Kapitel 4

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Majara erwischte den ersten Bus nach Unterrichtsschluss. Und kam somit noch früher an der Little Libary an. Es waren nie besonders viele Leute in dem mit Büchern zugestopftem Raum. Letztes Mal hatte Majara ein Buch gefunden, das vielversprechend zu sein schien, war jedoch noch nicht dazu gekommen es richtig zu lesen.
Nina daul Tsunyi. Der Weg auf dem sie weinten.
Es hatte sie sofort angesprochen, da der Titel in der Sprache der Cherokee war. Ihrer Sprache.
  Sie winkte der Bibiothekarin zu, als sie an ihr vorbeikam. Sie wusste über Majaras "Krankheit" bescheid und würde im "Notfall" ihre Eltern kontaktieren.
  Majara setzte sich auf einen Sessel, der in der Ecke stand und klappte das Buch auf. Auf den ersten Seiten stand das, was sie in allen anderen Büchern bis jetzt auch gelesen hatte.
Das sie Weißen die Indianer zwangsumsiedeln ließen, weil sie nach mehr Land strebten, wie die Menschen zusammengetrieben wurden und Tausende die Meilen weite Reise nicht überlebten.

Viele derjenigen, die die Reise bis nach Oklahoma überstanden hatten, blieben ihr Leben lang seelisch geprägt, sodass einige von ihnen nicht länger richtig lebensfähig waren, las Majara.

Jeglicher Versuch das ganze sachlich zu sehen scheiterte. In ihrem Kopf formten sich Bilder, wie Anevay an den Haaren aus ihrer Hütte gezogen wurde, Blut über Anuks Brust floss, ihre Mutter Chenoah in Ketten gelegt und vorwärts getrieben wurde. Und all das konnte Wirklichkeit werden. All das war Wirklichkeit, denn es war schon passiert, zumindest aus Sicht dieser Zeit.
  Wenn Majara sich nicht irrte, war es diesen Winter. Winter 1838. The trail of tears.
  Majara raufte sich die Haare. Tränen liefen ihr übers Gesicht und tropften auf die aufgeschlagenen Seiten des Buches. Sie zitterte vor Anstrennung nicht lauthals zu schluchtzen.

"Jara?!",
Majara blickte auf. Vor ihr stand Jenniffer, die Sporttasche noch über der Schulter gehängt. Majara wollte ihr Gesicht verdecken, dich es war zu spät. Jenny hatte sie schon gesehen.

"Was ist los?", fragte sie besorgt, stellte ihre Tasche ab und nahm sie in den Arm. Majara kniff ihre Augen zu um die Tränen zu stoppen. Für sie hatte der Weg der Tränen bereits begonnen.

"Ich muss dir was sagen", brachte sie hervor. Und bestimmt hätte sie das auch getan, wäre sie in diesem Moment nicht wieder eingeschlafen...

Der Schrei der EuleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt