Chapter 2

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Shae's Pov

Ich stand noch kurz da und sah ihm hinterher, bis mir wieder einfiel, dass ich ja eigentlich zum Bus wollte.

Der Tag verging genauso schleppend wie erwartet und zu allem Überfluss bekam eine andere Mitarbeiterin die Beförderung, auf die ich seit Monaten hin gearbeitet hatte. Immerhin schrieb mir Josh, dass er heute zum Essen vorbeikommen würde.

Als ich endlich Feierabend hatte, hatte es stark angefangen zu schneien. Ich zog mir meinen Schal fester um den Hals und versuchte mir warme Gedanken zu machen, während ich auf den Bus wartete, der bereits 20 Minuten zu spät war. Laut meinem Handy war heute bisher der kälteste Tag in diesem Winter, was auch erklärte, wieso ich am ganzen Körper zitterte.

Als der Bus dann endlich kam, stand ich eingeengt zwischen einem nach Schweiß stinkenden Mann und einer Frau, die ununterbrochen telefonierte, was dazu führte, dass ich ihre gesamte Familie nun beim Namen kannte. Spätestens jetzt wollte ich wirklich einfach nur noch nach Hause, also bemühte ich mich, die fünf Minuten von der Haltestelle zu mir nach Hause extra schnell hinter mich zu bringen.

Was mir meine Laune jedoch endgültig vermieste, war, dass ich anscheinend meinen Schlüssel zu Hause liegen gelassen hatte.

Ich stöhnte frustriert auf und ließ mich auf die kleine Treppe vor meinem Haus fallen, was ich sogleich bereute, da meine Hose nun nass war. Also saß ich eine Weile so da, den Kopf auf meine Hände gelegt, als sich jemand räusperte.

"Gibt's einen bestimmten Grund dafür, dass du vor deiner Haustür sitzt? Im Schnee?"

Ich sah auf und mich trafen dieselben eisblauen Augen die mir auch heute morgen begegnet waren.

"Ich hab mich ausgesperrt."

Meine Stimme klang quengelnder als erwartet, doch daran konnte ich in dem Moment nichts ändern.

Der Mann stand noch vor mir, sagte jedoch nichts, also fuhr ich fort.

"Und der Schlosser braucht mindestens eine Stunde hierher. Bei dem Schnee vielleicht länger. Und mir ist so kalt. Und dieser Tag ist einfach absolut scheiße."

Eine lange Stille entstand zwischen mir und dem Mann und ich begann mein Handy aus meiner Tasche zu suchen und den Schlosser zu rufen.

Der Mann stand immer noch da und rührte sich nicht.

"Komm mit." sagte er und ging voraus auf die andere Häuserseite. Als er sah, dass ich mich nicht bewegte, blieb er stehen und sah über seine Schulter.

"Na was ist? Willst du dir da den Tod holen, oder kommst du?"

Ich zögerte. All die Berichte aus den Nachrichten über irgendwelche entführten und misshandelten Frauen kamen mir in den Sinn. Sollte ich wirklich mit ihm mit gehen? Vielleicht würde er mich ermorden und meine Überreste in seinem Keller verteilen.

Es kam ein kalter Windzug und als die Kälte erneut durch meine Knochen zog, konnte ich der Versuchung nach einer warmen Wohnung nicht mehr wiederstehen, also folgte ich ihm. So schnell bist du also zu überreden Shae.

Ich lief still hinter ihm her und wir gingen hoch in seine Wohnung. Der Geruch von Zigaretten stieg mir in die Nase und aus Reflex fing ich kurz an, seltsam zu husten. Er sah mich irritiert an und ich ohrfeigte mich innerlich.

Seine Wohnung war im Gegensatz zu meiner ziemlich dunkel, aber dennoch schön eingerichtet. Schwarzes Ledersofa, Glastisch, eine große Küche, die ziemlich unbenutzt aussah.

Er ging in einen Nebenraum und ich stand einfach nur im Flur rum. Als er wieder kam, hielt er eine schwarze Jogginghose in der Hand.

"Wenn du willst,..."

Er räusperte sich und sah auf die Hose in seinen Händen.

"Wenn du willst, kannst du dich dort umziehen."

Ich bemerkte, wie tief und rau seine Stimme war.

"Danke." sagte ich, ging ins Bad und zog mir die Hose über. Meine Jeans hing ich zum trocknen über die Badewanne.

Dann ging ich ins Wohnzimmer, wo er bereits auf der Couch saß, mit einem Bier in der Hand und an seinem Handy rum spielte. Seine Kapuze hatte er immer noch nicht abgenommen.

Ich stand unschlüssig im Türrahmen und räusperte mich. Er sah kurz auf und widmete sich dann wieder seinem Handy.

"Sexy. Muss ich schon sagen." sagte er und brachte mich damit völlig aus dem Konzept. Ich sah an mir herunter und dann wieder zu ihm. Die Hose war mir viel zu groß und ich fühlte mich in ihr eher wie ein Hobbit, als ein weibliches Wesen.

"Ich...Ich hab einen Freund." stotterte ich, da mir das in diesem Moment angemessen vorkam.

"Cool. Und ich hab kein Interesse. Das war Ironie Kleines. Willst du da jetzt die ganze Zeit rumstehen, oder hast du irgendwann vor dich zu setzen?"

Wortlos setzte ich mich auf die äußerste Kante der Couch, die Hände in meinem Schoß. Ich wäre in diesem Moment an jedem Ort dieser Welt lieber gewesen.

Amüsiert sah er mich nach einer Weile wieder an.

"Bist du immer so verklemmt?"

Ich antwortete nicht und sah auf meine Hände. Ich war eigentlich nicht so, aber dieser Typ verunsicherte mich irgendwie. Warum war er auch so gemein?

Er lachte tief und widmete sich wieder seinem Handy.

Nach einer Weile, in der ich nur stumm dagesessen hatte und meinen Gedanken nachhing, sah ich den Wagen des Schlössers vorfahren.

"Ich geh dann jetzt...danke..."

Ich stand auf, griff meine Sachen und rauschte aus der Tür. 

Vor meiner Tür stand auch schon Josh, der anscheinend schon eine Weile wartete, da er an der Wand lehnte und auf seinem Handy rum spielte.

"Hey du." machte ich mich bemerkbar und er sah auf.

"Selber Hey." Er grinste und gab mir zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange.

Nachdem wir die Jacken abgelegt hatten, sah er runter auf meine Hose.

"Neuer Look?" fragte er und zog eine Augenbraue nach oben.

Ich lachte.

"Meine Hose war nass und mein Nachbar hat mich zu sich rein gebeten und mir die Hose zum wechseln gegeben."

"Und dein Nachbar ist 16 und in einer Gang ja?"

Das muss ich wohl kurz erklären. Josh trägt keine Jogginghosen, oder generell bequeme Hausklamotten. Das letzte Mal, dass ich ihn in einer bequemen, nicht hautengen Hose gesehen hatte, war vor ungefähr zwei Jahren, als er so krank war, dass er sich den ganzen Tag nicht bewegte.

"Nein, er ist einfach ein normaler Mann. So unser Alter denk ich."

Damit hatte ich einen Nerv getroffen, das wusste ich. Aber was sollte ich schon anderes sagen?

"Und du gehst einfach mit irgendeinem fremden Mann in seine Wohnung, weil er dir eine Jogginghose anbietet?"

Ich stöhnte genervt auf, küsste ihn auf die Wange und wechselte auf dem Weg in die Küche das Thema.

"Ich habe uns Mangohühnchen vorbereitet, das isst du doch so gerne."

Er lächelte, doch ich sah ihm an, dass das Thema noch nicht erledigt war.

Josh war schon immer viel zu besorgt um mich gewesen und hinzu kam seine chronische Eifersucht.
Mich brauchte nur ein Verkäufer anzulächeln und bei ihm brannten die Sicherungen durch. Trotzdem wusste ich, dass er nur so war, weil er sich Sorgen um mich machte und mich liebte, also konnte ich ihm das nicht übel nehmen.

"Pass bitte das nächste Mal einfach besser auf, dass du deinen Schlüssel auch wirklich mitnimmst, dann muss ich mir keine Sorgen machen."

Ich verdrehte meine Augen. Er musste auch immer das letzte Wort haben.

The boy at the window [Ed Sheeran Fanfiction]Where stories live. Discover now