Pferde schmieden Pläne

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Kaum hatte mich Q aus seinem Auto geworfen und war davongebraust, begann mein kompletter Körper zu brennen und im nächsten Moment wurden meine Waden von Rehbeinen ersetzt, ebenso wichen meine Ohren und meine Nase die eines solchen Tiers. Ich hockte auf dem kalten, mit Frost bedeckten Boden, nur in meiner Schuluniform und den lächerlichen Lackschuhen, trotzdem fror ich kaum. Das war wohl ein Vorteil der verschiedenen Blüter. Mühsam kam ich letztlich nach mehreren Versuchen auf die Beine. Dad Geräusch, als meine ... Hufe über das Gras stöckelten, war ein seltsam beruhigendes Gefühl. Als ob es schon immer so hatte sein sollen. Ich erinnerte mich an meinen kurzen Ausflug in den Wald, als Dad und Fin mich genervt hatten und ich geflüchtet war. Genau die gleiche Trance, die mich in der Gesellschaft der Bäume ergriffen hatte, packte mich nun. Ich fühlte mich auf dem weiten Feld geborgen, es beruhigte mich jederzeit blitzschnell fliehen zu können. Vorsichtig betastete ich meine Nüstern, die Nässe der Schnauze erschreckte mich kurz. Das war so verdammt unfassbar.
Und dann donnerte die Erde. Ich zuckte zusammen. Genau das gleiche Beben wie damals, ebenfalls bei meiner kurzen Flucht vom Umzugsstress weg. Die Reiter. Nein, das waren keine Reiter.
Das war mir nun klar.
Wie ich bereits beim ersten Mal vermutet hatte, waren es Zentauren, Gestalten mit dem Oberkörpern eines Menschen und dem Torso eines Pferdes, die nun aus dem Wald heraus galoppiert kamen. Es waren drei Männer und eine Frau. Einer der Typen hatte einen beträchtlich langen Bart und war eindeutig der älteste, die anderen beiden waren um die Mitte Zwanzig und sahen sich mäßig ähnlich, der eine mit braunen, der andere mit roten Haaren. Die Frau schätzte ich auf Anfang Zwanzig, sie trabte den Männern voraus und machte ausgelassene Sprünge über Spurrillen im Ocker oder größere Steine. Ich hechtete hinter den Schuppen, der seitlich des Adlerhorstes angelehnt an eine Föhre stand, und spähte um die Ecke, bedacht, nicht entdeckt zu werden. Es waren zwar auch Naturseelen, doch trauen musste ich ihnen noch lange nicht. Der Älteste hob herrisch die Hände und rief der Frau etwas zu, was sie augenblicklich in ihrem Sausen und Springen innehalten ließ. Den Kopf gesenkt, kehrte sie zurück zu den Männern und sie nahmen sie in ihre Mitte. Das war vielleich ein komisches Grüppchen. Ich konnte nicht hören was sie sprachen, doch ich erkannte wie ernst alle plötzlich waren. Augenblicklich blieben die vier stehen, genau im selben Moment. Und dann nahmen sie die Hufe in die Hand, kaloppierten so schnell wie ich es nie für möglich gehalten hätte zurück in die Richtung aus der sie gekommen waren. Sekunden später erklang das Rattern und Brummen eines Motors. Und diesen Motor kannte ich ganz genau. Jeep. Tomas' Jeep. Und ich stand hier, wie auf dem Präsentierteller. Prompt tat ich es der kleinen Herde von eben nach und flüchtete hinters Haus. Was hat Dad schon so früh hier? Der SUV kam in der Kieseinfahrt zum Stehen und Pa stieg schwungvoll aus. Er trug ein langes Packet mit sich, das er äußerst vorsichtig hielt. War das ein Besen? Wollte Paps neuerdings Quiddich lernen? Wieso wandte er sich da denn nicht an mich? Nein, natürlich war es keiner. Leider.
Er verschwand im Haus, pfeifend und offensichtlich sehr gut gelaunt. Ich kannte Dad nur aus seltenen Situationen so. Kaum war er weg, verflüchtigte sich auch schon wieder meine Reh-Körperteile und ich plumpste erneut auf den hartgefrorenen Boden. Mäßig froh, wieder in den Lackschuhen zu stecken, rappelte ich mich hoch und rannte quer übers Feld, Richtung Wald. Ich konnte nicht sofort nach Pa das Haus betreten, das würde ihn misstrauisch machen, logisch, wo wäre ich denn so schnell hergekommen? Also beschloss ich, nach den Zentauren zu suchen. Immerhin würden sie mich so vielleicht nicht gleich als eine von ihrer Sorte erkennen. Mir war klar, dass Fin geschockt den Kopf schütteln und mir lauthals hinterherrufen würde, das gefälligst zu lassen, immerhin könnten sie gefährlich sein, immerhin waren nicht alle Naturseelen gutherzig, trotzdem konnte ich nicht anders. Es waren weniger die Männer die mich neugierig machten, vielmehr wollte ich mir das Mädchen nochmals genauer anschaun. Etwas an ihr erinnerte mich an jemanden. Ich war mir nur nicht sicher, an wen.
Im Wald verbrag ich mich meist im Schatten, versuchte möglichst leise den lauten Rufen zu folgen.
Gerade als ich einen guten Laufschritt gefunden hatte, verstummte das Hufgestapfe und schon nach wenigen Metern konnte ich die Zentauren zwischen den Bäumen entdecken. Ich verbarg mich im kahlen Geäst des Unterholzes. Ich war nah genug an ihnen, um sie belauschen zu können. "Ich hab doch gesagt dass er nach Hause kommen würde! Wieso hört hier nie jemand auf mich?", feuerte der Rothaarige. "Weil du die meiste Zeit nur Schwachsinn von dir gibst, Luk.", konterte das schwarzhaarige Mädchen und verschränkte die Arme vor der nur mit einem dünnen Top bedeckte Brust. Der Braunhaarige schob seinen wuchtigen Pferdekörper neben den etwas zierlicheren des Mädchens und berührte sie unauffällig an der Stelle, wo ihre Wirbelsäule zu einem geraden Pferderücken verlief. Augenblicklich zuckte ihr Schweif und sie machte einige Schritte seitwärts. "Lass den Scheiß, Kristof." Der sogenannte Kristof presste dir Lippen zusammen, offensichtlich war es ihm nicht recht dass das Mädchen ihm widersprach. Trotzdem blieb er stumm. "Reißt euch zusammen, ihr Kindsköpfe.", schaltete sich der Alte nun ein und schob die Streithähne auseinander. "Immerhin wissen wir nun, dass Fray wirklich dort wohnt. Er hat es also wirklich durchgezogen. Verflucht. Ich hatte gehofft, ihn nie wieder hier sehen zu müssen. Er hat es mir damals versprochen. Da weiß man mal, was das Wort eines Unreinen wert ist."
Unreiner? Dad?
"Die Rilkers leben schon lange nicht mehr dort. Der Bürgermeister lebt schon lange nicht mehr, und seine Söhne und Enkel bringen nichts Zustande. Also, was spricht dagegen, dass Fray hier einzieht?", wollte Luk wissen. "Die Rilkers sind aber dennoch die wahren Fürsten. Sie haben das Recht, kein dreckiger Verräter."
"Er hat doch nur seine große Liebe geheiratet und die Gemeinschaft verlassen, na und?"
"Nichts, na und. Dieses Haus steht ihm in keinster Weise zu.", feuerte der Bärtige. "Ich weiß noch nichtmal, was er hier will.", fügte er noch hinzu. "Was ist eigentlich mit seiner Tochter?", fragte Kristof. Sofort spannten sich all meine Muskeln an. "Die ist mit ihm hier. Die Kleine geht auf die Anderson, Zwicker hat sie bereits kennengelernt. Er sagt, sie sei ziemlich fix. Also geht ihr aus dem Weg, nicht dass sie einen von euch erwischt oder wiedererkennt." Alle nickten, dann trabten sie an und verschwanden donnernd aus meinem Sichtfeld. Und so blieb ich zurück, geschockt und grübelnd über diese vielen neuen Informationen.

Woodchild  -  BEENDET Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt