Kapitel 23

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Was als nächstes geschah ist leicht zu erklären: Sie liefen. Sie liefen, bis ihre Füße schmerzten und noch weiter. Einige hatten noch nicht einmal Zeit gehabt ihre Wintermäntel überzustreifen. Allein von der Vorstellung wie Kalt es ohne die schützende Tierhaut wäre fröstelte Majara.
  Die Masse lief eng aneinander gedrängt. Nicht nur, dass die Soldaten ihnen keine andere Wahl ließen. Sie hatten nichts mitnehmen können. Nichts als die Kleider an ihrem Leib. Nun hatten sie nur noch einander. Trotzdem fühlte Majara sich so einsam wie noch nie. Bald konnte sie nicht mehr. Jeder Schritt beanspruchte Muskel- und noch mehr Willenskraft. Sie fragte sich, wie es den etwas älteren erst ergehen musste. Der Boden war nicht eben. Sie liefen über bröckelige Erde und kantiges Gestein. Nicht selten stolperte jemand und rappelte sich wieder auf, bevor Füße ihn zu zertreten drohten. Majara fing an sich immer neue Ziele zu suchen. Nur noch bis zu dem Felsen dort hinten, sagte sie sich in Gedanken. Nur bis zu dem Großen Baum, dann hasst du es geschafft. Natürlich war es dann noch lange nicht hinter sich und sie wusste jedes Mal aufs neue, sie belog sich selbst, aber ihr viel nichts anderes ein um sich aufzuheitern. Es gab nichts.

Es war pure Ironie. Ja, es gab einige Leute die weinten. Ob lautlos oder fürchterlich schluchzend, doch die meisten machten es so wie Majara. Starrten auf dem Weg der Tränen einfach stumm vor sich hin. Immer einen Fuß vor den anderen setzend. Irgendwo in der Menge Blitzten Hauttöne auf, die weder zu den der Weißen noch zu ihrem Stamm passten. Sklaven. Auch darüber hatte sie gelesen. Das die Weißen keinen Unterschied zwischen ihnen und den Indianern machten und zwei völlig fremde Kulturen durch das Land ziehen ließen. Ein einziges Mal am Tag ließen die Soldaten sie trinken. Gierig stürtzten sich alle auf den kleinen Bach. Viele nutzten die Pause auch für etwas anderes. Es war nicht sonderlich schön mit drückender Blase umher zulaufen, wenn man es denn überhaupt so lange anhalten konnte. Niemand machte sich die Mühe weiter weg zu gehen. Wie auch? Jeder, der nicht tat wurde in Ketten gelegt, wenn er denn so viel Glück hatte und nicht gleich einer Kugel zum Opfer viel. Das waren inzwischen schon einige. Nachts wurde ihnen erlaubt ein paar Stunden zu schlafen. Wer hier versuchte zu fliehen wurde gleich erschossen. Majara schaffte es in einen Unruhigen Schlaf zu fallen, aus dem sie immer wieder hochschreckte. Dem Mädchen neben ihr schien es nicht ganz so gut zu ergehen. Immer wenn Majara zu ihr sah, hockte sie mit offenen Augen da und wimmerte. Majara wollte ihr helfen, wusste aber nicht wie. Sie nahm ein paar Beeren aus ihrer Tasche und reichte sie dem Mädchen. Bis jetzt war sie sparsam mit dem kleinen Vorrat umgegangen, den sie dabei hatte. Das Mädchen nahm die Beeren entgegen, wie einen kleinen Schatz und blickte sie dankbar an. Danach beruhigte sie sich etwas. Majara selbst kratzte etwas Moss vom Boden. Es war nicht wirklich essbar, aber wenigstens hatte sie so etwas zum kauen. Sie wollte nicht riskieren noch mehr von den kostbaren Beeren zu nehmen. 

Es dämmerte bereits, als sie angebrüllt wurden und anschließend weiter zogen. Un weiter und weiter und immer weiter. Majara durfte gar nicht daran denken, wie sie 2017 einfach zu ihrer Mutter ins Auto gestiegen und losgefahren war. Zu einem wegen ihrer schmerzenden Füße, zum anderen wegen ihrer Mutter. Wenn sie nicht bald hier ihre Familie fand, hatte sie gleich zwei verloren.

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Ich erinnere daran, dass ich mir den Trail nicht ausgedacht habe. Es wird nicht alles zu Hundert Prozent stimmen (Wie gesagt, wer mehr weiß, her damit) , aber es bleibt dabei, dass tausende Leute gezwungen wurden im Kilometer weit liefen, litten oder sogar starben.
Auf das dies niemals in Vergessenheit gerät.

Rickardia

Der Schrei der EuleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt