinere Shirts die dir passen sollten. Warte ich hol schnell eins -" Sie wollte an mir vorbeischlüpfen und dabei berühren ihre Brüste versehentlich meine nackte Haut am Bauch. Wie versteinert blieb sie vor mir stehen, und ihre Nähe und ihre Berührungen weckten Gefühle in mir, die ich selten so stark verspürt hatte. Ich spürte ihren Atem auf meinem Schlüsselbein und ihre Wärme brachte mich fast um. Ohne dass ich es bemerkte bewegte sich meine Hand langsam und verhakte sich mit ihren filigranen Fingern. Mehr von uns berührte sich nicht, doch die Luft knisterte förmlich und als ich Mona in die wundervollen braunen Augen sah, erkannte ich dass sie Ähnliches dachte wie ich. Wortlos ging sie davon, holte mir ein schwarzes, gut sitzendes Shirt und dann legten wir uns zusammen in das große Gästebett.
N

iemand von uns sagte etwas, wir lagen nebeneinander, Mona hatte sich mir zugewandt und ich lag auf dem Rücken. Ich konnte sie nicht ansehen, ich wollte immer noch nicht wahrhaben dass ich mich in sie verliebt und dass sie mich ebenfalls gern hatte. Das ... war doch unmöglich. Ein Rehblut verdehte mir den Kopf. Das Wolfsrudel würde ausrasten. Oder machte ich mir hier völlig umsonst Sorgen? Es konnte schließlich genau so gut sein dass sie mich für einen totalen Volltrottel hielt und nur nett sein wollte ... Mona nahm in diesem Augenblick meine Hand und rückte näher an mich heran. Ich wandte den Kopf und sah sie an. Meine Gedanken wanderten zu der ersten richtigen Begegnung mit ihr, wie sie in meinen Armen gelegen hatte, und wie überwältigt ich von ihrem unglaublichen Äußeren gewesen war, dass ich sie so dumm angesprochen hatte. Keine sonderlich gute erste Unterhaltung. Ich erinnerte mich an ihre Sturheit, die beeindruckend starke Stimme dieses zierlichen Wesens. Ich musste daran denken wie ich ihr im Krankenhaus einen Kuss auf die Wange gegeben hatte. Und ich fragte mich, ob ihre Lippen genau so gut taten wie ihre weiche Haut auf meinem Mund. Vorsichtig schob ich meine freie Hand unter ihren Kopf und unsere Gesichter bewegten sich wie von selbst langsam aufeinander zu. Ich roch ihren natürlichen Duft und unsere Lippen waren nur noch Millimeter voneinander entfernt.
E

in Krachen.
Wir schraken auseinander.
Mona saß aufrecht im Bett und atmete schwer. Dann erklang eine tiefe Stimme.
"Simona? Ich bin zuhaus, Mäuschen! Schläfst du schon?" Ich sah, wie Mona ein gewalltiger Stein vom Herzen fiel. Sie sprang auf und wollte nach unten laufen, doch im Türrahmen lieb sie stehen. Über die Schulter warf sie mir einen Blick zu, der mir den Verstand raubte, dann verschwand sie nach unten.

Mona

Ich rannte in vollem Tempo ins Erdgeschoss und übersprang die letzten vier Stufen spielend. Elegant landete ich in der Hocke und sprang sofort wieder auf, um meinen Vater, der eben seinen Mantel ausziehen wollte und mich nun erstaunt anguckte, umarmen zu können. Ich schlang die Arme um seinen Nacken und drückte ihn fest an mich. Tomas gab einen überraschten Laut von sich, dann strich er mir sanft über den Rücken. "Heyheyhey, Süße. Schon okay, ich bin hier. Ich habe eine Überstunde eingelegt und konnte dich nicht anrufen weil mein Handy den Geist aufgegeben hat. Tut mir leid." Ich löste mich von ihm. Seit Mums Tod hatte ich Schwierigkeiten mit dem Alleinsein und geriet sofort in Panik, wenn die Möglichkeit bestand, dass meinem letzten lebenden Erzeuger etwas geschehen sein könnte. Tomas Fray bedeutete mir die Welt und ich war nicht bereit, ihn herzugeben. Das wusste er und genau deswegen versuchte er mich gleich zu beruhigen. Ich holte tief Luft. Dann nickte ich, weil ich meiner Stimme noch nicht traute. "Es ist erst 18:00 Uhr. Was hältst du davon, wenn wir uns einen Film anschaun? Und uns Pizza bringen lassen? ", schlug Tomas gutmütig vor und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich lächelte. "Guter Plan, alter Mann.", stimmte ich zu. Wir lachten los und Pa verschwand in der Küche um von dem uralten Telefon die kleine Pizzeria in der Stadt anzurufen, die ich bereits am Montag entdeckt hatte. Jenny hatte mir versichert, dass es die beste Pizza war die man sich nur vorstellen konnte. Ich blieb gespannt. Ich wollte schon das Geld für die Lieferung zusammensuchen, da fiel mir auf dass ja Fin noch immer oben und vermutlich zur Flucht bereit war. Als Tomas die Bestellung aufgegeben hatte sprang ich ihn förmlich an. "Aaaach, Daddyy, mir fällt gerade ein dass wir Besuch haben.", flötete ich und hoffte, Dad würde nichts Falsches denken. Dieser hob allerdings nur eine Augenbraue als stumme Nachfrage. Ich erzählte von Fin und dass er nun wahrscheinlich keine Möglichkeit mehr hatte nach Hause zu kommen. Mein Vater reagierte gelassen, er grinste deutlich sichtbar in sich hinein und sagte, Zitat: "Hol' schon den armen Tropf zu uns, am Ende bricht er sich beim Versuch aus dem Fenster zu hüpfen und vor mir zu fliehen den Hals und dann haben wir den Salat."

Zwanzig Minuten später saßen Dad, ich und Fin in dieser Reihenfolge auf dem Sofa, aßen Champion- und Salamipizza, die wirklich rekordverdächtig lecker schmeckte, und sahen uns Versprochen ist versprochen an. Das Licht war ausgeschaltet, die Vorhänge zugezogen, ich saß zwischen den zwei momentan wichtigsten Menschen in meinem Leben und fühlte mich so wohl wie lange nicht. Es war Mittwoch abend, morgen würde ich die Schule wieder besuchen und Frau Erikson und meinem gruseligen Nachhilfelehrer ertragen müssen. Trotzdem genoss ich Fins tröstliche Wärme und Pas beschützende Stärke. Und am Freitag war die Feier, zu der mich Fin eingeladen hatte und bei der ich vielleicht zum ersten Mal die Nordlichter sehen würde. Ich dachte an Jenny, Quentin und Cat, die mich so nahmen wie ich war. An das Rehblut, das in meinen Adern floss. Wer hätte gedacht, dass ich mich nach Mums Tod nochmal so sicher und glücklich fühlen könnte? Und das an einem Ort wie diesem? Ich sank lächeln in die Sofakissen und schloss die Augen. Plötzlich setzte sich Dad neben mir auf und sah zu Fin hinüber. "Hey.", sagte er verblüfft. "Ist das nicht mein T-Shirt?"

Woodchild  -  BEENDET Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt