Kapitel 2

105 6 0
                                    

Der Sommer würde bald zuende gehen und die Nächte wieder länger werden. Schon jetzt wehte eine frische Brise. Majara wusste das war nichts im Vergleich zum Winter. Nicht gegen knisternde Kälte, die den Atem dampfen und die Finger zu Eisklumpen werden ließ. SIe fröstelte allein, bei dem Gedanken. 
 
Es gab sicher etwas, wie sie sich nützlich machen konnte. Sie machte sich auf die Suche nach ihrer Mutter oder sonst jemandem. Dabei kam sie an River vorbei. Anuks Pferd, also konnte ihr Bruder auch nicht weit sein. Majara ging auf das schöne braun gescheckte Pferd zu. Es hatte einmal ihrem Vater gehört. Sie hielt ihre Hand vor Rivers Nüstern und River bließ sanft hinein. Ein paar Mal hatte Anuk sie auf Rivers Rücken gesetzt und quer durchs Dorf geführt. Alleine durfte sie das nicht. Ihre Mutter hatte Angst, dass sie aus heiterem Himmel einschlafen und vom Pferd fallen würde. Das bedauerte Majara zutiefst, denn sie liebte diese Tiere über alles.
  Manchmal stellte sie sich vor, wie es wäre nicht am See, sondern in den unendlichen Weiten der Prärie zu leben und auf dem Rücken eines Pferdes durch die Gegend zu ziehen.
Das war vielleicht das Einzige gute, was die Weißen jemals getan hatten, dachte sie. Sie hatten ihnen die Pferde gebracht, ihnen gezeigt, wie man sie anders nutzen kann, als sich nur in schweren Zeiten von ihrem Fleisch zu ernähren. Dich diesen Gedanken würde sie nie mit jemandem Teilen. Nicht hier in der Welt am See.

,,Majara da bist du ja", rief plötzlich Jemand. Sie drehte sich um und sah Anuk.

,,Mutter sucht dich. Sie möchte, dass du ihr hilfst ein paar Hütten schonmal Winterfest zu machen", teilte er ihr mit.
Majara nickte.

,,Das trifft sich gut. Ich wollte sie sowieso gerade suchen gehen. Bis nachher."rief sie ihm zu und lief los.
  Wie erwartet fand sie ihre Mutter bei den Hütten, in denen hauptsächlich ältere Menschen lebten. Sie und ein paar andere hatten bereits begonnen dickere Wände zu flechten und neuen Lehm anzurühren. Majara tippte ihre Mutter an der Schulter an, um auf sich aufmerksam zu machen.

,,Ach hallo Kleines, schön, dass du so schnell kommen konntest. Hilfst du mir bitte mit dem Lehm, begrüßte Chenoah sie. Ihre Stimme war warm und gab einem immer das Gefühl von Geborgenheit.
Sie schüteten abwechselnd die trockene, lehmige Erde ins Wasser und rührten. Die Sonne zog ihre Bahn über den Himmel. Irgendwo zwischen den Ästen eines Baumes sang ein Vogel. Alles wirkte vollkommen friedlich, fast idyllisch, doch der Schein trügte. Und niemand wusste das besser als Majara.
 
Sie klatschten den Lehm mit den Händen auf das Geflecht und verrieben ihn. Dabei bereitete es Maja fast körperliche Schmerzen, weiter schweigen zu müssen. Wenn sie erzählte, welcher Alptraum sich bald ereignen würde, würden sie alle bloß für das ängstliche kleine Mädchen halten, dass sich gerne aufspielte.
Also nahm sie nur weiter Lehm aus dem Bottich, klatschte ihn gegen die Wand und verrieb ihn.
Solange, bis sie einschlief...

Der Schrei der EuleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt